Regierungskrise in Deutschland - Steinmeier lädt Merz zu Krisengespräch ins Schloss Bellevue ein
Ampel in der Haushaltskrise: Wirtschaft fordert Koalition zu baldiger Einigung auf
Dienstag, 12. Dezember 2023, 07.46 Uhr: Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben die Koalition aufgefordert, den Haushaltsstreit rasch zu lösen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte der Deutschen Presse-Agentur, Einsparungen von 17 Milliarden Euro bei einem Bundeshaushalt von rund 470 Milliarden Euro müssten lösbar sein. „Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Wir haben auch keine Haushaltskrise, sondern eine Entscheidungskrise mit mangelnder Kompromissbereitschaft. Das schürt Unsicherheit und steigert nur die Unzufriedenheit mit der Demokratie.“
Auch Industriepräsident Siegfried Russwurm forderte die Koalition zu einer schnellen und tragfähigen Lösung für den Haushalt 2024 auf. Die Verunsicherung in der Industrie sei bereits groß. „Es wird weniger investiert in Deutschland. Viele Unternehmen sind mit ihrer Geduld am Ende.“ Ähnlich äußerte sich der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) suchen seit Tagen in Dreiergesprächen nach einer Lösung der Haushaltskrise. Die drei Ampel-Spitzen ringen darum, ein 17 Milliarden Euro großes Loch im Etat 2024 zu stopfen sowie in den nächsten Jahren Investitionen für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft zu ermöglichen.
Umstritten ist zum Beispiel, ob die Koalition im kommenden Jahr erneut die Schuldenbremse aussetzen soll und sich so Milliarden-Kredite genehmigen könnte.
Dulger sprach sich dagegen aus: Nicht die Schuldenbremse sei das Problem, sondern die hohen Ausgaben und die Reformmüdigkeit. Es komme auf eine kluge Priorisierung von Ausgaben an. „Der für das kommende Jahr vorgelegte Bundeshaushalt sieht aber mehr als fünfmal so hohe Ausgaben für Soziales, Personal und Zinsen vor wie für Investitionen. Das ist zu viel für Konsum und zu wenig für die Zukunft. Diese Schieflage im Haushalt muss beendet werden.“
DIHK-Präsident Adrian sagte, die Bundesregierung sei in einer wirklich schwierigen Situation. „Aus Sicht der Wirtschaft muss ich sagen: Wir haben aufgrund der wirtschaftlichen Lage mit den hohen Energiepreisen und unklaren Rahmenbedingungen ohnehin bereits eine sehr große Verunsicherung bei den Unternehmen quer durch nahezu alle Branchen verspürt.“ Das habe jetzt aber nochmal weiter zugenommen, weil der fiskalische Rahmen ungewiss sei. „Keiner weiß aktuell, wo der Zug künftig hinfährt. Das lässt sich sowohl am Innovationsklima, als auch am Investitionsklima in Deutschland ablesen“, sagte er. "Beides ist leider dramatisch schlecht. Wir haben derzeit leider keine gute Grundlage, die es vielen Unternehmen erlaubt, langfristige Entscheidungen zu treffen. Dafür fehlen verlässliche Rahmenbedingungen."
Bundespräsident Steinmeier lädt CDU-Chef Merz zum Gespräch ein
20.45 Uhr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat CDU-Chef Friedrich Merz am Donnerstagabend ins Schloss Bellevue eingeladen. Das berichtet die „Bild“. Wie das Blatt schreibt, soll es sich um ein Treffen in Bezug auf die Haushaltskrise der Ampel-Regierung handeln. Weitere Details sind bislang nicht bekannt. Bereits am vergangenen Freitag traf sich Steinmeier mit Vizekanzler Robert Habeck.
CDU-Generalsekretär lehnt Aufweichen der Schuldenbremse strikt ab
14.39 Uhr: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat ein Aufweichen der Schuldenbremse im Grundgesetz wegen der Probleme beim Bundeshaushalt 2024 strikt abgelehnt. „Die CDU Deutschlands steht klipp und klar zur Schuldenbremse“, sagte er am Montag in Berlin nach Sitzungen der Spitzengremien seiner Partei. Linnemann plädierte stattdessen für Einsparungen. „Wir sind gewählt dafür, auch Prioritäten zu setzen. Und darauf wird es jetzt ankommen.“
„Wir haben in den letzten Jahren viele Herausforderungen und Probleme mit Geld zugeschüttet.“ Dies sei auch während der Corona-Pandemie so gewesen. Nun habe das Bundesverfassungsgericht ein Stoppschild aufgestellt. Dies solle man auch ernst nehmen. Linnemann rechnete vor, dass der Bund im kommenden Jahr schon 40 Milliarden Euro für Zinsen ausgeben müsse, das sei mehr als der Landeshaushalt Hessens, der rund 35 Milliarden Euro umfasse. Im vergangenen Jahr hätten die Zinskosten des Bundes noch 4 Milliarden Euro betragen, im laufenden seien es schon 19 Milliarden.
