Generell gibt es verschiedene Alterungstypen. Als weiteres Beispiel nennt der Longevity-Experte den Gehirn-Alterungstypen. Auch bei diesem ist die Genetik mit ein ausschlaggebender Faktor. „Es gibt kleine Abweichungen des ApoE4-Gens (ein Risiko-Gen für Alzheimer, Anm. d. Red.) und wer das erwischt hat, hat ein höheres Risiko, früh eine Demenz zu entwickeln“, sagt Kleine-Gunk.
Ein vorzeitig gealtertes Organ kann andere Organe in ihrer Funktion beeinträchtigen
Ein vorschnell gealtertes Organ kann derweil auch andere Organe in ihrer Funktion beeinträchtigen. Das werde besonders bei einem gealterten Gefäßsystem sichtbar, das alle Organe im Körper mit Blut und Nährstoffen versorgt.
So können verkalkte Gefäße mitunter das Gehirn, ein Organ, das „unglaublich gut durchblutet werden muss“, in Mitleidenschaft ziehen. Sie können eine verminderte Hirndurchblutung verursachen, sodass der „Energiefresser Gehirn“ in seiner Leistung geschwächt wird.
Auch die Niere können bei einer fortgeschrittenen Arteriosklerose nicht mehr gut durchblutet werden. „Und wenn das der Fall ist, können Sie zum Beispiel eine Niereninsuffizenz bekommen“, sagt der Arzt. Die Entgiftung des Körpers funktioniere in der Folge nicht mehr, was sich auf den gesamten Organismus auswirken kann.
Aufgrund der Tatsache, dass sekundär die Versorgung aller weiteren Organe leide, ist von allen Organen ein vorzeitig gealtertes Herz-Kreislauf-System am gravierendsten für den Körper. Zudem steigt bei einem alten Herz das Risiko für Herzversagen um 250 Prozent.
Das Problem: Ein vorschnell gealtertes Organ kann nicht durch andere topfitte Organe ausgeglichen werden. „Du bist so alt wie dein schwächstes Organ“, sagt Kleine-Gunk auf den Titel des Buches anspielend.
„Wenn Sie zum Beispiel Bodybuilding machen, können Sie ein tolles Skelettsystem und eine tolle Muskulatur aufgebaut haben. Wenn Sie dann aber eine fortgeschrittene Arteriosklerose haben und einen Herzinfarkt bekommen, dann nutzt Ihnen die tolle Muskulatur auch nichts mehr.“
Wie Sie herausfinden, ob ein Organ zügig altert
Doch wie lässt sich herausfinden, ob ein Organ im Körper vorzeitig altert? Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen: Selbsttests und Fragebögen. Diese können Aufschluss über die eigenen Risikofaktoren und das schwächste Organsystem geben.
Darauf aufbauend können zum anderen fortgeschrittene medizinische und diagnostische Möglichkeiten einen tieferen Einblick ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise Ganzkörper-Angiographien oder Herz-CTs, wo die Herzkranzgefäße genau dargestellt werden. „Das ist die Hightech-Variante, die auch finanziell aufwändig ist“, sagt der Mediziner.
Die Altersuhr zurückdrehen
Stellt sich heraus, dass ein Organ im Körper schnell altert, helfen bestimmte Veränderungen des Lebensstils beim Zurückdrehen der Altersuhr. „Viele Patienten sitzen in meiner Praxis und sagen ‚Was soll ich denn jetzt nehmen?‘. Das ist eigentlich der falsche Ansatz, der erste Schritt ist die Frage: ‚Was soll ich tun?‘“, sagt Kleine-Gunk – und beantwortet diese auch gleich.
„Im Prinzip das, was die Oma schon immer gesagt hat: Hör‘ auf zu rauchen, iss dein Gemüse auf, beweg‘ dich mehr. Das sind banale Dinge, aber sie sind immer noch die Grundlage für gesundes Altern.“
Anhand des Herz- und Gehirn-Alterungstypen konkretisiert der Longevity-Experte ein paar Maßnahmen . So kann ersterer von Cardio-Fitness und Ausdauer-Training profitieren, Muskelaufbau-Training ist eher zweitrangig.
Letzterem kommt regelmäßiger Denksport zugute. „Das Gehirn ist ja kein Muskel, verhält sich aber wie einer. Und beim Muskel gilt: use it or lose ist. Ein Gehirn, das man nicht gebraucht, bildet sich also zurück“, sagt Kleine-Gunk. „Um kognitiv weiter fit zu sein, braucht das Gehirn Herausforderungen, etwa im Beruf, beim Lernen einer neuen Sprache oder eines Musikinstruments.“
Welche Nahrungsergänzungsmittel sich lohnen
Darüber hinaus können alle Alterungstypen in einem zweiten Schritt über die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nachdenken, um den Mangel an bestimmten Mikronährstoffen auszugleichen – zum Beispiel Vitamin D im Winter. „Den kann ich auch durch die Ernährung nicht kompensieren, sodass ich auch mal ein Vitamin-D-Supplement nehmen muss“, sagt der Longevity-Experte.
Zudem ist es für viele Menschen, die etwa nicht dreimal in der Woche fetten Seefisch essen, sinnig, Omega-3-Fettsäuren in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zuzuführen. Diese schützen die Gefäße.
Weiterhin gebe es neuere Substanzen, die gezielt auf Alterungsprozesse einwirken. Dazu zählen Supplemente wie Spermidin. Dieses Polyamin, also vom Körper gebildete organische Verbindungen, sorgen für Autophagie – ein Prozess, bei dem in den Zellen der molekulare Müll abgebaut wird.
„Spermidin macht den großen Hausputz in den Zellen. Das ist wichtig – Alzheimer-Demenz zum Beispiel ist nichts anderes als eine Ansammlung von molekularem Müll in unserem Gehirn“, sagt Kleine-Gunk.
Wie sehr können wir an der biologischen Uhr drehen?
Doch um wie viele Jahre lässt sich die Altersuhr der Organe zurückstellen, wenn all diese Maßnahmen berücksichtigt werden? „Das ist natürlich eine Frage, wie viel ich da reininvestiere“, sagt der Mediziner.
Es gibt durchaus Extrembeispiele wie den US-Amerikaner Bryan Johnson, der 47 Jahre alt ist und sein biologisches Alter auf 18 Jahre senken wolle. „Der macht aber auch den ganzen Tag nichts anderes als an seiner Selbstverjüngung zu arbeiten. Aber das werden die wenigsten schaffen“, sagt Kleine-Gunk lachend.
Trotzdem kein Grund zum Verzweifeln: „Ein Abweichen von zehn bis 15 Jahre vom biologischen zum chronologischen Lebensalter ist durchaus machbar – mit mäßigem Aufwand und gesundem Lebensstil.“