- Der vollständige Artikel von Christine Kurz, auf den sich die folgende Kommentar-Analyse bezieht, ist hier verfügbar: Chef ruft neue Mitarbeitende abends an und zählt, "wie oft es klingelt, bis sie abnehmen"
Der spanische Unternehmer José Elías prüft die Loyalität neuer Führungskräfte, indem er sie am Wochenende spät abends anruft – ein Thema, das im Artikel für Kritik sorgt und viele Leser bewegt. Während sich die Debatte in der Community an der Erwartung ständiger Erreichbarkeit entzündet, lehnt ein großer Teil die Methode als übergriffig und unzeitgemäß ab. Andere halten sie zumindest in leitenden Positionen unter bestimmten Bedingungen für nachvollziehbar oder üblich. Ein weiteres Meinungsbild zweifelt die Aussagekraft solcher Tests grundsätzlich an und fordert stattdessen Leistung im Job als Maßstab. Insgesamt steht die Abwägung von moderner Führung, Arbeitsrecht und Unternehmenskultur im Zentrum, und viele Leser zeigen wenig Verständnis für eine Vermischung von Privatleben und Job.
Kritik an Führungskultur und Arbeitszeit
Mit 31 Prozent stellt dieses Lager die meisten Stimmen. Hier überwiegt die Kritik an einer Unternehmenskultur, die ständige Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten von Führungskräften verlangt. Besonders der Test des spanischen Unternehmers, zu später Stunde Loyalität per Anruf zu prüfen, stößt auf Unverständnis. Die Leser argumentieren, dass Loyalität und Engagement sich nicht durch nächtliche Telefonate beweisen lassen und verweisen auf gesetzliche Ruhezeiten wie auch die Bedeutung der Work-Life-Balance. Die Methode wird als übergriffig, antiquiert und schädlich für Gesundheit und Motivation eingestuft. Während einige Verständnis zeigen, wenn bei hoher Vergütung bestimmte Anforderungen gelten, dominiert die Ablehnung gegenüber dieser Form von Kontrolle.
"Wie der Herr wohl reagierte, wenn der neue Mitarbeiter ihn Sonntagmorgen um 4:30 Uhr anriefe, um ihm einen schönen Sonntag zu wünschen?" Zum Originalkommentar
"Ja. Manchen geht's halt noch zu gut. Wenn er so weitermacht, geht bald gar keiner mehr ans Telefon. Loyalität kann jeder Arbeitgeber völlig vergessen, der mich regelmäßig in der Freizeit kontaktiert. Wenn man 38,5 Stunden die Woche vor Ort ist, reicht das auch für sehr wichtige Dinge aus. Chefs, die voraussetzen, man müsse sich dem fügen oder würde seine Loyalität beweisen, zeigen nur ihre grenzenlose Naivität." Zum Originalkommentar
"Genau deshalb ist meine Chefin in den Burnout gerasselt!" Zum Originalkommentar
Zustimmung zu Führungspflichten und Erreichbarkeit
Einige Kommentierende (15 Prozent) finden, dass in bestimmten Führungspositionen eine erhöhte Erreichbarkeit außerhalb der klassischen Arbeitszeiten durchaus zum Profil gehört. Gerade bei gut vergüteten Führungskräften oder CEOs sehen sie eine solche Erwartung als angemessen oder sogar selbstverständlich an. In dieser Gruppe wird darauf hingewiesen, dass das Arbeitszeitgesetz zumindest für leitende Angestellte nicht gilt und der Unternehmer sich im Artikel explizit auf solche Positionen bezieht. Dennoch fordern auch viele, dass solche Verpflichtungen vertraglich geregelt und finanziell entsprechend honoriert werden müssen.
