Gutachten: Abschaffung des „Heizgesetzes“ wäre illegal

Ein klares Versprechen: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“, so ist es im Koalitionsvertrag von Union und SPD aus dem April festgehalten. Allerdings könnte das Vorhaben gar nicht umsetzbar sein, weil es gegen die Verfassung und das Europarecht verstoße. Das ist das Ergebnis eines Rechtsgutachtens, das der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) in Auftrag gegeben hat. 

Ein „Heizungsgesetz“ in dieser Form gibt es ohnehin nicht. Gemeint ist damit meist Paragraf 71 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), den die Ampel-Regierung im Januar 2024 in Kraft gesetzt hat. Der Paragraf schreibt vor, dass bei einem Heizungseinbau oder -austausch die Heizungsanlage mindestens 65 Prozent der bereitgestellten Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugen muss – zunächst allerdings nur im Neubau. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sprach bei ihrer Amtsübernahme davon, den „Zwang zur Wärmepumpe“ zu beenden; das neue GEG solle technologieoffener, flexibler und einfacher sein. 

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Abschaffung des Heizungsgesetzes hätte "fatale Folgen"

Tatsächlich lässt der Paragraf 71 diese Technologieoffenheit bereits zu. Welche alternativen Energien die Eigentümer von Neubauten verwenden, ist ihnen überlassen, solange sie die 65-Prozent-Regel für erneuerbare Energien einhalten.

Wie dieses neue GEG aussehen soll, steht noch nicht fest. Ersatzlos streichen ließe sich die 65-Prozent-Regel ohnehin nicht, heißt es in dem Gutachten, das die Juristin Miriam Vollmer von der Kanzlei re Rechtsanwälte erstellt hat. Grund ist europäisches Recht: Die EU verpflichtet Deutschland detailliert zur Senkung von CO2-Emissionen im Gebäudebereich, so das Gutachten. Die sogenannte RED-III-Richtlinie schreibe etwa einen Anteil von 49 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 vor. Bis 2050 muss sogar der gesamte Gebäudebestand klimaneutral sein. 

„In der Gesamtbetrachtung trägt die 65-Prozent-Regelung im Gebäudeenergiegesetz erheblich dazu bei, die ambitionierten Vorgaben des europäischen Rechts zu erfüllen“, sagt Vollmer. Eine neue Regelung müsse diese strengen Vorgaben ebenfalls beachten. „Deutschland kann schon deswegen nicht uneingeschränkt neue Öl- und Gasheizungen zulassen“, heißt es im Gutachten. 

Auch das nationale Recht stehe einer ersatzlosen Abschaffung des „Heizgesetzes“ im Wege, schreibt Vollmer. Nach Artikel 20a des Grundgesetzes und einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Bürgerinnen und Bürger sowie die natürlichen Lebensgrundlagen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Daraus ergebe sich ein sogenanntes „Verschlechterungsverbot“: Effektive Klimaschutzmaßnahmen dürften nur gegen Maßnahmen ausgetauscht werden, die mindestens genauso effektiv sind. 

Der Verband appelliert daher an die Bundesregierung, die Novelle der Ampel-Regierung „rechtssicher“ umzusetzen. „Wir brauchen eine belastbare Planungssicherheit im GEG und in der Heizungsförderung“, fordert BWP-Geschäftsführer Martin Sabel. Er verweist darauf, dass die Wärmepumpe in diesem Jahr vor Gas- und Ölheizungen das meistverkaufte Heizungssystem sei. Sollte die Bundesregierung das Heizungsgesetz abschaffen, gefährde sie „tausende Arbeitsplätze in Industrie, Fachhandwerk und in der Energiewirtschaft“, so Sabel. Laut Angaben des BWP beschäftigt die Wärmepumpen-Branche in Deutschland rund 70.000 Menschen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 3,5 Milliarden Euro. Derzeit seien in Deutschland 1,7 Millionen Wärmepumpen installiert. 

Bundesregierung will Entwurf für neues Heizungsgesetz vorlegen

Das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) wollte sich auf Anfrage von FOCUS online Earth nicht zu dem Gutachten äußern. Man bitte um Verständnis, dass man prinzipiell keine eine Stellungnahme zu fremden Gutachten abgebe, teilte eine Sprecherin mit. Die Bundesregierung wolle „so bald wie möglich“ einen Gesetzentwurf für das neue GEG vorlegen, so die Sprecherin weiter. 

Montage einer Wärmepumpe
In der deutschen Wärmepumpen-Branche erwirtschaften 70.000 Menschen einen Jahresumsatz von 3,5 Milliarden Euro. Getty Images

Wärmepumpe erlebt in Deutschland einen Boom

Deutschland gehört zusammen mit Italien, den Niederlanden und dem Vereinigte Königreich zu den Schlusslichtern beim Wärmepumpenausbau. Zwischen fünf und 30 Prozent liegt der Wärmepumpen-Anteil in diesen Ländern. Zum Vergleich: In Norwegen nutzen über 60 Prozent der Haushalte eine Wärmepumpe, in Schweden sind es über 40 Prozent. 

Mittlerweile erlebt die Wärmepumpe auch in Deutschland wieder einen kleinen „Boom“, wie Recherchen von FOCUS online Earth bei Heizungsbauern und Verteilnetzbetreibern ergaben. Allein im August dieses Jahres lag der Anteil der installierten Wärmepumpen nach Angaben des Bundesverbandes Wärmepumpe mit über 24.000 nahezu doppelt so hoch wie noch im August 2024.