Mit Rolex und Goldbarren: Wie die Schweiz den Zoll-Deal mit Trump klarmachte

Die Zolluhr von Swatch-Chef Nick Hayek tickt wieder richtig. Dreieinhalb Monate lang zeigte sie mit vertauschter 3 und 9 an, was die Schweiz in diplomatischen Dezimalstellen mehr belastete als jeder Bankenuntergang: 39 Prozent Zoll auf Schweizer Waren, die in die USA geliefert werden. Im August verkündete Donald Trump den Tarif und die Folgen waren spürbar: Das Schweizer Bruttoinlandsprodukt brach im dritten Quartal ein. Zum ersten Mal seit Jahren beklagte die sonst so robuste Eidgenossenschaft eine schrumpfende Wirtschaft. 

Die Sonderedition „What if… Tariffs?“ des Luxuskonzerns Swatch, zu dem auch Marken wie Omega und Longines gehören, war da eine jener Marketing-Ideen, die nur in der Schweiz funktionieren: stiller Protest, in Kunststoff gegossen. Hayek versprach, die Uhr wieder einzustellen, sobald die amerikanische Zollschranke falle. 

Nun ist der Moment gekommen.

Passiert ist folgendes: Während Swatch mit vertauschten Ziffern protestierte, reisten die Chefs andere Schweizer Luxusmarken mit dem Privatjet nach Washington, um im Oval Office um Gnade zu bitten – höflich, diskret und natürlich mit Geschenken, die mehr glänzten als jede Zollstatistik. Der Unternehmerbesuch bei Donald Trump war ein Schauspiel, das selbst politikerprobte Schweizer Lobbyisten erröten ließ. 

Die Firmen-Bosse schritten zur Tat

Eine illustre Männerdelegation, die bei jeder anderen Gelegenheit als „alte weiße Milliardärsriege“ verspottet worden wäre, zog los, um den Dealmaker im Weißen Haus zu becircen. Breitling, IWC, Rolex – die Konkurrenz von Swatch war geschlossen angetreten, um beim amerikanischen Präsidenten vorbeizuschauen. Sogar Fifa-Boss Gianni Infantino wurde zum Hoffnungsträger der Nation. Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour setzte noch eins drauf und lud Trump in die VIP-Loge der US Open ein. „Keine Buhrufe, garantiert“, soll er gesagt haben. Die Milliardäre traten in Aktion, drei Monate, nachdem sich eine offizielle Delegation unter Anführung der Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter bei Trump eine Abfuhr eingehandelt hatte. 

Das Ganze war damit eine typische „swiss made“-Aktion: Im Nachbarland ticken die Uhren anders, die Macht liegt weniger bei der Politik, die direktdemokratsich vom Volk kontrolliert wird, als vielmehr in den Händen von rund einem Dutzend weltweit höchst erfolgreicher Konzernlenker. In Aussicht gestellt haben sie Trump dem Vernehmen nach goldene Barren mit Gravur, eine kunstvoll gefertigte Rolex-Tischuhr – ein Laib Käse soll dagegen nicht unter den Geschenken gewesen sein. Dass Trump anschließend stolz auf Truth Social postete, die Schweiz kämpfe an seiner Seite gegen „globalistische Tarifschummler“, verwandelte die Delegation daheim zu Landeshelden. 

Wirtschaft in Schwierigkeiten

Das ist kein Wunder, denn die Schweiz ächzt unter den bisherigen Trump-Zöllen. Das BIP sank zwischen Juli und September um 0,5 Prozent, ein Mini-Erdbeben im stabilen Alpenstaat. Schuld war nicht nur Trump, aber sein 39-Prozent-Hammer mischte die Exportstatistik auf wie ein Lötkolben die Schneekugel. Pharmafirmen hatten im Frühjahr wegen Angst vor Zöllen ihre Lager randvoll nach Amerika verschifft – danach kam der Absturz. Maschinenbauer, Uhrenindustrie, Präzisionsinstrumente: Alles, was die Schweiz so gerne anpreist, verkaufte sich plötzlich 14,2 Prozent schlechter. Dazu der Franken, der dem Dollar die Show stahl. Er hatte getan, was er immer tut, wenn die Welt nervös wird: Sein Kurs stieg. In diesem Fall so stark, dass jeder Schweizer Export wie ein Designerprodukt mit doppeltem Preis wirkte. 

Nach dem Unternehmerbesuch, der Trump offenbar verzückt hinterließ, kam dann noch einmal die Schweizer Politik zum Zug. Das Gesicht musste schließlich gewahrt bleiben: Der für die Wirtschaft zuständige Bundesrat Guy Parmelin reiste zu Trump, begleitet von seiner Staatssekretärin Helene Budliger Artieda. Diese sorgte für die vielleicht symbolträchtigste Szene der ganzen Affäre: Als Parmelin ihr vor dem Eingang zum Weißen Haus eine helfende Hand aus der Limousine reichte, schwang sie lässig eine Louis-Vuitton-Tasche mit so großem Logo, dass man sie vermutlich noch vom Lincoln Memorial sehen konnte. Was drin war? Ein Dossier? Eine Schweizer Spezialität? Oder, wie ein US-Journalist spöttelte, „eine weitere Uhr, vielleicht für Jared Kushner“? 

Das Treffen verlief „konstruktiv“, wie Parmelin betonte – ein Wort, das in der Diplomatie für alles steht zwischen „katastrophal“ und „durchwachsen“. Doch immerhin: Die Wende in der Zollpolitik war anschließend offiziell. Fast alle Punkte seien geklärt worden, hieß es. Die Zolllast solle von 39 auf 15 Prozent sinken, ein Wert, den auch die EU mit den USA ausgehandelt hat. In Nebenabreden solle es auch um amerikanische Waffen gegangen sein, die die Schweiz „ohnehin schon länger evaluiert“ habe. Die 15 Prozent sind immer noch ein schmerzhafter Satz, aber einer, mit dem die Exportindustrie nicht länger täglich Kopfweh bekommt. Schweizer Ökonomen rechnen dank des Rabatts mit bis zu 0,5 Prozent zusätzlichem BIP – ein kleines Pflaster, aber ein wirksames. 

Und Nick Hayek? Der drückte am Morgen nach der Einigung die Taste auf seiner Uhr. Die Ziffern stehen wieder an Ort und Stelle. Die Aktion, von der er zuvor gesagt hatte, sie werde „hopefully“ bald zu Ende sein, war „finally“ vorbei. Das Modell mit den vertauschten Ziffern hat jetzt das Zeug dazu, ein begehrtes Sammlerstück zu werden. Die Marketing-Aktion, die zur nationalen Nervensäge, dann zum Running Gag und schließlich zum Symbol des Durchhaltewillens wurde, endet also wie die meisten Schweizer Geschichten: pünktlich. Nur Hayek selbst grummelt noch: „Sind wir Wilhelm Tell, oder sind wir ein Vasall?“, fragt er in einem Interview.