"Nach vier Jahren der Schwäche, des Extremismus und der tödlichen Misserfolge" will Donald Trump die USA als "das stärkste, reichste, mächtigste und erfolgreichste Land der Welt" bewahren. So haben es der Präsident und seine Regierung in einer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie formuliert.
Das Dokument strotzt vor trumpesken Superlativen und altbekannten Erzählungen. Dennoch birgt es enormen Sprengstoff – auch für Europa. In dem 29-seitigen Papier wird so deutlich wie nie schriftlich festgehalten, dass die offizielle Linie der Vereinigten Staaten ist, das transatlantische Verhältnis grundlegend umzubauen.
Die Sicherheitsstrategie ist strikt nach dem Prinzip "America First" konzipiert. "Der Zweck der Außenpolitik ist der Schutz der nationalen Kerninteressen", heißt es gleich zu Beginn. Nicht jede Region und nicht jedes Thema könne dazu beitragen. Europa taucht aber in einem eigenen Unterkapitel auf – das ist die gute Nachricht.
USA kümmern sich nur noch unter Bedingungen um andere Länder
Die schlechte ist, welche Prinzipien die US-Regierung verfolgen will. "Die Angelegenheiten anderer Länder gehen uns nur dann etwas an, wenn ihre Aktivitäten unsere Interessen direkt bedrohen", heißt es. Und an einer anderen Stelle: "Die Zeiten, in denen die Vereinigten Staaten die gesamte Weltordnung wie ein Atlas stützen, sind vorbei."
Die wirtschaftlichen und militärischen Bündnisse, die noch aufrechterhalten werden, sollen "fair" sein. Das bedeutet laut Papier, dass "Trittbrettfahrerei, Handelsungleichgewichte, räuberische Wirtschaftspraktiken und andere Ungerechtigkeiten nicht länger toleriert" werden. Die Verbündeten müssen anerkennen, "dass es in ihrem Interesse ist, dass die Vereinigten Staaten reich und leistungsfähig bleiben".
"Aussicht auf eine zivilisatorische Auslöschung" Europas
Was das für den Umgang mit Europa bedeutet, wird in einem Kapitel ausbuchstabiert, das den Titel "Förderung der europäischen Größe" trägt – angesichts der Inhalte mag das für hiesige Politiker wie Hohn wirken. Die Analyse der aktuellen Lage schmerzt zusätzlich, da sie einen wunden Punkt trifft: "Kontinentaleuropa hat seinen Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt verloren – von 25 Prozent im Jahr 1990 auf heute 14 Prozent."
Die Gründe dafür sieht die Trump-Regierung nicht etwa im Erstarken asiatischer und anderer nichtwestlicher Staaten. Stattdessen gebe es die "Aussicht auf eine zivilisatorische Auslöschung" des Kontinents wegen einer Reihe anderer Punkte:
- die Aktivitäten der Europäischen Union und anderer transnationaler Gremien, die die politische Freiheit und Souveränität untergraben
- die Migrationspolitik, die den Kontinent verändert und Unfrieden stiftet
- die Zensur der freien Meinungsäußerung und die Unterdrückung der politischen Opposition
- die sinkenden Geburtenraten
- der Verlust der nationalen Identitäten und des Selbstbewusstseins
Trump will weiter Handel mit Europa – aber nur zu seinem Vorteil
Die Schlussfolgerung in der Nationalen Sicherheitsstrategie: "Es ist keineswegs klar, ob bestimmte europäische Länder wirtschaftlich und militärisch stark genug sein werden, um verlässliche Verbündete zu bleiben." Dennoch bleibe Europa "strategisch und kulturell lebenswichtig". Das Papier lässt aber keinen Zweifel daran, warum das so ist: "Der transatlantische Handel bleibt eine der Säulen der Weltwirtschaft und des amerikanischen Wohlstands."
Wie dieser Handel aussehen soll, steht ebenfalls in dem Dokument: Die europäischen Märkte sollen für US-Waren und -Dienstleistungen geöffnet werden, US-Arbeiter und -Unternehmen sollen fair behandelt werden. Zudem sollen europäische Staaten zum Beispiel durch Waffenverkäufe aufgebaut werden.
Übersetzt heißt das, dass Europa zum fleißigen Einkäufer werden soll und damit die USA finanzieren. Dass das hiesigen Unternehmen schaden würde und eine ungesunde Abhängigkeit entstehen würde, wird in dem Trump-Papier nicht erwähnt.
Nationale Sicherheitsstrategie bedient Putin-Narrativ
Zahlen sollen die Europäer auch für Verteidigung. So feiern sich die USA für den "neuen globalen Standard", dass Nato-Länder fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben sollen. Aber mehr noch: Man werde "die Verbündeten auffordern, die Hauptverantwortung für ihre Regionen zu übernehmen", die Vereinigten Staaten würden dafür "ein Netzwerk zur Lastenteilung organisieren, bei dem unsere Regierung als Vermittler und Unterstützer fungiert". Die USA sehen sich entsprechend nicht mehr in der Verantwortung, sondern nur noch als Neutrum.
Als solches sieht man die Vermittlungsbemühungen rund um den Ukraine-Krieg gestört. "Die Trump-Administration befindet sich im Konflikt mit europäischen Beamten, die unrealistische Erwartungen an den Krieg hegen", heißt es. Eine Mehrheit in Europa wünsche sich Frieden, doch dieser Wunsch werde nicht in die Politik umgesetzt, weil manche Regierungen "die demokratischen Prozesse untergraben". Unklar bleibt, was genau damit gemeint ist.
Russlands Krieg gegen die Ukraine spielt in der Nationalen Sicherheitsstrategie eine verhältnismäßig kleine Rolle. An einer Stelle bestätigt das Dokument sogar ein Narrativ des russischen Präsidenten Wladimir Putin: Es müsse ein Ende haben, "dass die Nato ein sich ständig erweiterndes Bündnis ist". Putin argumentiert im Ukraine-Krieg, dass Russland sich gegen eine sich unrechtmäßig expandierende Nato wehren müsse.
"Patriotische Parteien" wie AfD sind jetzt offiziell Verbündete der USA
Um die strategischen Ziele in Europa zu erreichen, machen die USA in dem Dokument auch ihre Verbündeten aus, nämlich die "patriotischen europäischen Parteien". Ihr wachsender Einfluss sei Anlass zu Optimismus, dass wieder "echte Demokratie" und "freie Meinungsäußerung" durchgesetzt werden könne. Um das weiter zu fördern, sieht die Nationale Sicherheitsstrategie eine "Kultivierung des Widerstands gegen den derzeitigen Kurs Europas innerhalb der europäischen Nationen" vor.
Zwar wird nicht ausbuchstabiert, welche "patriotischen Parteien" die US-Regierung fördern will. Es liegt aber nahe, dass damit auch die AfD gemeint sein könnte. Außenminister Marco Rubio hatte die Einstufung der Partei durch den deutschen Verfassungsschutz als "getarnte Tyrannei" bezeichnet.
Zuletzt gab es zudem immer wieder Abgeordnete der teilweise rechtsextremen Partei, die zu politischen Gesprächen in die USA gereist sind. Der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier wird in der kommenden Woche vom New York Young Republican Club ausgezeichnet werden, auch Abgeordnete der US-Republikaner werden an der Veranstaltung teilnehmen.
Künftig könnte dieser Austausch ausgeweitet werden. Mit der Nationalen Sicherheitsstrategie ist die Annäherung zwischen Trump und AfD nicht länger nur auf persönlicher Sympathie begründet, sondern ureigenes strategisches Interesse der USA.