Schuld an jeder 5. Erkrankung - Dieser Risikofaktor für Darmkrebs wurde bisher „massiv unterschätzt“
Darmkrebs ist die zweithäufigste bösartige Krebserkrankung in Deutschland und auch die zweithäufigste Krebstodesursache. Einer von 15 Männern und eine von 19 Frauen erhalten die Diagnose im Laufe ihres Lebens . Auch immer mehr junge Menschen sind betroffen .
Die wichtigsten Risikofaktoren für Darmkrebs sind Tabakkonsum und Übergewicht. Letzteres spielt eine noch viel gewichtigere Rolle als bisher angenommen.
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Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben jetzt einen großen Datenpool neu analysiert. Sie kommen zu dem Schluss, dass Übergewicht für einen Anteil von mehr als 20 Prozent der Darmkrebserkrankungen verantwortlich ist. Das führen sie in einer aktuellen Mitteilung aus.
Bis zu diesem Zeitpunkt gingen Wissenschaftler aufgrund vorliegender Studien davon aus, dass Übergewicht an der Entstehung von rund zehn Prozent der Darmkrebserkrankungen beteiligt ist. Hermann Brenner, Epidemiologe am DKFZ, vermutete jedoch seit langem, dass diese Schätzung zu niedrig ist. „Wir haben deshalb die Daten unserer großen DACHS Studie, einer der weltweit größten Darmkrebs-Studien, noch einmal unter die Lupe genommen – mit Blick auf mögliche Verzerrungen, die in anderen Studien nicht ausreichend berücksichtigt wurden.“
Drei relevante Fragen bei Darmkrebs bisher vernachlässigt
Gemeint seien damit Verzerrungen von Studienergebnissen, die durch methodische Unschärfen entstehen können. Selbst bei guten Studien seien solche Unschärfen nicht hundertprozentig auszuschließen. Verzerrungen könnten einerseits dadurch zustande kommen, dass man den Parameter, dessen Einfluss in der Studie geprüft werden soll, nicht exakt genug definiert. Das betrifft in diesem Fall das Übergewicht.
Andererseits gäbe es oft Störeinflüsse, die mit den Studien-Parametern verknüpft sind. Beide Fehlerquellen sollten durch das Studiendesign sowie die statistische Aufbereitung der gewonnenen Daten weitestgehend minimiert werden.
Das jedoch sei in bisherigen epidemiologischen Studien oft nur unzureichend der Fall gewesen. Wie Marko Mandic, Erstautor der DKFZ-Studie, erläutert, habe man bislang bei Standardanalysen drei relevante Fragen nicht ausreichend berücksichtigt:
- Haben Studienteilnehmer als Folge der Krebserkrankung womöglich schon vor der Diagnose abgenommen? Gewichtsverlust vor der Diagnose kommt bei Darmkrebspatienten häufig vor. Frühere Studien zum BMI und dem Auftreten von Darmkrebs haben daher wahrscheinlich das Ausmaß des Zusammenhangs unterschätzt.
- Haben Studienteilnehmer mit erhöhtem Risiko schon einmal eine Darmspiegelung durchführen lassen? Entdeckt der Arzt bei dieser Untersuchung Krebsvorstufen, so werden diese in aller Regel entfernt, was die Wahrscheinlichkeit für Darmkrebs senkt.
- Steigt das Darmkrebs-Risiko vielleicht schon unterhalb eines Body Mass Index (BMI) von 25, dem „offiziellen” Schwellenwert für Übergewicht, an? Da als biologischer Mechanismus hinter der Entwicklung von Darmkrebs die kontinuierliche Freisetzung von Wachstumsfaktoren, Hormonen und entzündungsfördernden Substanzen durch das Fettgewebe vermutet wird, ist es möglich, dass bei Personen mit einem BMI unter dem Grenzwert das Darmkrebsrisiko bereits steigt.
Übergewicht als Risikofaktor stärker gewichten
Ausgehend davon führten die DKFZ-Forscher zwei verschiedene Analysen des DACHS-Datenpools durch. „Im ersten Durchlauf sind wir so vorgegangen, wie es in bisherigen epidemiologischen Studien üblich war”, berichtet Marko Mandic. „Im zweiten Durchlauf dagegen haben wir mögliche Verzerrungen durch die drei Aspekte – Gewichtsverlust vor Diagnose, Darmspieglung im Vorfeld und Risikoanstieg bereits bei einem BMI unter 25 – sorgfältig herausgerechnet.”
Bei der konventionellen Analyse im ersten Durchlauf kam heraus: 11,5 Prozent der Darmkrebserkrankungen gehen auf das Konto von Übergewicht, was landläufigen Schätzungen entspricht. Im zweiten Durchlauf – nach den sorgfältigen ergänzenden Korrekturen – stieg das Gewicht dieses Risikofaktors auf 23,4 Prozent .
Großes Potenzial für Darmkrebs-Prävention
„ Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Übergewicht einen zirka doppelt so großen Anteil an der Darmkrebsentstehung hat wie bislang angenommen ”, sagt Hermann Brenner. „Wir gehen davon aus, dass die Bedeutung des Übergewichts als Risikofaktor nicht nur mit Blick auf Darm krebs bislang massiv unterschätzt wurde.”
Übergewicht gilt auch als gesicherter Risikofaktor für andere Krebsarten wie zum Beispiel Brustkrebs . Angesichts der steigenden Zahlen von Übergewicht in der Bevölkerung unterstreicht Hermann Brenner, wie notwendig effektive Präventionsstrategien sind. „Wir sprechen hier von hohen vermeidbaren Risiken und sollten die großen und bislang deutlich unterschätzten Potenziale der Krebsprävention in Zukunft viel mehr nutzen.”
Wie Sie Darmkrebs vorbeugen können
Um Leben zu retten, spielt die Vorsorge schon lange eine entscheidende Rolle. „Die Darmkrebsvorsorge ist das Role Model der Vorsorge. Sie ist die erfolgreichste Vorsorgemaßnahme, die wir kennen“, erklärte Berndt Birkner , Präsident des Netzwerkes gegen Darmkrebs e.V. und Kurator der Felix Burda Stiftung . 350.000 Darmkrebserkrankungen und 150.000 Sterbefälle konnten in den letzten 20 Jahren dadurch vermieden werden. Das entspricht einem Inzidenz-Rückgang von 30 Prozent, die Sterberate verringerte sich sogar um 40 Prozent.
Neben Übergewicht können Patienten viele Risikofaktoren von Darmkrebs selbst beeinflussen. Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums rät :
- Aufstehen: Bewegen Sie sich regelmäßig – mindestens eine halbe Stunde täglich.
- Gesunde Ernährung : Nehmen Sie ausreichend Ballaststoffe zu sich, beispielsweise aus Getreideprodukten, Hülsenfrüchten und Gemüse. Essen Sie wenig rotes Fleisch und wenig verarbeitete Fleischprodukte wie etwa Wurst.
- Verzicht auf Zigaretten: Rauchen Sie nicht!
- Verzicht auf Alkohol: Trinken Sie Alkohol nur in Maßen.
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