Bürgergeld-Empfänger bekamen 3000 Euro zu viel – weil sich das Jobcenter verrechnet hat
Als Sozialleistungsempfänger ein Rückerstattungsschreiben vom Jobcenter erhalten? Dann ist Obacht geboten, denn nicht immer liegt der Fehler bei Beziehern.
Berlin – Hin und wieder kommt es vor, dass das Jobcenter sich bei Berechnungen zu Sozialleistungen auch mal verrechnet. Eine Familie aus Berlin durfte sich aufgrund eines Rechenfauxpas der Behörde über zusätzliches Geld freuen. Fast ein Jahr wurden der dreiköpfigen Familie insgesamt mehr als 3.000 Euro zu viel gezahlt. Das Jobcenter forderte eine Rückzahlung. Doch ein Berliner Gericht entschied, dass das überbezahlte Geld nicht zurückgezahlt werden muss.
Rechenfehler bei Jobcenter: Netto mit Brutto vertauscht
Wegen eines Rechenfehlers erhielt die Familie über zehn Monate hinweg mehr als 3.000 Euro Überbezahlung. Seit Juli 2020 bezog der dreiköpfige Haushalt Geld vom Jobcenter. 2021 fing der Mann eine Stelle als Verkäufer in einem Lebensmittelladen an, für die er 1.600 Euro monatlichen Nettolohn erhielt. Dies übermittelte er auch korrekt an das Jobcenter, indem er seinen Arbeitsvertrag einreichte. Infolge verringerte das Jobcenter die zuvor bezahlte Leistung entsprechend, jedoch ging es bei den Angaben von einem Bruttoeinkommen statt Nettoeinkommen aus.
Die Behörde forderte nach Bemerkung des Fehlers eine Rückzahlung von der Familie. Dazu wurde am 31. Januar 2022 ein entsprechender Bescheid mit Forderung zur Rückzahlung der überbezahlten Summe in Höhe von über 3.000 Euro versandt. Die Familie reagierte daraufhin mit einer Klage beim Sozialgericht (SG) Berlin, die stellvertretend von der Ehefrau geführt wurde. Das Gericht entschied aber zugunsten des Jobcenters. Die Frau habe demnach den Berechnungsfehler aus grober Fahrlässigkeit heraus nicht erkannt, so die Urteilsbegründung. Somit wurde dem Rückforderungsanspruch des Jobcenters stattgegeben.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Familie handelte nicht grob fahrlässig
Die Ehefrau ging im Anschluss in Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG). Das LSG hingegen sah den Sachverhalt anders. Bei der Bewertung, ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, komme es immer auch auf die subjektive Bewertung an, entschied das Gericht. Bei komplizierten Berechnungen, wie bei Bescheiden zur Grundsicherung, müssten Fehler von Laien nicht automatisch erkannt werden. Daher stellt der unbemerkte Berechnungsfehler keinen Sorgfaltspflichtverstoß dar und es würde auch keine grobe Fahrlässigkeit vorliegen.
Die Frau gab an, Schwierigkeiten beim Verstehen der mehrzeiligen Berechnungen gehabt zu haben. Insbesondere habe die Probleme mit der Auseinanderhaltung der Begriffe „Netto“ und „Brutto“ gehabt. Der Wert 1.600 Euro wurde in die falsche Zeile eingeordnet, was ihr entgangen sei. Das Gericht hielt die Darlegung für glaubwürdig, denn Fehler solcher Art würden Laien nicht sofort ins Auge springen. Die Familie muss daher laut LSG die überbezahlten Leistungen nicht zurückzahlen.
Was tun bei einem Rückforderungsschreiben es Jobcenters?
Das Jobcenter kann in Fällen von Berechnungs- oder Angabefehlern Leistungen in der Regel zurückverlangen, wenn ursprüngliche Angaben nicht korrekt sind oder die aktuelle Lebenssituation sich geändert hat. Auch liegen Fehler hin und wieder wie im oben beschriebenen Fall bei Sachbearbeitern des Jobcenters. Die Behörde hat dann ein Jahr Zeit, die Überbezahlung zurückzufordern. Zunächst wird eine schriftliche Rückforderung versandt, woraufhin Sozialleistungsbezieher die Gelegenheit haben, sich schriftlich oder persönlich zum Sachverhalt zu äußern. Entscheidet das Jobcenter, dass die Rückforderung berechtigt ist, folgt ein Erstattungsbescheid oder je nach Fall auch ein Aufhebungsbescheid, der die Bewilligung der Leistung aufheben kann.
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Gegen beide Bescheide lässt sich innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Die Rückforderung muss währenddessen nicht erstattet werden. Wenn innerhalb von drei Monaten das Jobcenter die Rückforderung wieder bestätigt, ist der letzte Ausweg eine Klage vor dem Sozialgericht. Es wird Sozialleistungsempfängern empfohlen, sich anwaltlichen Rat zum richtigen Umgang mit Rückerstattungsbescheiden hinzuzuziehen. Die Kosten für den Rechtsbeistand können durch Antrag auf Beratungshilfe ausgeglichen werden. Zudem kann bei der Deutsche Anwaltshotline eine kostengünstige Ersteinschätzung vorgenommen werden.