Gespräche zum Haushalt 2024 vertagt - Runde im Kanzleramt am Montag
Montag, 11. Dezember, 01.51 Uhr: Verabschiedung des Etats erst Ende Januar? Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Torsten Herbst, sagte „Bild", die Ampel-Koalition solle sich ausreichend Zeit für einen verfassungsgemäßen Etat nehmen. Er stellte eine Verabschiedung im Bundestag Ende Januar 2024 in Aussicht. “Wir haben aber auch keinen Druck, ein vorläufiger Haushalt ist kein Problem. Ich bin optimistisch, dass der Bundestag bis Ende Januar einem verfassungsgemäßen Haushalt zustimmen wird“, sagte Herbst.
SPD-Politiker mit Ampel-Ultimatum: „Sonst ist es das Ende dieser Regierung“
22.08 Uhr: Eigentlich sollte der neue Haushalt längst im Bundestag sein. Doch in den Verhandlungen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) konnten bisher keine Lösung bringen.
Die „Bild“-Zeitung zitiert derweil einen „hochrangigen“ SPD-Politiker: „Diese politische Lösung für den Haushalt brauchen wir bis Weihnachten – sonst ist es das Ende der Regierung“, droht der namentlich nicht genannte Politiker.
Ob das klappt, ist unklar. Auch, ob die SPD wirklich die Ampel platzen lassen würde, darf zumindest angezweifelt werden. Bei aktuellen Umfragen (die SPD ist weit abgeschlagen hinter Union und AfD) dürfte die Partei keinen Wunsch nach Neuwahlen haben - ebenso wie die Ampel-Partner FDP und Grüne.
Krisen-Treffen der Ampel-Spitzen im Bundeskanzleramt
Sonntag, 10. Dezember, 20.14 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sind am Sonntagabend zu weiteren Beratungen im Bundeskanzleramt zusammengekommen. Die Ampel-Regierung ringt seit Tagen darum, wie ein 17 Milliarden Euro großes Loch im Etat für 2024 gestopft werden kann. Es entstand unter anderem durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts.
Haushaltskrise: Ökonom Fratzscher warnt vor Eskalation der Lage
08.50 Uhr: Die Haushaltskrise muss aus Sicht von Ökonom Marcel Fratzscher schnellstmöglich beendet und ein Bundeshaushalt 2024 verabschiedet werden. „Sonst eskaliert die Lage und könnte die deutsche Wirtschaft erneut in die Rezession treiben“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung der Deutschen Presse-Agentur.
„Das größte Problem heute, politisch wie wirtschaftlich, sind nicht Kürzungen von Ausgaben oder Subventionen, sondern ein so massiver Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit der Politik, dass Unternehmen ihre Investitionen absagen oder ins Ausland verlagern“, so Fratzscher. „Stabilität und das Einlösen von Versprechen muss jetzt für die Bundesregierung oberste Priorität haben.“
Fratzscher sprach sich für ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse aus, wie dies auch viele in der SPD und bei den Grünen wollen - die FDP ist allerdings bisher sehr skeptisch. „Die Erklärung einer Notlage für 2024 und das Einhalten aller Versprechen ist bei weitem der beste Weg, um noch größeren wirtschaftlichen Schaden abzuwenden“, sagte der Ökonom. Mittelfristig gebe es viele Einsparmöglichkeiten, primär bei Subventionen für fossile Energieträger von knapp 60 Milliarden Euro im Jahr, wie beispielsweise dem Privileg bei Diesel und Flugbenzin. „Zudem sollten auch Steuerprivilegien bei Erbschaften, Immobilien und der Mehrwertsteuer abgebaut werden.“
Trumpf-Chefin: „Die Ampelparteien erinnern an drei Ertrinkende in der Mitte des Ozeans“
Freitag, 08. Dezember, 08.24 Uhr: Nicola Leibinger-Kammüller, Geschäftsführerin des Maschinenbauunternehmens Trumpf, hat im Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Haushaltspolitik der Regierung hart kritisiert. „Die Ampelparteien erinnern an drei Ertrinkende in der Mitte des Ozeans, die sich aneinanderklammern“, sagte sie über Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner. Mit Blick auf das 60-Milliarden-Euro-Loch im Bundeshaushalt sagte sie, die Regierung habe vor dem Verfassungsgerichtsurteil „fahrlässig“ Warnungen „in den Wind geschlagen“. Angesichts von Haushaltskrise und drohender Rezession seien die Menschen in Deutschland „extrem verunsichert“. Es brauche jemanden, der über Parteigrenzen hinweg alle versammle und daran arbeite, das Land wieder flott zu kriegen. Jemand müsse in dieser Situation sagen: „I have a dream.“
Die deutsche Schuldenbremse verteidigte sie: „Offensichtlich muss man einen Staat, der trotz steigender Einnahmen nimmermüde nach neuen Einnahmequellen sucht und das Geld mit vollen Händen ausgibt, begrenzen.“ Wenn genügend gespart und priorisiert wird, kann sie sich aber damit anfreunden, „dass wir keine knallharte, sondern eine restriktive Schuldenbremse umsetzen“, sagte sie der SZ.
Dem Wirtschaftsministerium warf sie vor, Exportanträge ihres Unternehmens nach China verzögert zu haben. Trumpf seien deshalb Millionenaufträge entgangen. „Nach unserem Eindruck hat das Ministerium hier keine segensreiche Rolle gespielt und Anträge bewusst über Monate liegengelassen“, sagte sie. „Dies war und ist zum Schaden der deutschen Exportindustrie und ihrer Belegschaften.“
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