Karambolage im Krisenherd: China und Philippinen rasseln vor Spratly-Inseln aneinander

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

„Business as usual“: Anfang März attackierten Schiffe der chinesischen Küstenwache ein Boot der Philippinen im Südchinesischen Meer. Auseinandersetzungen sind Alltag, Experten warten auf deren Eskalation © Jam Sta Rosa/AFP

Patrouillenboot gegen Patrouillenboot, gegenseitig Warnungen über Funk und riskante Manöver: Der Streit im Südchinesischen Meer simmert endlos weiter.

Manila – „Das Hauptproblem bleibt die illegale Präsenz und die illegalen Aktionen chinesischer Schiffe in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen“, sagt Xerxes Trinidad dem britischen Independent. Der Oberst und Sprecher des philippinischen Militärs erklärte dadurch seines Landes‘ „Souveränität und souveränen Rechte verletzt“. Wie die Nachrichtenagentur Reuters mitteilt, habe die Küstenwache Chinas am Montag berichtet, ein philippinisches Versorgungsschiff sei „absichtlich und gefährlich“ auf ein chinesisches Schiff zugefahren, was zu einer leichten Kollision geführt habe. Zuvor sei es illegal in die Gewässer nahe des Riffs „Zweites-Thomas-Atoll“ (Second Thomas Shoal) eingedrungen. Der Indopazifik bleibt konfliktbeladen.

Die Regierung in Peking zählte diese Kollision zu einem Vorfall im Rahmen des lange währenden Streits zwischen China und den Philippinen um Hoheitsrechte im Südchinesischen Meer. Laut Reuters gingen die Philippinen nur indirekt auf den Vorwurf ein. „Wir werden die täuschenden und irreführenden Behauptungen der chinesischen Küstenwache nicht würdigen“, sagte der Militärsprecher Trinidad. Peking hatte laut dem Independent behauptet, dass ein philippinisches Versorgungsschiff in die Gewässer eingedrungen sei und „Chinas wiederholte eindringliche Warnungen ignoriert und sich bei normaler Fahrt auf gefährliche und unprofessionelle Weise einem chinesischen Schiff genähert habe, was zu einer Kollision geführt habe“, wie das Blatt schreibt..

„Aggressive, gefährliche Manöver“: Alle paar Wochen das gleiche Spektakel

Alle paar Wochen wiederhole sich das Ritual, erläutert Christian Wirth. „Wenn philippinische Behörden, die weniger als ein Dutzend Soldaten versorgen wollen, die auf der BRP Sierra Madre aus­harren, sind Chinas Küsten­wache und Fischereimilizen zur Stelle. Die­sen gelingt es immer wieder, die Schichtwechsel der Soldaten und den Nachschub mit Wasser, Treibstoff und Lebensmitteln zu unterbinden“, schreibt der Politikwissenschaftler für die Stiftung Wissenschaft und Politik. MaryKay Carlson warf China dagegen vor, „aggressive, gefährliche Manöver“ ausgeführt zu haben. Dies habe zu Verletzungen geführt, philippinische Schiffe beschädigt und rechtmäßige Einsätze zur Versorgung von philippinischem Personal mit Lebensmitteln und Wasser behindert, schrieb die US-Botschafterin auf den Philippinen auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter), wie Reuters berichtet.

Durch die Klärung im Schieds­gerichtsprozess „Philippinen gegen VR China“ von 2016 stehe fest, dass das Second Thomas Shoal – in den Philippinen als Ayungin Shoal und in China als Ren’ai Jiao bekannt – Teil der philippinischen Ausschließlichen Wirtschaftszone ist. Trotz­dem besteht Beijing darauf, auch dieses Riff und die umliegenden Gewässer mit­samt Fischgründen zu kontrollieren.“

Wie auch gegenüber Taiwan betrachten sich die USA ebenso als Verbündeter der Philippinen. 1999 hatten die Philippinen das Panzerlandungsschiff Sierra Madre auf dem Atoll absichtlich auf Grund gesetzt, um einen militärischen Außenposten zu errichten, nahe der Spratley-Inseln –„winzige Inseln, kaum mehr als Sandbänke“, wie die Welt urteilt. Aber die haben es in, beziehungsweise unter sich: reiche Energievorräte und Reichtum an Fischen. Zwischen China und den Philippinen ist es wegen der Streitigkeiten in der Vergangenheit zu einer Reihe von Zwischenfällen gekommen. Die Regierung in Peking beansprucht fast das gesamte Südchinesische Meer für sich. Davon sind Bereiche betroffen, die auch von den Philippinen, Brunei, Malaysia, Taiwan und Vietnam als eigenes Hoheitsgebiet reklamiert werden.

Schiedsgerichtsurteil der UN: für China „null und nicht“

Der Ständige Schiedshof der Vereinten Nationen stellte 2016 fest, dass Chinas Ansprüche keine rechtliche Grundlage haben, berichtet Reuters. Die Spratly-Inseln sind eine Gruppe von mehr als 100 einzelnen Riffen, Atollen und Inseln, weit verstreut im Südchinesischen Meer, auf die sechs Staaten Hoheitsrechte geltend machen; neben China und den Philippinen, die die Spratly-Inseln entweder teilweise oder gänzlich als ihr Territorium betrachten, auch Taiwan, Brunei, Vietnam und Malaysia.