"Der Mann spricht offensichtlich von leitenden Angestellten (Executives) und für die gilt das Arbeitszeitgesetz nicht. Dementsprechend ist die Vergütung und die Erwartung an die Verfügbarkeit, wenn z.B. plötzlich eine Produktionslinie steht oder ein Kunde mit Entzug des Auftrags droht. Ob deswegen so ein Test sinnvoll ist, sei dahingestellt." Zum Originalkommentar
"Er spricht von einem Test betr. "seinen CEO" (Chief Executive Officer), also der höchsten Führungsposition in einem Unternehmen, der die oberste Verantwortung für die strategische und operative Leitung trägt (Geschäftsführer, Vorstand). Abgesehen davon, dass das auch in Deutschland mindestens ein "leitender Angestellter" im Sinne des BetrVerfG (mit weitreichenden Rechten, aber auch Pflichten!) wäre, ist es - zumindest branchenabhängig - wohl hier wie dort eine Selbstverständlichkeit, dass so jemand im Notfall rund um die Uhr erreichbar ist (z. B. bei Feuer, Einbruch, Havarie, Betriebsunfall etc.) Dafür gibt es schließlich auch entsprechend hohe Bezüge. Wer das nicht möchte, ist von vornherein nicht der richtige Kandidat und sollte sich mangels Eignung besser gar nicht erst bewerben." Zum Originalkommentar
"Ein CEO ist ein Topmanager. Den schützt das Arbeitszeitgesetz garantiert nicht vor seinem Gesellschafter." Zum Originalkommentar
Skepsis gegenüber Erreichbarkeitstest Methode
14 Prozent der Stimmen bezeugen eine ausgeprägte Skepsis in Bezug auf die nächtlichen Loyalitätstests. Gerade die Aussagekraft der Methode, ausschließlich auf das Klingeln des Telefons zu achten, wird massiv bezweifelt. Viele Leser sehen darin keinen zuverlässigen Indikator für Einsatzbereitschaft oder Engagement, da praktische Umstände – wie etwa Nebentätigkeiten im Haushalt oder technische Aspekte – zu einer verzögerten Reaktion führen können. Zudem sehen einige in dem Test eher ein Spielchen zur Machtdemonstration als einen sinnvollen Maßstab für Karriereentscheidungen. Der Beitrag zur eigentlichen Leistungsfähigkeit im Job werde damit verfehlt.
"Dieser Test beweist an sich gar nichts. Wenn man gerade in der Küche ist, um sich bspw. trinken zu holen, dauert es auch länger, wieder am Handy zu sein. Das heißt nicht, dass man sich nicht verpflichtet fühlen würde. Genauso andersherum. Nur weil jemand beim Test direkt drangeht, kann das im äußerst seltenen Notfall ganz anders sein. Generell sollte es auch so gut wie nie vorkommen, dass man jemanden um 23 Uhr anrufen muss. Wenn das alle zehn Jahre mal passiert, ist es schon häufig. Dafür braucht man keinen solchen wertlosen Test." Zum Originalkommentar
"Er spricht zwar von anderen Führungskräften, bzw. Managern, da könnte man evtl. auch sowas im Vertrag stehen haben, aber dann sollte man auch etwas technisches Verständnis haben, denn schon lange bedeutet ein Freizeichen nicht mehr automatisch, dass es gleichzeitig klingelt. Schon beim Verbindungsaufbau kann es mehrmals tuten, bis es am anderen Telefon erstmals einen Laut gibt." Zum Originalkommentar
Sarkasmus zur Chefs Erreichbarkeitsanspruch
Einige Leser (14 Prozent) bringen ihren Unmut und ihre Ablehnung durch Sarkasmus und Humor zum Ausdruck – etwa in Form überzeichneter Szenarien, in denen sie den Chef selbst zu ungewöhnlichen Zeiten anrufen oder dessen Kontrollbedürfnis ironisch kommentieren. Diese Tonlage macht deutlich, dass die Forderung nach ständiger Erreichbarkeit für viele Leser nahezu widersinnig erscheint und dient der zugespitzten Kritik an der beschriebenen Unternehmenskultur.
"Rufen Sie den Boss Sonntagmorgen um 5 zurück und fragen ihn, warum er nicht schlafen kann?" Zum Originalkommentar
"Um zwei Uhr nachts zurückrufen und fragen, ob er noch etwas vergessen hat." Zum Originalkommentar
"Mein Chef ist auch aus seinem Büro gerannt und hat mein Telefon abgenommen, wenn es zweimal geklingelt hat. Die Tür hat er auch zur Überwachung aufgelassen, weil er vermutete, es geht ihm ein „Geschäft“ durch die Lappen. Krank, aber solche Leute haben Macht." Zum Originalkommentar
Kritik an Arbeitsrecht und Schutzvorschriften
Neun Prozent der Leser argumentieren primär aus Sicht des Arbeitsrechts und pochen auf das deutsche Arbeitszeitgesetz, das Beschäftigten eine ungestörte Ruhezeit und Schutz vor dauerhafter Erreichbarkeit garantiert. Gerade im direkten Vergleich mit der spanischen Unternehmenskultur wird betont, dass solche Tests in Deutschland vor Gericht keine Grundlage hätten. Vereinbarte und vergütete Rufbereitschaften werden hingegen akzeptiert. Auch hier finden sich klare Abgrenzungen zwischen verschiedenen Hierarchieebenen und deren Pflichten.
