„Neuer Übertragungsweg“ - Hautpilz nach Barbershop-Besuch breitet sich weiter aus - Forscher warnten schon 2020 davor
Auf der Haut bilden sich rote Flecken, die stark jucken, schuppen und sich immer weiter vermehren – Infektionen mit dem hochansteckenden Fadenpilz Trichophyton tonsurans sind sehr unangenehm. In Deutschland machen mittlerweile immer mehr Menschen diese Erfahrung, die Infektionszahlen steigen nach Angaben von mehreren Dermatologen seit einigen Monaten stetig an.
Grund dafür sind laut Experten unter anderem unhygienische Barbershops. Demnach erklären viele der Pilz-Patienten, kurz zuvor in einem solchen Laden gewesen zu sein, sei es für eine Rasur oder einen Haarschnitt. Dort hatten sie sich mutmaßlich durch den Kontakt mit verunreinigten und nicht ausreichend desinfizierten Friseurwerkzeugen mit dem Pilz infiziert.
Wissenschaftler von Hautklinik in Duisburg untersuchten 2020 Patienten mit Pilzinfektionen
In der Wissenschaft ist diese Erkenntnis derweil nicht neu. Bereits Ende 2020 untersuchte ein Team aus Forschern der Hautklinik der Helios St. Johannes Klinik in Duisburg, wie sich der Fadenpilz durch Bartrasuren und das Frisieren in Barbershops in Deutschland ausbreitet. Die Analyse, die im Fachmagazin „ Mycoses “ veröffentlicht wurde, war damals die erste zu diesem Thema.
Schon vor rund vier Jahren hatten die Wissenschaftler einen Anstieg der Infektionsfälle mit Trichophyton tonsurans beobachtet, aber noch keine ausreichende Erklärung dafür gefunden. In dem Zuge untersuchten die Forscher einen möglichen neuen Infektionsweg, über den der Fadenpilz nach Deutschland gekommen war – nämlich über kontaminierte Haarschneide-Werkzeuge.
Alle Betroffenen waren zuvor für einen Haarschnitt im Barbershop
Für ihre Studie begleiteten die Wissenschaftler 18 Jungen und junge Männer im Alter von vier bis 24 Jahren zwischen April 2018 und April 2020. Alle hatten sich in diesem Zeitraum mit einer Pilzerkrankung der Kopfhaut oder des Gesichts in dermatologische Behandlung begeben. Jeder der Jungen und Männer war zuvor für einen Haarschnitt in einem Barbershop gewesen und hatte wenige Tage bis zu zwei Wochen danach rote Flecken oder Ausschlag bekommen. Die betroffenen Stellen befanden sich in den rasierten beziehungsweise gekämmten Regionen der Kopfhaut, des Nackens und des Bartes.
16 Patienten waren in der Hautklinik in Duisburg in Behandlung, zwei weitere in einer Berliner Hautarztpraxis.
Um die Ursache für die Beschwerden zu ergründen, nahmen die Forscher Haar- und Hautschuppenproben aus den betroffenen Hautbereichen. Dann legten sie eine Kultur an und untersuchten sie mit einem Mikroskop. Dabei stellten sie fest, dass alle Patienten den Hautpilz Trichophyton tonsurans hatten.
Behandlung von Pilzpatienten dauerte mindestens 28 Tage
Nach der Diagnose wurden 15 Patienten – drei brachen die Untersuchung ab – mit Tabletten behandelt. Je nach Körpergewicht erhielten sie zwischen 125 und 250 Milligramm Terbinafin am Tag. Außerdem benutzten sie Cremes und Shampoos gegen die Pilzinfektion. Da vier von ihnen vor der Behandlung sehr starke Entzündungen an den vom Hautpilz betroffenen Stellen zeigten, bekamen sie zusätzlich Antibiotika.
Bei allen Patienten dauerte es mindestens 28 Tage, bis sich die Symptome deutlich verbesserten. Zwei von ihnen infizierten sich nach der Therapie erneut mit dem Fadenpilz, vermutlich durch physischen Kontakt zu ihren Familien. Ein weiterer Patient hingegen wurde fast vier Monate lang behandelt, bis der Pilz auf der Kopfhaut endgültig verschwand. Letztlich blieben bei ihm kahle Stellen auf dem Kopf zurück.
„Barbershops sollten dringend als neuer Übertragungsweg betrachtet werden“
Auf Grundlage ihrer Ergebnisse schlussfolgern die Forscher, dass es deutliche Zusammenhänge zwischen den Pilzinfektionen der Betroffenen und intensiven Rasuren in Barbershops gibt. Dafür sprechen die Ausschläge und roten Flecken in den rasierten Bereichen der Kopfhaut, des Nackens und des Bartes. Diese waren bei der Rasur durch minimale Verletzungen in der Kopf- oder Gesichtshaut, die Einfallstor für den Pilz sein können, entstanden. Der Rest des Körpers war nicht von der Pilzinfektion betroffen.
„Nach unserem Kenntnisstand ist die Infektion mit Trichophyton tonsurans als Ursache für eine Pilzerkrankung des Kopfes in Deutschland das erste Mal nach einer Rasur in einem Barbershop aufgetreten und sollte dringend als neuer Übertragungsweg betrachtet werden“, schrieben die Forscher in ihrem Fazit.
Bislang gibt es zwar noch keine validen Daten über das Auftreten von Trichophyton tonsurans in deutschen Friseursalons und Barbershops. Allerdings empfehlen die Wissenschaftler, diese zu sammeln – insbesondere dann, wenn sich die Infektionsfälle häufen. „Das Wissen über den Erreger und seine Übertragungswege sind essenziell, um die Infektionskette zu brechen“, schreiben sie.
Geringe Probandengröße, auch andere Ansteckungsorte möglich
Gleichzeitig wiesen sie jedoch darauf hin, dass sie für ihre Studie nur wenige Patienten untersucht hatten. Das impliziert, dass die Studie eine geringere Aussagekraft haben könnte.
Zudem betonten die Wissenschaftler, dass es neben den Barbershops auch andere Übertragungsorte für Trichophyton tonsurans gibt, zum Beispiel Kindergärten und Schulen. Auch in der Familie, in Beziehungen oder beim Sport sind wegen des engen physischen Kontakts Infektionen möglich.
Ein Barbier verbesserte Hygienestandards in seinem Salon während der Studie
Während des Untersuchungszeitraums bemerkten die Wissenschaftler zufällig auch eine Verbesserung der Hygienestandards in einem Barbershop. So hatten drei der 18 Patienten einen Barbier gemeldet, in dessen Laden sie sich infiziert hatten. Die Forscher nahmen daraufhin Proben von zwei Kämmen und drei Haarklammern aus dem Laden und legten eine Kultur an. Allerdings wuchs kein Pilz. Der Barbier meinte daraufhin, dass er über den Anstieg der Pilzerkrankungen der Kopfhaut Bescheid wisse und seine Friseurwerkzeuge jeden Tag ausgiebig desinfiziere. Zudem achte er bei seinen Kunden, insbesondere bei Kindern, auf Ausschläge und Flecken auf der Kopfhaut.
Die Forscher vermuten deswegen, dass die Zunahme der Infektionszahlen schon zu den Barbieren vorgedrungen ist und auch Hygienemaßnahmen angestoßen hat. Sie empfehlen den Barbiers, Kunden im Verdachtsfall gleich zum Hautarzt zu schicken, um die Infektionskette zu durchbrechen.