„Millionen von Fahrzeugen“ droht die Stilllegung – Wissing warnt vor neuer EU-Regulierung

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Die EU will eine bestimmte Regulierung für Dieselfahrzeuge ändern. Das könnte zu Massenstilllegungen führen. Wissing warnt vor Konsequenzen (Montage/Symbolfoto) © IMAGO / Wolfgang Maria Weber & IMAGO / photothek Ute Grabowsky

Die EU will eine bestimmte Regulierung für Dieselfahrzeuge ändern. Das könnte zu Massenstilllegungen führen. Volker Wissing warnt vor Konsequenzen.

Berlin – Abgasfrei ab 2030: Das war ursprünglich das kommunizierte Ziel für den Kontinent. Autokonzerne, die EU-Vorgaben umsetzen wollten, trieben unter Hochdruck die E-Mobilität voran. Die stockende Entwicklung sorgt nun aller Voraussicht nach für eine Verlängerung der Ära des Verbrennungsmotors. Auf EU-Ebene könnten sich allerdings auch für Verbrenner neue Probleme auftun, glaubt Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Stilllegung durch EU-Regulatorik – Wissing sieht Risiko für „Millionen“ von Dieselfahrzeugen

Wissing fürchtet millionenfache Stilllegungen von Diesel-Autos. Noch in diesem Jahr könnte es mehr als acht Millionen Kraftfahrzeuge treffen. Das teilte er in einem Brief an Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, in einem Brief mit. Als Begründung dafür nannte der Minister eine Neuauslegung von bestimmten Regeln auf EU-Ebene. Zuerst hatte die Bild berichtet.

In dem Brief, der IPPEN.Media vorliegt, hatte Wissing speziell von Emissionen von Fahrzeugen Euro 5 und Euro 6 gesprochen. „Millionen von Fahrzeugen droht die Außerbetriebsetzung“, warnte Wissing. Allein in Deutschland wären seiner Einschätzung nach 4,3 Millionen Euro-5- und gegebenenfalls 3,9 Millionen Euro-6-Dieselfahrzeuge betroffen. Bei der Betrachtung von Europa sei dieser Wert noch um ein Vielfaches höher. „Die Folgen träfen nicht nur die Automobilwirtschaft unvorbereitet, sondern vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger, die solche Fahrzeuge im Vertrauen auf die bestehenden Regelungen erworben haben“, erklärte der Minister.

Wissing besorgt wegen NEFZ-Schadstoffmessung – EU macht Kehrtwende bei Dieselfahrzeugen

Was war passiert? Das Problem kommt aus der Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen. Sobald ein Fahrzeug genehmigt wird, findet auch eine Emissionsprüfung des jeweiligen Fahrzeugs statt. Sogenannte Euro-5-Fahrzeuge werden unter dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) gemessen, für den nach europäischem Recht bestimmte Schadstoffgrenzwerte feststehen. Das gilt seit 1992. Seit 2017 gilt für die Typgenehmigung ab Euro 6 das RDE-Verfahren (Real Driving Emissions), das es ermöglicht, bestimmte Realbedingungen bei der Genehmigung abbilden zu können.

Laut dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ist es bei diesen Prüfungen die Regel, dass nicht in jeder Situation des NEFZ der jeweilige Grenzwert eingehalten werden muss – es handele sich um einen gemittelten Wert. Es finden Schwankungen im Zyklus statt, zum Beispiel, wenn ein Motor sich bei Autobahnfahrten anders verhält als bei städtischen Fahrten. Das sei ein ganz normaler Vorgang aus physikalischen Gründen.

Problematisch wird das Ganze darum, weil die EU-Kommission jetzt eine gegenteilige Auffassung vertreten und geäußert habe, dass die Schadstoffgrenzen auch außerhalb der Betriebs- und Umgebungsbedingungen des NEFZ gelten würden – und zwar für jede Fahrsituation. Also im Zweifel auch bei einer Fahrt unter Volllast, bergauf.

„Erhebliche Konsequenzen“ für Dieselfahrzeuge – Wissing präsentiert Lösung

„Dies ist nach derzeitigem Stand der Technik nicht umsetzbar“, argumentierte Wissing. Eine solche Regulierung würde für die in Verkehr befindlichen Fahrzeuge eine „nicht realisierbare nachträgliche Anforderung darstellen“. Eine universelle Geltung der Grenzwerte hätte „erhebliche Konsequenzen“ für die ganze EU. Seiner Meinung nach würden „sämtliche Euro-5-Genehmigungen“ infrage gestellt. Darüber hinaus könnte auch die Euro-6-Flotte mit Konsequenzen rechnen.

Zugleich präsentierte Wissing einen Lösungsansatz: In den fraglichen Vorschriften müsse eine Klarstellung vorgenommen werden, und zwar noch bevor der Europäische Gerichtshof sich endgültig zu der Sache entscheide. „Ich rege an, dass zwischen Kommission und den Mitgliedstaaten eine entsprechende Rechtsänderung schnellstmöglich ausgearbeitet wird“, schrieb Wissing an von der Leyen.

ADAC gibt Entwarnung – will aber auch eine Klarstellung zu Dieselfahrzeugen

Vonseiten des ADAC war diesbezüglich eine leichte Entwarnung zu hören. „Änderungen im Messverfahren bei der Typgenehmigung eines Kfz zu einem späteren Zeitpunkt können nach Auffassung von ADAC-Juristen nicht rückwirkend Anwendung finden“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur eine Sprecherin. Trotzdem sei eine Klarstellung notwendig, um Verbraucher nicht weiter zu verunsichern. Die betroffenen Fahrzeuge seien ordnungsgemäß zugelassen worden.

Ähnlich sieht es der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA). Die Präsidentin Hildegard Müller sieht die Bundesregierung und die EU-Kommission in der Pflicht, eine schnelle Klarstellung zu veröffentlichen. „Rückwirkende Anwendungen neuer Verfahren und Maßstäbe wären ohnehin ein Verstoß gegen den Grundsatz des Rückwirkungsverbots und das Rechtsstaatsprinzip im EU- und deutschem Verfassungsrecht“, sagte Müller. Gegenüber der Rheinischen Post verlangte sie, die EU-Kommission müsse die Zulassung durch eine rechtliche Klarstellung absichern. (Laernie mit Material von dpa)

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