Bienenzüchter sind in Sorge: Eindringlinge gefährden Hochzeitsflug
Das gab’s noch nie: Die Bienenzüchter im Tegernseer Tal beklagen erstmals Fehlbegattungen an der Belegstelle am Pfaffenkopf. Weil Zuchterfolge dadurch gefährdet sind, haben sie einen wichtigen Appell.
Rottach-Egern/Landkreis – Beim königlichen Hochzeitsflug bestehen Bienenzüchter auf eine geschlossene Gesellschaft. Um unerwünschte Fremdbegattungen zu vermeiden, unterhalten sie sogenannte Belegstellen, die durch einen staatlich festgesetzten Radius geschützt sind. „In der Regel sind das 7,5 Kilometer“, erklärt Imker Max Stoib aus Hausham. So auch bei der Belegstelle am Pfaffenkopf, den der Bezirksimkerverein Gmund, Tegernseer Tal und Umgebung, dessen Vize-Vorsitzender Stoib ist, im Hochgebirge auf Rottacher Gemeindeflur betreibt. Seit 1977 habe dies immer gut funktioniert, erzählt Stoib. Umso schockierter seien die Imker gewesen, als sie erstmals eine Fehlbegattung feststellen mussten.
Das bedeutet, dass 2023 offenbar „falsche“ Bienen im Schutzkreis unterwegs waren. Mit der Folge, dass die Reinzuchtbedingungen in gut 20 Prozent der Fälle nicht mehr eingehalten wurden. Festgestellt haben Stoib und seine Kollegen dies beispielsweise an gelben Ringen am Hinterleib der Bienen. Ein zunächst zwar nur optischer Hinweis, der aber auf weitere Veränderungen – etwa in den für die Imkerei wichtigen Verhaltensmerkmalen – deuten könnte.
Woher die Eindringlinge trotz der eigentlich abgelegenen Position der Belegstelle kamen, lässt sich laut Stoib nicht rekonstruieren. Man vermute, dass jemand in der näheren Umgebung Bienenvölker gehalten habe. Böse Absicht wolle man dabei nicht unterstellen, eher Unwissenheit. „Imkern ist ein neues Trend-Hobby geworden“, sagt Stoib. Leider wüssten aber nicht alle Neulinge über die komplexen Abläufe wie eben die Bedeutung der Belegstellen Bescheid.
Dass es diese Schutzzonen braucht, liegt an der Tatsache, dass die frisch geschlüpften Königinnen in 25 Metern Höhe von den Drohnen begattet werden – und damit außerhalb der Kontrolle des Züchters. Zehn bis 20 Drohnen begatten beim sogenannten Hochzeitsflug eine Königin. Die wiederum trage die Spermien für die Befruchtung der Eier der Arbeiterinnen ein Leben lang (also drei bis vier Jahre) in sich. Umso bedeutsamer sei deshalb die Einhaltung der Reinzuchtbedingungen. Nur so könne man gewährleisten, dass Merkmale wie Leistung, Sanftmut, Wabensitz, Vitalität und Gesundheit sowie seit einigen Jahren auch die Toleranz auf die Varroamilbe erhalten bleiben. „Alle leistungsgeprüften Königinnen mit ihrem Volk werden in eine Zuchtwertschätzung eingetragen und mit einer Merkmalsuntersuchung gekört“, erklärt Stoib.
Im Landkreis Miesbach befinden sich übrigens zwei der oberbayernweit insgesamt neun staatlich festgesetzten Belegstellen. Die am Pfaffenkopf und eine am Sonnwendjoch im Kloo-Aschertal bei Bayrischzell. Letztere betreibt der Bezirksimkerverein Miesbach mit einem Schutzkreis von zehn Kilometern. Beide Stellen verfügen über Bienen der Zuchtrichtung „Carnica-Linie“. Entsprechend groß ist die Nachfrage. Wie Stoib berichtet, liefern am Pfaffenkopf jedes Jahr zwischen 30 und 45 Züchter 900 bis 1300 Königinnen zur Begattung an. Anreisen von bis zu 200 Kilometern seien keine Seltenheit. Circa 25 Geschwister-Vollvölker mit deren Drohnen würden diese dann am Pfaffenkopf zum 14-tägigen Hochzeitsflug erwarten.
Um diesen Aufwand nicht zunichtezumachen, appellieren Stoib und seine Imkerkollegen vor der Ende Mai beginnenden Begattungszeit an alle Bienenhalter, ihre Völker von den Schutzkreisen fernzuhalten. „Manchem Bienenliebhaber ist dies vielleicht gar nicht bewusst, weshalb ihn heimische Almbewirtschafter dringend darauf hinweisen sollten.“
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