Durch die Klärung im Schieds­gerichtsprozess „Philippinen gegen VR China“ von 2016 stehe fest, dass das Second Thomas Shoal – in den Philippinen als Ayungin Shoal und in China als Ren’ai Jiao bekannt – Teil der philippinischen Ausschließlichen Wirtschaftszone sei, erläutert Christian Biel. Trotz­dem bestehe Beijing darauf, auch dieses Riff und die umliegenden Gewässer mit­samt Fischgründen zu kontrollieren. China hatte das Urteil in einer ersten Reaktion als „null und nicht“ bezeichnet, wie die Welt berichtet hat anhand einer Mitteilung des chinesischen Außenministeriums. Demnach hatte China klargemacht, die Entscheidung weder „akzeptieren noch anerkennen“ zu wollen, schrieb das Außenministerium weiter. Pekings territoriale Souveränität und maritime Rechte im Südchinesischen Meer dürften unter keinen Umständen in Frage gestellt werden, ließ Peking wissen.

Dem Schlichtern in Den Haag wiederum fehlen bis heute die Befugnis und die Mittel, ihre Entscheidung durchzusetzen. Die Schiffe der konfligierenden Nationen begegnen sich immer wieder auf Patrouillen und warnen sich jeweils gegenseitig, die jeweiligen Autoritätsrechte zu wahren. Der Independent berichtet davon, dass diese Begegnungen für die philippinischen Matrosen so belastend seien, dass sie mitunter psychologische Unterstützung nach ihren Einsätzen bräuchten.

Diese Unterstützung kommt seit Mitte April auch aus den USA, die im Indopazifik ihre Weltmachtstellung gegenüber China ausbauen beziehungsweise behaupten wollen. „Jeder Angriff auf philippinische Flugzeuge, Schiffe oder Streitkräfte im Südchinesischen Meer“ würde eine Vereinbarung zur gegenseitigen Verteidigung aktivieren, sagte Joe Biden, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet hat. Im Rahmen eines Dreiergipfels in Washington hatte der US-Präsident den Philippinen und Japan die Unterstützung der Vereinigten Staaten für den Fall eines Angriffes zugesagt.

Während einige Beobachter die Lunte einer Eskalation lodern sehen, kalkulieren andere Beobachter mit dem diplomatisch-militärischen Geschick Chinas – der Countdown zur nächsten maritimen Konfrontation laufe ohnehin, schreibt die Neue Zürcher Zeitung: „Über die Jahre hat es die Volksrepublik perfektioniert, den Druck auf die Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres, insbesondere die Philippinen, stetig aufrechtzuerhalten, ohne dass die Schwelle zum bewaffneten Konflikt überschritten wird“, schreibt sie. Allerdings verweist der Independent auf ein in China aktuell verschärftes Gesetz mit dem Ursprung in 2021, „das die chinesische Küstenwache ermächtigt, ausländische Schiffe zu beschlagnahmen, ,die illegal in chinesische Hoheitsgewässer eindringen‘, und ausländische Besatzungen bis zu 60 Tage lang festzuhalten“, wie das Blatt schreibt..

Völkerrecht: für China bindet im Falle der eigenen Interessen

Jan Senkyr und David Merkle verweisen auf historische Wurzeln, die der Situation mit Taiwan ähneln. Chinas damaliger Staatschef Jiang Zemin hatte demnach im Jahr 2000 das Ziel ausgegeben, China zu einer maritimen Großmacht zu entwickeln. Zuerst soll China dieses Ziel mit einer Flotte von Polizeischiffen durchzusetzen versucht haben, später dann mit der Förderung von Offshore-Gasfeldern, wie die Politiktwissenschaftler der Konrad-Adenauer-Stiftung schreiben. China soll dann intensiv das Südchinesische Meer nach Energiereserven durchforstet und im Rahmen des Völkerrechts anderen deren Bemühungen erschwert haben. „Wie andere Staaten auch, versucht China das internationale Völkerrecht und damit ebenso die geltenden Seerechtsübereinkommen so auszulegen, dass es möglichst kohärent den eigenen Interessen nutzt“, berichten die Wissenschaftler.

Sie gehen aus von einer „Machtprojektion im Pazifik“, an der China interessiert ist; neben merkantilen Interessen und einer Art Vorwärtsverteidigung der eigenen Küsten. Sie gehen zudem davon aus, dass China die Philippinen in einem Zusammenhang betrachtet mit Taiwan: „Sollte China Taiwan angreifen, würde das gesamte Seegebiet im Südwestpazifik zum Kriegsschauplatz werden.“

Auch Christian Wirth rechnet mit einem unvermeidbar stärkeren Engagement der USA; seiner Meinung nach würden sie „nicht umhinkommen, die Philippinen bei der Befestigung des Außenpostens im Second Thomas Shoal zu unterstützen. In Beijing wird man diesen Schritt, abhängig von der jeweiligen innen­politischen Situation und dem Zustand der diplomatischen Beziehungen mit den USA, möglicherweise tolerieren.“ (KaHin)

Auch interessant

Kommentare