TV-Kolumne zu „Der Trump-Einflüsterer“ - Spin-Doctor Roger Stone: Erst machte er Trump groß – jetzt hasst er ihn
Er raucht Zigarren, dick und mächtig. Und schwadroniert darüber, dass es harte Arbeit sei, „die westliche Zivilisation zu retten“. Auf seinen T-Shirts stehen Slogans wie „F*#k Your Feelings!“ Roger Stone, geboren 1952, ist kein Mann der sanften Töne, sondern das, was man in den USA einen „Spin-Doctor“ nennt – einen Politberater, der aus Kandidaten Sieger macht.
Seit den 1980er Jahren arbeitete er daran, den Immobilienmann Donald Trump ins Weiße Haus zu hieven. „Seit 40 Jahren“, prahlt Stone noch zu Beginn der Doku „Der Trump-Einflüsterer“ (abrufbar in der ARD-Mediathek), „gelingt es mir, den großen Mann davon zu überzeugen, was für ihn das Beste ist“.
Insgesamt drei Jahre hat der dänische Filmemacher Christoffer Guldbranson den Königsmacher Roger Stone mit einem Kamerateam begleitet – zunächst in der Hoffnung, so in den Inner Circle von Trump zu gelangen. Dass dies nicht gelang, ist kein Verlust: Spätestens mit dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 stellte sich heraus, dass Stone der noch bessere Protagonist ist.
QAnon? „Patrioten, die das Internet nutzen“
Denn am Beispiel von Roger Stone wird deutlich, wie verkommen die US-amerikanische Politszene in Wahrheit ist – und wie wenig sie sich dafür schämt. Jemand wie Stone will nicht gefallen.
Er lässt sich mit hochgerutschtem T-Shirt beim Power-Nap filmen und dabei, wie sein Haaransatz frisch getönt wird. Beides keine Momente, in denen man gefilmt werden möchte. Es sei denn, man fühlt sich unangreifbar.
Stone versucht erst gar nicht, vor dem dänischen Filmteam und damit vor Europa zu verheimlichen, mit welchen Mitteln er arbeitet und mit welchen dubiosen Wahlkampfhelfern er sich umgibt: Er ist stolz auf das, was er tut – und wie er es tut.
Es ist aus europäischer Sicht hochgradig verstörend, wie sich Stone etwa über die rechtsgedrehten Verschwörungstruppe QAnon äußert: „Das sind Patrioten, die das Internet nutzen.“ Gerne umgibt er sich mit Vertretern rechtsextremer Milizen wie den Oath Keepern oder den Proud Boys – aus seiner Sicht vermutlich auch nur Patrioten, die eben Waffen nutzen.
Das Narrativ der gestohlenen Wahl
„Stop the Steal“: Den Plan, den Demokraten geplanten Wahlbetrug vorzuwerfen, hatte Roger Stone 2016 entwickelt für den Fall, dass Trump die Wahl gegen Hillary Clinton verlieren würde.
Die Kampagne wurde damals nicht umgesetzt, doch 2020 reaktivierte Stone sie, als es nach der Wahl im Herbst 2020 zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Trump und Joe Biden kam: „Notfalls müssen wir den Sieg für uns reklamieren. Einfach Tatsachen schaffen: Wir haben gewonnen, fickt euch.“
Dass er Telefonate dazu ungerührt mitfilmen lässt, betont auf erschreckende Weise die Tatsache, wie sicher sich Trumps Stratege Roger Stone im rechtsfreien Raum fühlt.
In der Wahlnacht feiert Stone im „Stars and Stripes“-Anzug mit Angehörigen der rechtsextremen Proud Boys und Oath Keepers und bringt die Stimmung auf Hochtemperatur: „Stellt euch darauf ein, dass wir die Wahl anfechten müssen“, warnt er die Menge und fordert: „Wir werden kämpfen, um Amerika größer zu machen als je zuvor.“
Flucht nach Florida, als es in Washington zu heiß wird
Guldbransens Film belegt: In der Nacht vor dem Sturm aufs Kapitol stand Stone mit Vertretern der rechtsextremen Proud Boys und Oath Keepers in Verbindung und brachte seine These der gestohlenen Wahl weiter in Umlauf: „Ich habe die Beweise gesehen und sie sind erdrückend“, behauptet er. Gegenüber Guldbransen betont er stolz: „Wir sind dabei, wie Geschichte geschrieben wird.“
Die Archivaufnahmen vom Sturm aufs Kapitol, der als Demo beginnt und dann ausartet zu einem Gewaltexzess, haben bis heute nichts an Intensität verloren. Stone packt zu der Zeit allerdings bereits in seinem Hotel den Koffer und macht Selfies als Beweis, dass er nicht am Ort des Geschehens war.
Zurück in Florida, bittet er Trump um eine präventive Begnadigung, falls ihm jemand seine Beteiligung an den Protesten zur Last legen will. Doch diesmal verweigert der Präsident ihm den Freundschaftsdienst.
„Kandidier noch mal und ich schlag dir den Schädel ein!“
Die Nervosität Stones und die wachsende Frequenz der Flüche verraten: Der einstige Trump-Einflüsterer hat seinen Stammplatz am Ohr des Präsidenten verloren. Wie manisch diktiert Stone Hassnachrichten in sein Handy, darunter auch einige an Donald Trump.
Der Mann, den er einst an die Spitze hob, ist nun für Stone „der größte Fehler in der amerikanischen Geschichte!“ Wütend brüllt er ins Telefon: „Kandidier nochmal und ich schlag dir den Schädel ein!“ Vom Königsmacher zum Königsmörder ist es nur ein kurzer Weg.
In Richtung Guldbransen erklärt Roger Stone danach: „Wenn du das verwendest, bringe ich dich um.“ Der Däne bezeichnet im Abspann seine Beziehung zu Stone lakonisch als entsprechend „kompliziert“.
Und warnt davor, dass all das, was er in den drei Jahren Drehphase erlebt hat, nicht als Vergangenheit abgetan werden sollte. Sondern „als Warnung vor dem, was kommen wird“.