Streit um große Flüchtlingsunterkunft: Dorf ringt um einen Kompromiss mit Landratsamt

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Bürgermeister Daniel Wendrock vor der Halle, in die 500 Flüchtlinge ziehen sollen. ©  S. ROSSMANN

In Rott am Inn wird über eine große Unterkunft für Asylbewerber gestritten – wie in anderen Regionen auch. Doch in dem kleinen Dorf würde der Flüchtlingsanteil über zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. Der Widerstand ist groß. Aber der Bürgermeister hat die Hoffnung auf einen Kompromiss noch nicht aufgegeben.

Eigentlich ist Daniel Wendrock ein Mann, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Ein Thema treibt den parteilosen Bürgermeister von Rott am Inn im Landkreis Rosenheim aber seit Monaten um – und nicht nur ihn. „Rott rottiert“ steht auf den Bannern, die seit Herbst in dem 4000-Einwohner-Ort hängen, der für seinen prominenten Ehrenbürger Franz Josef Strauß bekannt ist. Das Dorf ist in Aufregung, weil das Landratsamt plant, in einer leer stehenden Halle im Gewerbegebiet 500 Geflüchtete unterzubringen (wir berichteten). Das wäre ein Bevölkerungsanteil von über zehn Prozent – zusätzlich zu den hundert Flüchtlingen, die Rott bereits aufgenommen hat.

Gespräche auch mit Ministerpräsident Söder – Gebäude läge im Gewerbegebiet

Bürgermeister Wendrock hat von diesem Plan am Tag nach der Landtagswahl im Oktober erfahren. Seitdem führt er Gespräche. Im Bauausschuss, mit dem Landratsamt, mit dem Innenministerium – sogar Ministerpräsident Markus Söder (CSU) konnte er am Rande eines Neujahrsempfang sprechen. Vor Kurzem kam Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit Vertretern der Regierung von Oberbayern nach Rott, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

Ich fühle mich gehört. Aber ich habe Bedenken, das Taten folgen werden.

Das Gebäude, um das es geht, befindet sich im Gewerbegebiet. In der Straße gibt es eine große Spedition und einige Firmen, die Lebensmittel produzieren. Einige der Gewerbetreibenden haben Existenzängste, seit sie von den Plänen des Landratsamts wissen. Sie haben Angst, dass Flüchtlinge auf die Transporter klettern könnten, um Rott zu verlassen. Oder dass es Müllprobleme rund um die Unterkunft gegeben könnte und Ungeziefer angelockt wird. Einige haben Angst, ihre Mieter deswegen zu verlieren – oder vor Konflikten, die ausbrechen, wenn so viele Menschen unterschiedlicher Kulturen auf engem Raum zusammen leben.

Geplant sind drei Stockbetten auf sieben Quadratmetern, berichtet Klemens Seidl von der Bürgerinitiative, die sich im Herbst gegründet hat. Er würde mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern direkt neben der Sammelunterkunft leben. Er habe viel Zeit im Ausland und mit anderen Kulturen verbracht, betont er. Auch viele seine Nachbarn betonen, sie seien nicht fremdenfeindlich. Rott hat in den vergangenen Jahren bereits 100 Geflüchtete aufgenommen. Sie leben in dezentralen Unterkünften, das funktioniere gut, berichtet Bürgermeister Wendrock. Es ärgert ihn dass Rott nun als ein Dorf dasteht, dass sich gegen Flüchtlinge wehrt. Denn was ihn und viele Bürger umtreibt ist die Anzahl.

Kaum Alternativen für die geplante Erstunterkunft – Schulen brauchen ihre Turnhallen zurück

Das Landratsamt plant eine Erstunterkunft in Rott, von der aus die Menschen weiterverteilt werden sollen. Die Halle wurde der Behörde zur Miete angeboten, viele andere freistehende Immobilien gebe es nicht, hatte Landrat Otto Lederer (CSU) erklärt. In Raubling und Bruckmühl sind seit rund zwei Jahren die Turnhallen mit Flüchtlingen belegt, die Schulen bräuchten sie zurück.

ein Luftbild von Rott am Inn
Das Idyll trügt: In Rott am Inn gibt es seit Monaten eine große Sorge – die geplante Sammelunterkunft für Asylbewerber. © Imago

Wendrock hat mit dem Landratsamt viele Gespräche geführt. Eine Unterkunft für 100 Menschen können er und sein Gemeinderat sich vorstellen. Für mehr würden die Kapazitäten der Kläranlage und der Wasserversorgung nicht ausreichen, erklärt er. Die Gemeinde müsste sonst die Baugebiete, die in der Entwicklung sind, stoppen. Das Landratsamt beharrt jedoch auf mindestens 250 bis 300 Plätzen, das sei nötig, um die Turnhallen leer zu kriegen, sagte gestern ein Sprecher des Landratsamtes.

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Wendrock hofft auf Kompromiss statt Streit vor Gericht

Wendrock hat sich längst Rechtsbeistand geholt. Doch noch hat er die Hoffnung, dass der Streit nicht vor Gericht endet und es einen Kompromiss geben kann. Dem Innenminister hat er bei dem Besuch alle Sorgen und Argumente dargelegt. Er fühle sich gehört, sagt er. „Aber ich habe Bedenken, dass Taten folgen.“

Auch die Bürgerinitiative hofft, noch etwas bewirken zu können. In einer Online-Petition haben sie 4427 Unterschriften gesammelt und die Petition im Landtag eingereicht. Sie haben eine Internetseite www.rott-rottiert.de aufgebaut, um ihre Sorgen und Ängste zu erklären. Und sie wollen am morgigen Mittwoch beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee eine friedliche Demonstration abhalten. Ihr Ziel ist es, dort noch mal mit den Politikern ins Gespräch zu kommen.

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