„München ist für uns ein Symbol“

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Ein neuer Tiefpunkt: Szenen am Rande des Fußballspiels in Amsterdam © IMAGO

Es ist kein Spiel wie jedes andere - der Euroleague-Schlager des FC Bayern gegen Maccabi Tel Aviv bedeutet spätestens seit den Übergriffen gegen israelische Fußballfans in Amsterdam Ausnahmezustand. Generalkonsulin Talya Lador Fresher spricht darüber im Interview.

Frau Generalkonsulin, vor einigen Wochen wurden israelische Fußballfans durch Amsterdam gejagt, seither werden Auftritte von israelischen Sportlern aus Angst vor ähnlichen Übergriffen von gewaltigen Polizeiaufgeboten begleitet. Wie lebt man mit so viel Hass?

Was in Amsterdam passiert ist, war ein Schock. Für Israelis, für Juden, für fast alle Menschen. Das war eine Jagd, primitive Aggression. Wir sind Anfeindungen leider ein Stück weit gewöhnt, wie in den sozialen Medien. Aber da hat es eine Distanz. In Amsterdam war es offen. Aber was es noch schlimmer gemacht hat, ist, dass niemand kam. Bis die Polizei kam, hat es lange gedauert, zu lange nach unserer Meinung. Auch das war für uns ein Schock. Natürlich ist es auch hier in München schwer, mit Hass zu leben. Aber zum Glück haben wir auch viele Freunde,die an unserer Seite stehen.

Generalkonsulin Lador Fresher im Porträt mit Schleife für die Geiseln in Gaza
Seit 2023 oberste Vertreterin Israels in München: Talya Lador Fresher. © Privat

Haben Sie das Gefühl, in Amsterdam hat sich etwas entladen, was eigentlich schon immer da war? Dass Menschen nun die passende Gelegenheit bekamen?

Es ist eine Mischung. Es gibt Antisemitismus von rechts sowie latent von links. An Universitäten zum Beispiel: In Deutschland weniger, aber vor allem in Belgien oder Spanien gibt es dort eine Welle von linkem Antisemitismus. Manche Universitäten beenden oder pausieren ihre Kooperationen in Israel, für viele israelische Wissenschaftler ist es schwieriger geworden, an Universitäten zu arbeiten und zu forschen. Aktuell wissen israelische Wissenschaftler leider oft nicht: Wurde mein Projekt abgelehnt, weil ich Israeli bin oder weil es nicht gut genug war. Es ist nicht einfach, mit so etwas umzugehen. Wenn es zu oft vorkommt, dass israelische Wissenschaftler Absagen erhalten, dann ist es ein klares Zeichen. Denn wir haben in allen Bereichen Spitzenkräfte. Und dann sehen wir natürlich den Antisemitismus von muslimisch-islamistischen Fundamentalisten.

So wie in Amsterdam?

Ja, das sind primär Leute mit von Geburt an stark anti-israelischen Haltungen. Die hat man dort in schrecklicher Art und Weise auf der Straße gesehen. Aber diese Bewegung haben wir leider auch an anderen Orten bei Demonstrationen vereinzelt gesehen.

Ist es besonders schockierend, dass so etwas inmitten von Europa möglich ist?

Ja. Es ist schockierend in Europa, und auch in Deutschland. Am 5. September fand ein bewaffneter Angriff auf unser Generalkonsulat statt. Dieses Datum hat auch viel mit Sport zu tun: Es war der 52. Jahrestag des Olympia-Attentats in München, weshalb wir an diesem Tag glücklicherweise geschlossen hatten.

Ist München und ein Gastspiel israelischer Sportler wie nun Maccabi Tel Aviv beim FC Bayern vor diesem Hintergrund immer noch anders zu bewerten?

München 1972 ist ein Symbol. Das hat sich tief in unser kollektives Gedächtnis in Israel eingebrannt. Vielleicht verbindet nicht jeder Spieler von Maccabi dieses Spiel mit damals, zumindest der Trainer aber sicher. Gleichzeitig muss ich sagen: ich fühle mich sicher. Ich habe großes Vertrauen in die bayerische und Münchner Polizei. Und ich weiß, dass sie sehr gut vorbereitet sind. Am Ende ist es für uns ein Festtag. Wir können mit unserer Mannschaft mitfiebern. Das darf man nicht vergessen.

