Zeugnisse für Pflegeschüler nach traumatischem Erlebnis: „Wir sind stärker zurückgekommen“

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Nach ihrer dreijährigen Ausbildung erhielten 16 Pflegefachkräfte ihre Abschlusszeugnisse; im Bild mit Schulleiterin Stephanie Strein (l.) und Klassenleiterin Alessa Becker (r.). © Wolfgang Schörner

32 Absolventen der Penzberger Berufsfachschulen für Pflege und für Altenpflegehilfe haben ihre Abschlusszeugnisse erhalten. 16 sind nun Pflegefachkräfte, weitere 16 sind Pflegefachhelfer in Alten- und Krankenpflege. Für sie alle waren die vergangenen Monate nach dem Suizid eines Mannes und einem Gift-Alarms an der Schule eine schwere Zeit.

In fast allen Reden bei der Abschlussfeier spielte der 16. Mai eine Rolle. An diesem Tag war ein Mann in die Penzberger Berufsfachschule gekommen und zusammengebrochen. Er hatte sich mit Natriumazid, einer stark toxischen Substanz, vergiftet. Es wurde Giftalarm ausgelöst. Die Schule und das Altenheim waren stundenlang abgeriegelt. Der Mann starb in der Unfallklinik Murnau.

Es habe damals viele Spekulationen in den Medien gegeben, sagten Elina Aruqi und Paulina Felix in ihren Abschlussreden der Pflegefachkraft-Klasse. Vieles habe nicht gestimmt, anderes schon. Aber nur sie wüssten, was im Klassenzimmer geschehen sei. Keiner habe bei ihnen nachgefragt. Es sei für alle ein traumatisches Erlebnis gewesen, sagte Schulleiterin Stephanie Strein. Man könne daran aber auch wachsen, das wünsche sie alle. Was Elina Aruqi und Paulina Felix bestätigten.: „Wir sind stärker zurückgekommen.“ Diakon Christian Oerthel, Leiter der beruflichen Schulen der Rummelsberger Diakonie, sagte, man könne nur erahnen, „was Sie erlebt, wie Sie sich gefühlt haben müssen“. Er habe große Achtung vor der ganzen Schulgemeinschaft, wie sie diesen Tag bewältigt habe.

Noch nie so viel Angst gehabt

Schulleiterin Strein erzählte, sie habe in ihren Leben noch nie so viel Angst gehabt, sie sei orientierungslos und von der Situation überwältigt gewesen, beginnend am Morgen mit dem unguten Gefühl einer Bedrohungslage bis zu hin einer Amoksituation, dann das drückende, den Brustkorb einengende Gefühl, als sie die Angst in den Augen der Schüler gesehen habe, bis zur Verwirrtheit und völlig ambivalenten Gefühlen in dem Moment, in dem klar wurde, dass ein Mitschüler zu einem Täter geworden sei und dann starb. Lähmend sei die Sorge um Schüler und Kollegen während des Großeinsatzes von Feuerwehr und Rettungskräften gewesen. Man habe sich inmitten vieler Menschen, die zur Hilfe eilten, „so unglaublich einsam und alleingelassen“ gefühlt. Auch in den darauffolgenden Tagen habe man Traumatisches erlebt, durch unreflektierte Kommentare und Urteile.

„Was uns durch alles hilft, ist die Liebe“

Auf der Suche nach einer Antwort, was einem hilft, stieß Strein auf den Korintherbrief im Neuen Testament. „Was uns durch alles hilft, ist Liebe“, sagte sie. Sie meine nicht das romantische Küsschen, sondern die Liebe zu uns selbst, zu unserer Arbeit und zu den Menschen, für den einen oder anderen auch die Liebe zum Glauben und zu Gott. Diese Fähigkeiten, sagte Strein, brauche auch eine gute Pflegefachkraft.

Berufsfachschule für Pflege und Altenpflegehilfe Penzberg - 16 Pflegefachhelfer und -helferinnen in Alten- und Krankenpflege freuten sich nach ihrer einjährigen Ausbildung über ihre Abschlusszeugnisse; im Bild mit Klassenleiter Martin Mader (3.v.r.). Foto: 7/2024
16 Pflegefachhelfer und -helferinnen in Alten- und Krankenpflege freuten sich nach ihrer einjährigen Ausbildung über ihre Abschlusszeugnisse; im Bild mit Klassenleiter Martin Mader (3.v.r.). © Wolfgang Schörner

Die Abschlussfeier in der Berufsfachschule fand heuer erstmals getrennt für Pflegehelfer und Pflegefachkräfte in zwei Etappen statt. Ihre Zeugnisse erhielten zunächst die Pflegefachhelfer in Alten- und Krankenpflege, die eine einjährige Ausbildung hinter sich haben. Besonders hervorgehoben wurden Kati Korte und Elisabeth Selbach, die eine 1,0 schafften und mit dem Staatspreis der bayerischen Staatsregierung ausgezeichnet wurden. Schulleiterin Strein verglich die Absolventen mit Leuchttürmen, die jenen Menschen ein Licht geben, die ohne Orientierung sind, die gerade nicht verstehen, was passiert, die Angst haben, die traurig oder wütend sind, die Hilfe und Unterstützung brauchen. Ihr Klassenleiter Martin Mader sagte, sie würden die Gesellschaft ein Stück menschlicher und lebenswerter machen.

Staatspreise für die Besten

Danach wurden die 16 Pflegefachkräfte verabschiedet, die eine dreijährige Ausbildung hinter sich haben. Mit dem Staatspreis ausgezeichnet wurden Jessica Löffler (1,0), Michaela Seeliger (1,2), Paulina Felix (1,4) und Michaela Willibald (1,4). Klassenleiterin Alessa Becker sagte, sie würden Symptome lindern, sei es durch ein Lächeln, eine helfende Hand oder einfach durch Präsenz. Oder, wie es Anja Lipka-Fotoglou, Praxisanleiterin bei der Kreisklinik Wolfratshausen, sagte: „Sie werden das Leben vieler Menschen bereichern.“

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