Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Krankenkassen-Unmut wegen Bürgergeld: So ungerecht ist die Politik der Ampel

Wie immer man zum Bürgergeld stehen mag: Es ist eine teure Angelegenheit. Vor allem ist diese staatliche Absicherung, die sich immer mehr zu einem „Grundeinkommen“ entwickelt hat, nicht solide finanziert.

Eine Familie mit zwei Kindern bekommt – je nach Alter des Nachwuchses – zwischen 1726 Euro und 1954 Euro im Monat. Zudem übernimmt das Jobcenter die Kosten der Unterkunft, also Miete, Nebenkosten und Heizung.

Da kommen leicht nochmals 800 Euro und mehr dazu. Das alles zahlt der Steuerzahler.

Krankenkassenbeiträge steigen - wegen Bürgergeld

Was bei solchen Beispiel-Rechnungen häufig unter den Tisch fällt: Bürgergeldempfänger sind in der gesetzlichen Krankenkasse versichert. Doch kostet sie das keinen Euro. Dafür müssen zu einem erheblichen Teil die Beitragszahler aufkommen.

Eigentlich müsste der Bund den gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen den Betrag überweisen, den sie von einem Mindestlohnempfänger erhalten, nämlich 350 Euro im Monat (je 50 Prozent von Arbeitnehmern und Arbeitgebern).

Nach Angaben der Betriebskrankenkassen erstattet der Bund den Kassen jedoch nur 119 Euro pro Monat.

Bei jedem Bürgergeldempfänger entsteht den Kassen also ein Verlust von 231 Euro – und das Monat für Monat. Das führt, wie „Bild“ berichtet, bei den Kassen zu einem Defizit von 9,2 Milliarden Euro.

Die Folge: Die Kassenbeiträge steigen zum 1. Januar 2025 durchschnittlich um 0,8 Prozentpunkte von 16,3 auf 17,1 Prozent – die höchste Beitragserhöhung seit fast 50 Jahren.

Derzeitige Finanzierungspraxis ist ungerecht

Für DAK-Chef Andreas Storm steht fest: „Wenn die Bundesregierung die Beiträge für Bürgergeld-Bezieher auskömmlich finanziert hätte, müssten Beitragszahler jetzt nicht den größten Beitragsanstieg seit 1975 bezahlen“.

Dann hätte, so Storm, ein moderater Anstieg von 0,2 oder 0,3 Prozentpunkten ausgereicht. Dass die Bundesregierung die Beiträge für Bürgergeldempfänger nicht vollständig übernimmt, spricht nicht für solides Verhalten – ganz im Gegenteil.

Die derzeitige Finanzierungspraxis ist zudem ungerecht. Die Gesundheitskosten für Bürgergeld-Empfänger werden nämlich in hohem Maße den Angestellten und Arbeitern aufgebürdet, also den gesetzlich Versicherten.

Lasten sind sehr unterschiedlich verteilt

Wer privat versichert ist, also Menschen mit hohen Einkommen, Freiberufler und vor allem Beamte, werden nicht herangezogen. Mögen der Kanzler und seine Sozialdemokraten auch ständig die Solidarität der Bürger beschwören – hier werden die Lasten sehr unterschiedlich verteilt.

Ursprünglich hatte die Ampel vereinbart, die staatlichen Zuschüsse an die Kassen für versicherte Bürgergeldbezieher zu erhöhen. Das ist bisher unterblieben; es wird in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr geschehen.

Ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat gegenüber „Bild“ erklärt, es gebe keine Pläne, daran etwas zu ändern. Begründung: „die angespannte Haushaltslage des Bundes und die Vorgaben der Schuldenbremse“.

Verweis auf die Schuldenbremse ist eine faule Ausrede

Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Finanzierung der Gesundheitskosten von Bürgergeldbeziehern ist höchst unsolide – und obendrein höchst ungerecht.

Dazu kommt: Der Verweis auf die Schuldenbreme ist eine faule Ausrede. Die Veränderung oder Aussetzung der Schuldenbremse wird von SPD und Grünen stets mit der Notwendigkeit begründet, enorme Investitionen zu finanzieren, beispielsweise in die Infrastruktur, die Verteidigung oder die Digitalisierung.

Allerdings zählt es zu den Grundregeln solider Haushaltspolitik, allenfalls Investitionen durch eine erhöhte Kreditaufnahme zu finanzieren. Die laufenden Ausgaben – etwa Gehälter für Staatsbedienstete oder Sozialleistungen – sind dagegen aus mit den laufenden Einnahmen, in erster Linie Steuern, zu decken.