Man sagt über den Sport ja gerne, dass er nicht politisch sein darf. Kann Sport, vor diesen Hintergründen tatsächlich unpolitisch sein?

Sport hat die Kraft, Leute zusammenzubringen. Es gibt zum Beispiel das Peres-Zentrum in der Nähe von Tel Aviv. Dort haben Sportclubs israelische und palästinensische Kinder zusammengebracht, um gemeinsam Fußball zu spielen und so Nähe zu erzeugen. Das funktioniert für Sportler wie auch für Zuschauer: Man schaut sich ein Spiel an, vielleicht sitzt man neben einem Menschen, den man gar nicht kennt. Aber man bildet eine Gemeinschaft. Man ist durch den Sport verbunden und gleichzeitig kann Sport auch manchmal spalten.

Szenen aus dem Euroleaguespiel 202324 FC Bayern gegen Maccabi
Es geht auch um Sport: Duelle wie das Basketballspiel demonstrieren den Willen zur Normalität. © IMAGO

Trotz des Terrorangriffs vom 7. Oktober 2023 spielt Maccabi Tel Aviv auch in der Euroleague weiter. Die Heimspiele finden in Belgrad statt, dazwischen bestreitet man nationale Ligaspiele in der Heimat. Wie wichtig ist dieses sportliche Flaggezeigen?

Sehr wichtig. Und es zeigt unseren Kampfgeist. Wir können nicht beeinflussen, ob Raketen aus Gaza, dem Libanon oder dem Iran auf unser Land geschossen werden. Aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen. Wir entscheiden selbst über unser Leben, nicht die Terroristen. Der 7. Oktober war eine Zäsur. Wir haben gelitten und leiden immer noch. Soldaten sterben. Es sind noch immer Geiseln in Gaza. Und trotzdem müssen wir unser Leben weiterleben. Und wir wollen ein Teil dieses Sporterlebnissessein. Wir wollen mit unseren Sportlern mitfiebern, wenn sie gegen Bayern München oder die anderen großen Mannschaften spielen.

antiisraelische Demonstranten in Amsterdam
imago778493366.jpg © IMAGO

Einer Ihrer Münchner Kollegen sagte einmal, Sportler seines Landes seien auch eine Art Diplomaten. Trifft das für israelische Sportler noch mehr zu?

Diplomaten würde ich nicht sagen. Aber Symbole, ganz klar. Das gilt auch für andere Bereiche. Beim Eurovision Song Contest ist für uns in Israel eine junge Sängerin, Eden Golan, angetreten. Auch sie musste enorm viel Hass und Hetze ertragen. Auf allen Ebenen. Im Internet, aber auch direkt in der Halle. Und trotzdem hat sie einen tollen Auftritt hingelegt.

In Berlin verloren sich 5000 Menschen in der Arena. Das Spiel in München ist ausverkauft. Sehen Sie auch das als gutes Zeichen? Ein Stück Normalität?

Es freut mich sehr, dass das Spiel in München ausverkauft ist. Ich weiß, dass viele israelische Menschen aus der Region kommen werden. Es ist ein wichtiges und wunderbares Zeichen.

Wie groß ist ihre Hoffnung, dass man sich derlei Gedanken bald nicht mehr machen muss?

Es gibt auf jeden Fall Zeichen der Hoffnung. Wir haben eine Waffenruhe mit dem Libanon, auch wenn sie brüchig ist. Welche Konsequenzen die Ereignisse in Syrien haben, das muss man noch abwarten. Vielleicht kehrt die Lufthansa bald nach Israel zurück. Und wenn es soweit ist - vielleicht können dann auch die Spiele von Maccabi wieder in Tel Aviv stattfinden.

Wenn der Besuch der Basketballer am Freitag Vergangenheit ist – wann wäre dieser Besuch für sie ein guter?

Zuallererst ist es immer noch Sport. Und deshalb will ich natürlich, dass Maccabi Tel Aviv gewinnt. Ich fiebere schon mit israelischen Sportlern mit, ganz klar. Im letzten Jahr hat das ja geklappt, da hat Maccabi hier in München gewonnen. Ich hoffe sehr, dass das Spiel für alle ein Fest wird. Die Grundlage dafür ist natürlich, dass das Spiel ruhig abläuft, ohne größere unerfreuliche Vorfälle und vor allem ohne schreckliche Szenen wie in Amsterdam.

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