Enteignung für Touristen-Zuckerl? Alpensee-Anwohner außer sich: „Wie im Affenkäfig“

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Ein Blick auf den malerischen Zürichsee. (Archivbild) © IMAGO/Anneleven / YAY Images

Dürfen See-Anwohner enteignet werden, um einen durchgehenden Uferweg zu erbauen? Dieser Streit sorgt in den Schweizer Alpen aktuell wieder für Furore.

Zürich – Eine „Neiddebatte“ sehen Anwohner und fürchten, bald in einem „Affenkäfig“ wohnen zu müssen. Eine Initiative für einen durchgehenden Uferweg entlang des Zürichsees sorgt für großen Wirbel in der Schweiz. Besonderer Aufreger: Mögliche Enteignungen der Seegrundbesitzer.

„Es ist das Recht aller, die Idylle direkt am See zu genießen“, meint Julia Gerber Rüegg gegenüber dem srf. Sie war für die Sozialdemokratische Partei im Züricher Kantonsrat und ist nun Präsidentin des Komitees für die Uferinitiative. Die Initiative fordert einen durchgehenden Weg am Ufer des Zürichsees. Doch wie genau das vonstattengehen soll, legt man nicht fest. Die Vorteile aus Sicht der Initiative: Alle Bürger können den eigentlich der Öffentlichkeit gehörenden See nutzen. Zudem argumentiert man etwa, dass Pflanzen- und Tierwelt geschützt werden würden, die durch die Bebauung gestört worden seien.

Eklat am Alpensee: Uferweg-Plan sorgt für Wirbel

Aktuell führt laut srf bereits auf knapp 26 Kilometern ein Uferweg direkt am See entlang. Das entspricht etwa der Hälfte der gesamten Uferfläche. Auf weiteren knapp zwölf Kilometern verläuft der Weg auf dem Gehweg der Seestraße. Unterbrochen wird der Weg direkt am Ufer auf knapp 12,6 Kilometern. Hier stehen Häuser direkt am See. Und genau diese Seegrundstücke sind der Initiative ein Dorn im Auge. Sie sollen notfalls auch enteignet werden.

Ein Blick auf die Uferpromenade in Zürich am Bellevue. (Archivbild)
Ein Blick auf die Uferpromenade in Zürich am Bellevue. (Archivbild) © IMAGO/imageBROKER/Gerd Michael Müller

Laut den Befürwortern handelt es sich um Konzessionsland, also Land, das vom Kanton abgegeben worden sei, oft unter der Bedingung, dass es für die Nutzung von Straßen und Wegen wieder zurückgegeben werden müsse. Deshalb hätten Landbesitzer noch nicht einmal Anspruch auf Entschädigungen, so die Befürworter laut srf. Sie rechnen damit, dass der durchgehende Seeuferweg knapp 100 Millionen Franken kosten würde.

Enteignungen am Alpensee für Uferweg? Halbe Milliarde für Entschädigungen möglich

Der Züricher Regierungsrat rechnet dagegen mit Kosten von 500 Millionen Franken. Der Unterschied ergibt sich primär wegen einberechneter Entschädigungszahlungen für die aktuellen Landbesitzer. Laut 20min.ch wurde eine Summe von bis zu 460 Millionen Franken Entschädigung genannt.

Die Initiatoren des Vorhabens würden die Folgen bagatellisieren, meint ein Anwohner gegenüber 20min.ch. Für die Grundbesitzer gäbe es große Auswirkungen, wenn Fußgänger an einem Weg am Seeufer entlang laufen würden: „Man ist ausgestellt und kann sich nicht mehr im Garten aufhalten. In der Wohnung ist man wie im Affenkäfig. Das wäre ungemütlich“. Ein Sichtschutz vor den Blicken der Fußgänger würde den Anwohnern selbst den Blick auf den See nehmen. Das sieht der Mann nicht als Option. „Es ist absolut unzumutbar, so einen Weg hier durchzuführen“, meint der Anwohner. Dabei sei er nicht generell gegen einen Seeweg. Die Menschen sollen sich auch seiner Meinung nach am See aufhalten. Einen komplett durchgehenden Uferweg sieht er aber als „kostspielige Zwängerei“. Daneben würden auch die Grundstückswerte wegen des Uferwegs abnehmen.

Alpensee-Enteignung? Anwohner sehen „kostspielige Zwängerei“

Generell meint er, man würde es sich zu einfach machen, wenn man annimmt: „Diesen paar Reichen mit ihren prunkvollen Villen müssen wir eins auswischen“. So komme ihm die Debatte teils vor. Dabei gehe diese Vorstellung an der Realität vorbei. Er selbst zählt sich etwa nicht zu „den Reichen“, sondern sieht sich als ganz normalen Bürger. Besonders hart ist die Option für den Uferweg enteignet zu werden: Man sei rechtmäßiger Eigentümer des Grundes, so eine Anwohnerin. „Das ist schon ein riesiger Eingriff“. Das Vorhaben sei „absolut unverhältnismäßig“, so ihr Mann.

„Ich bin froh, dass alle gerne an den See gehen. Ich geh auch gerne an den See. Aber es muss ja nicht 100 Prozent direkt am See sein“, meint ein anderer Anwohner gegenüber dem Portal. „Ich sehe ja, was für eine Sauerei das gibt. Die Natur leidet“, meint er weiter und kontert damit auch das Argument der Initiatoren, man schütze die Natur- und Pflanzenwelt mit dem Uferweg. Horden von Touristen, würden der Flora und Fauna nicht helfen, argumentieren viele Gegner der Initiative. Sie führen zudem an: Für einen Seeuferweg müsse zuerst alles zerstört werden, bevor es wieder aufgebaut werden könne. Insofern würde der Weg erst einmal zu mehr Bebauung führen.

Die Anwohner verweisen zudem darauf, dass ein Großteil des Sees schon jetzt für alle zugänglich sei. Es gebe Badeplätze und sogar einen Zeltplatz direkt am See. Sie sehen eine „Neidkultur“. Demgegenüber meint ein Anwohner, der den Uferweg befürwortet, gegenüber 20min.ch, dass sich das Interesse am See in der Öffentlichkeit geändert habe, seit die Grundstücke an Privatpersonen verkauft worden seien. Es gebe nun ein „öffentliches Bedürfnis“ den See überall und für alle zugänglich zu machen.

Die Initiatoren kämpfen weiter für den Uferweg. Der Regierungsrat und die Mehrheit des Kantonsreferats dagegen lehnen die Uferinitiative wegen der hohen Kosten für die Gründe und wegen des Eingriffs in die Eigentumsgarantie laut srf aktuell ab.

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