"In Deutschland müssen Angestellte bei Anrufen vom Chef außerhalb der Arbeitszeiten nicht ans Telefon gehen. Davor schützt sie das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Arbeitgeber wie José Elías dürfen in Deutschland grundsätzlich also nicht erwarten, dass Beschäftigte abheben – außer es handelt sich um echte Notfälle oder Notdienste." Zum Originalkommentar
"Auch Führungskräfte sind in der Regel durch diese Schutzvorschriften gedeckt; nur wenige "leitende Angestellte" im juristischen Sinn bilden eine Ausnahme. Selbst dann darf ständige Erreichbarkeit nicht einfach vorausgesetzt werden." Zum Originalkommentar
"Kommt drauf an, was im Arbeitsvertrag steht. Wenn man sich auf Bereitschaftsdienst und Ähnliches festgelegt hat und dafür mehr Gehalt erhält, ist das doch vollkommen in Ordnung. Ich persönlich gehe nie nach Feierabend ans Telefon, egal wer anruft. SMS muss reichen oder bis morgen warten." Zum Originalkommentar
Skepsis gegenüber Unternehmenskultur Spanien
Mit zwei Prozent gibt es einzelne Stimmen, die den Blick auf die Unternehmenskultur in Spanien lenken, wo lange Arbeitszeiten und eine höhere Erreichbarkeit teils selbstverständlich sind. Anhand eigener Erfahrungen mit spanischen Kollegen wird nachvollziehbar, dass solche Erwartungen dort üblicher sein können, während das Arbeitstempo und die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland wiederum als schützender Rahmen geschätzt werden.
"In den letzten Jahren meines Arbeitslebens hatte ich viel mit Spaniern zu tun. Es ist tatsächlich so, dass sie erwarten, spät abends oder am Sonntagvormittag anrufen zu können. Die Spanier waren der Grund, weshalb ich dann zwei Mobiltelefone hatte. Das Firmentelefon blieb nach Feierabend und am Wochenende in der Firma. Unsere Firmen hatten ein Programm, in dem spanische Mitarbeiter für ein Jahr in D arbeiten konnten und umgekehrt. Nur wenige Spanier bleiben ein ganzes Jahr, die Arbeitsverdichtung und das Tempo hielten sie nicht durch. Und wer sich hier über Bürokratie beschwert, hat noch nie spanische Vorgaben erlebt." Zum Originalkommentar
"Das sind asiatische Verhältnisse" Zum Originalkommentar
Sonstige Stimmen
Die restlichen Stimmen (16 Prozent) entfielen auf Kommentare, die weniger inhaltlich zur Debatte um Erreichbarkeit und Arbeitsrecht beitragen, sondern sich vor allem mit sprachlichen Eigenheiten wie der Verwendung des Begriffs "Mitarbeitende" beschäftigen. Auch werden hier allgemeine oder unspezifische Beiträge sowie Kontextkritik geäußert. In diesen Beiträgen steht weniger die Bewertung der im Artikel beschriebenen Führungskultur im Zentrum, sondern eher Meta-Themen oder ein Distanzieren vom eigentlichen Diskussionsthema.
"Was sind denn "Mitarbeitende"?" Zum Originalkommentar
"Mitarbeitende! Das ist kein schönes Deutsch. Früher hieß es Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen." Zum Originalkommentar
"Warum heißt es Mitarbeitende, aber nicht Managende?" Zum Originalkommentar
Die Diskussion zeigt: Zwischen beruflicher Verantwortung, gesetzlichem Schutz und persönlicher Wertschätzung verläuft eine schmale Grenze. Sollte Erreichbarkeit um jeden Preis eingefordert werden – oder ist der eigene Feierabend tabu? Diskutieren Sie mit: Wie viel Einsatz darf ein Chef erwarten, und wo muss Ihre Privatsphäre beginnen?