Experte erklärt - So reden Sie mit Kindern über den Klimawandel – ohne Panik zu machen

Mit Kindern über den Klimawandel sprechen? Schwierig, schließlich ist das Thema schon für Erwachsene komplex und voller Grabenkämpfe.

Doch einen Weg vorbei gibt es nicht. Verpasst es die Welt, die globale Erwärmung weiter zu begrenzen, stehen die Kinder von heute schon morgen vor großen Herausforderungen:

Doch wie spricht man mit Kindern über solche unschönen und gleichzeitig komplexen Themen?

Wieso wir mit Kindern über die Klimakrise sprechen sollten

Denn verschweigen ist auch keine Strategie. Kinder werden automatisch mit dem Thema Klimawandel konfrontiert – sei es dadurch, dass sie die Klimakrise selbst erleben, in Form von Extremwetterereignissen oder Hitzewellen.

Oder eben durch die digitalisierte Welt, in der Kinder aufwachsen. Im Jahr 2024 ergab die sogenannte Jim-Studie: Bei 97 Prozent der 12- bis 19-Jährigen findet der Medienkonsum über das Smartphone und das Internet statt. Mehr als die Hälfte nutzt ihre Geräte, um täglich Videos im Internet anzusehen. Dort werden Kinder und Jugendliche also zwangsläufig mit Themen rund um den Klimawandel konfrontiert – mit variierendem Wahrheitsgehalt.

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Je früher, desto besser

FOCUS online Earth hat bei dem Erziehungswissenschaftler Orkan Okan nachgefragt, wie Eltern am besten mit ihren Kindern über den Klimawandel sprechen können. Er ist Professor für Gesundheitskompetenz an der Technischen Universität München und sagt: Je früher, desto besser. Denn im Kindesalter, so erklärt es Okan, entwickeln Kinder ihre sozialen, kognitiven und emotionalen Kompetenzen, es entstehen Einstellungen und Haltungen. Diese nehmen Kinder dann mit ins Erwachsenenalter.

“Es geht darum, die Saat zu pflanzen und schon früh ein genuines Interesse zu wecken. Im Erwachsenenalter ist es dann vielleicht schon zu spät. Lesen, Rechnen, Schreiben fange ich besser schon in der ersten Klasse an und nicht erst, wenn jemand 35 ist, obwohl das natürlich auch noch nicht zu spät ist”, führt Okan aus.

Wie Eltern sich einbringen können – auf Augenhöhe

Kinder und Jugendliche dürfen nicht wie halb-fertige Erwachsene behandelt werden – man müsse sie dort abholen, wo sie der Klimawandel auch betrifft. "Es ist ganz wichtig, dass man auf Augenhöhe mit ihnen spricht”, betont Okan. Klar sollte man eine kindgerechte Sprache verwenden; und statt mit ihnen über das Verbrennerverbot oder den Vorteil von Wärmepumpen zu sprechen, sollte man die Interessen der Kinder dort aufgreifen, wo es sie betrifft. Vielleicht ist es die Frage, was ohne die Bienen im Garten passiert, oder wieso im Sommer das Fußballtraining auf den Vormittag verschoben wird.

Der Knackpunkt, so der Forscher, sei letztendlich, Panikmache zu vermeiden. “Kinder wachsen mittlerweile in Situationen mit vielen Krisen auf, die quasi zur Permakrise werden. Ich glaube, da ist es wichtig, eine positive Einstellung zu vermitteln”, meint Okan. Dem Forscher zufolge könnte folgendermaßen aussehen: 

  • Lob für Eigeninitiative: Kinder können motiviert werden, zum Beispiel durch Sätze wie "Danke, dass du das Licht ausschaltest, das hilft uns beim Strom sparen". Je häufiger Menschen, die uns wichtig sind, unser Handeln loben, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir diese wiederholen.
  • Wissenschaft hinter dem Klimawandel erklären: Kinder überhören manchmal Fakten und Meinungen, die aus dem Zusammenhang gerissen sind. Indem wir ihnen dabei helfen, diese einzuordnen, können wir sie nicht nur dazu ermächtigen, sich zu informieren, sondern ihnen auch das Gefühl geben, dass Erwachsene sich darum kümmern.
  • In Diskussionen miteinbeziehen: Teenager sind teilweise sogar noch besser informiert als Erwachsene. Indem man ihre Interessen fördert, mit ihnen spricht und sich von ihnen über neueste Entwicklungen informieren lässt, gibt man ihnen nicht nur das Gefühl, mitreden zu können – sondern auch, einen gewissen Handlungsspielraum zu haben. 

Naturhelden und Klimapreise: Was Schulen tun können

Apropos Handlungsspielraum: Auch Schulen können können das positive Denken der Kinder stärken. Okan hebt zwei besonders gute Beispiele hervor:

  • Das Naturhelden-Programm, ein über zwei Jahre laufendes Projekt für Kinder ab der dritten beziehungsweise fünften Klasse. Dort sollen Kinder eine Begeisterung für Umweltschutz entwickeln, zum Beispiel über gemeinsame Müllsammelaktionen.
  • Der Klima- und Umweltpreis, der von vielen Landkreisen an Schulen verliehen wird und Engagement in dem Bereich auszeichnet, etwa die Schaffung eines Biotops oder eine plastikfreie Schule.

Auch staatliche Projekte können den Wissensdurst der Kinder stärken und ihre Eigenermächtigung fördern: Das "Klimaschulen"-Programm des bayerischen Kultusministeriums hilft Schulen dabei, ihre Emissionen zu reduzieren und den Schülerinnen und Schülern den Klimawandel näherzubringen. Teilnehmende Schulen können sich in zehn Schritten zertifizieren lassen, zum Beispiel durch die Vermeidung von Abfall, Essen aus regionalen Zutaten oder Energiesparmaßnahmen.

Schutz vor Flut an Fehlinformationen

Doch Schulen kommt noch ein weiterer, immens wichtiger Bereich zu: Medienkompetenz. “"m Alltag, in der realen Welt, begegnen uns, aber auch Kindern, ständig Fehlinformationen”, so TUM-Professor Okan. Kinder, führt er aus, benutzen mit einer hohen Frequenz soziale Medien, um sich Wissen anzueignen. "Sie tauschen sich viel untereinander aus und dabei begegnen ihnen häufig Fehlinformationen. Dieser Aspekt muss in der Schule aufgegriffen werden”, so Okan, denn: "Schulen sind nun mal die Bildungsorte unserer Gesellschaft und unsere Zukunftsschmieden."

Dazu hat auch das WHO Kollaborationszentrum für Gesundheitskompetenz an der TUM eine Studie durchgeführt. Die repräsentative Umfrage unter Schülerinnen und Schülern in allen Bundesländern ab der Sekundarstufe kam zu einem, wie Okan erklärt, "ernüchterndem” Ergebnis. So verfüge nicht nur ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler über eine geringe digitale Gesundheitskompetenz, sondern auch unter den Lehrkräften sei diese nicht prägnant ausgebildet.

Es reiche allerdings nicht, die Verantwortung nur an Schulen, an Lehrkräfte oder die Eltern abzugeben, mahnt Okan. Er fordert stattdessen auch strukturelle Maßnahmen vonseiten der Behörden – zum Beispiel, weiterhin Faktenchecks in den sozialen Medien sicherzustellen.