Mutmaßliches Autorennen vor Gericht

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Schwere Strafen: Seit 2017 gelten in Deutschland schärfere Gesetze gegen illegale Autorennen. Das Bild zeigt eine Schilder-Kampagne von 2018. „Das schärfste Schwert sind Fahrverbote“ © dpa

Hatten sich die drei jungen Leute ein illegales Autorennen durch Holzkirchen geliefert oder waren sie „nur“ zu schnell unterwegs? Um diese Frage dreht sich derzeit ein Prozess am Amtsgericht Miesbach.

Holzkirchen – Auf der Anklagebank sitzen ein Holzkirchner (28) sowie zwei Frauen aus Valley (20) und Otterfing (23). Laut Anklage sollen sie in einer Aprilnacht 2023 mit ihren Autos aus der Tiefgarage des Holzkirchner Einkaufszentrums ausgefahren sein, um sich dann auf der Rosenheimer Straße mit Tempo 90 ein Rennen zu liefern. Das Einsatzsignal dazu sei ein sehr dichtes Auffahren auf den jeweiligen Vordermann gewesen. Der Holzkirchner soll zudem ein riskantes Überholmanöver unternommen haben.

Am ersten Verhandlungstag hatten zwei Polizeibeamte ausgesagt, die die „sehr zügige“ Ausfahrt aus der Tiefgarage von einer Bahnbrücke aus beobachtet und die Verfolgung aufgenommen hatten. Nachdem die Raser zwei Kreiseln durchfahren hatten, sei es ihnen möglich gewesen, sie zu stoppen, so die Beamten. Anschließend hätten sie den Fahrern nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft eröffnet, dass gegen sie wegen des Verdachts eines illegalen Rennens ermittelt werde.

Der Anwalt des Holzkirchners hatte einen maßstabsgetreuen Plan der Strecke vorgelegt, auf dem einer der beiden Polizisten dann den konkreten Verlauf der Fahrt mit Abständen der Fahrzeuge und den jeweiligen Geschwindigkeiten eintragen musste. Vor dem zweiten Verhandlungstag war außerdem ein Ortstermin anberaumt worden, bei dem die Strecke zur Rekonstruktion der Geschehnisse nochmals abgefahren wurde.

Am jetzigen zweiten Prozesstag monierte der Verteidiger dann, dass einige Details in der Aussage des Streifenpolizisten in diametralem Widerspruch zu seinen Eintragungen auf der Karte stünden. Dies betreffe etwa die Angaben zu dem Überholmanöver des 28-Jährigen. Um den Nachweis zu erbringen, dass es sich nicht um ein Rennen gehandelt habe und das Ausfahren aus der Tiefgarage in normalem Tempo erfolgt sei, beantragte er die Anhörung eines weiteren Zeugen.

Richter warnt vor Falschaussage

Dieser, damals Beifahrer des Holzkirchners, schilderte die Geschichte dann anders. Nach dem Besuch eines Spielcasinos habe man den Plan gefasst, zu der 23-jährigen Mitangeklagten nach Otterfing zu fahren. Die folgende Fahrt sei „in normalem Tempo, mit etwa 50 bis 60 Stundenkilometern“ erfolgt, auch habe der Holzkirchner niemanden überholt. Richter Klaus-Jürgen Schmid warnte den Zeugen hier vor einer Falschaussage. Da er während der Fahrt immer auf sein Handy geschaut habe, könne er sich nicht erinnern, korrigierte sich dieser. Auch an die Reihenfolge der Fahrzeuge habe er keine Erinnerung. Der Anwalt des Holzkirchners echauffierte sich immer wieder über die aus seiner Sicht suggestiven Fragen des Richters – ein Vorwurf, den er vorher wiederholt selbst zu hören bekommen hatte.

Immer mehr geriet die Verhandlung dann zu Wortgefechten zwischen Gericht und Verteidigung. Der Anwalt der Valleyerin forderte forsch die Auswertung der Überwachungsvideos der Tiefgarage. Sollten die drei Autos darauf nicht auftauchen, werde er Strafantrag gegen den Streifenpolizisten stellen. Der Anwalt des Holzkirchners unterstellte Schmid einen Belastungseifer, wie er ihn nie zuvor erlebt habe: „Das ist unglaublich, was hier abläuft.“ Das sei wahrlich unglaublich, gab dieser lakonisch zurück. Mit der erneuten Vernehmung der zwei Polizisten wird der Prozess am heutigen Montag fortgesetzt.

Von Stefan Gernböck

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