Ukraine-Krieg kurz vor Ende? Frieden bringt laut Ostflanken-Staaten Putin-Soldaten an ihre Grenzen

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Frieden im Ukraine-Krieg scheint näher als je zuvor. Politiker umliegender Länder fürchten allerdings, anschließend selbst von Russland bedroht zu werden.

Helsinki – Die Zuversicht wächst in Europa und in den USA, dass eine Lösung im Ukraine-Krieg in Reichweite ist. Auch wenn das von Russland überfallene Land dafür wohl auf einen NATO-Beitritt verzichten muss. Stattdessen sollen umfangreiche Sicherheitsgarantien erneute Aggressionen aus dem Reich von Wladimir Putin unterbinden.

Warnt vor weiteren russischen Aggressionen: Der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo befürchtet nach dem Ende des Ukraine-Kriegs Moskaus Soldaten an der Landesgrenze. ©  IMAGO / dts Nachrichtenagentur , IMAGO / SNA

In einigen Mitgliedsstaaten des transatlantischen Verteidigungsbündnisses geht aber nicht zuletzt wegen dieser Entwicklungen die Sorge davor um, dass sich der Kreml-Chef bald eben ihnen zuwenden wird. Finnlands Ministerpräsident Petteri Orpo warnt in der Financial Times: „Wir wissen, dass Russland weiterhin eine Bedrohung darstellen wird, sollte es Frieden in der Ukraine geben. Es ist offensichtlich, dass die Militäreinheiten dann näher zu unserer Grenze oder zur baltischen Grenze gezogen werden.“

Putin und die NATO-Ostflanke: Russische Soldaten bald an Grenzen von Finnland und Baltikum?

Ähnlich äußerte sich ein nicht näher benannter hochrangiger NATO-Diplomat, der laut dem US-Portal Politico sagte, auch wenn der Ukraine-Krieg ende, sei es Russlands „Wunsch, seine Soldaten zu beschäftigen“. Daher müsse damit gerechnet werden, dass die Truppen „in unsere Richtung verlegt“ würden.

Schon in der Vergangenheit hatten vor allem die Staaten des Baltikums immer wieder die Befürchtungen zum Ausdruck gebracht, dass Putin sich ihrer in naher Zukunft annehmen werde. In Litauen sind Bundeswehrsoldaten stationiert, um die NATO-Ostflanke zu stärken. Im Fokus der Mission stehen laut Verteidigungsministerium Abschreckung und Verteidigung.

Wladimir Putin sitzt in Militäruniform an einem Tisch
Zeigt sich in letzter Zeit auch öfter in Militärkleidung: Kreml-Chef Wladimir Putin versetzt die gesamte EU- und NATO-Ostflanke in Alarmstimmung. © IMAGO / SNA

Auch wegen der Bedenken der russischen Nachbarstaaten sowie der Anrainerstaaten von Ostsee und Schwarzen Meer lädt Orpo an diesem Dienstag (16. Dezember) in Helsinki zu einem Gipfeltreffen. Neben Finnland nehmen Schweden, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien teil. Allesamt gehören sowohl der NATO als auch der EU an.

Warnung vor Putin-Soldaten an Ostflanke: Finnland & Co. wollen EU-Budget für Projekt nutzen

Die acht Partnerländer wollen Vorschläge für das EU-Projekt „Eastern Flank Watch“ erarbeiten und EU-Mittel dafür beantragen. Dabei gehe es nicht nur um ungenutzte 1,5 Milliarden Euro aus dem Topf für Militärprojekte, sondern auch um den Großteil der gut 130 Milliarden Euro, den die EU im nächsten Haushaltsjahr für Verteidigung vorgesehen hat.

Das Anliegen, dass ein Teil dieses aufgestockten Verteidigungs-Budgets für die Region reserviert wird, soll beim EU-Gipfel am Donnerstag angesprochen werden, wie das Politico unter Berufung auf zwei Regierungsvertreter schreibt. „Die Anrainerstaaten wollen von der EU ‚Vorschläge für neue Finanzierungsmöglichkeiten für Grenzländer und solidarische Finanzinstrumente‘“, wird ein Regierungsbeamter zitiert.

Polen, Litauen, Lettland und Estland geben laut NATO-Angaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt innerhalb des Bündnisses bereits die größten Summen für Verteidigung aus. Mit 4,48 Prozent liegt Polen bei den im Sommer 2025 geschätzten Werten vorne, Litauen folgt mit vier Prozent, Lettland mit 3,73 und Estland mit 3,38. Für Finnland werden 2,77 Prozent angegeben, für Schweden 2,51, Rumänien kommt auf 2,28 und Bulgarien auf 2,06.

Bedroht Russland die NATO-Ostflanke? „Auch in ferner Zukunft eine Bedrohung für Europa“

Orpo betont auch, dass sich die EU davon lösen müsse, bei der eigenen Sicherheit über den Atlantik zu schauen: „Wir wissen, dass die USA ihre Unterstützung und Beteiligung an der Verteidigung Europas reduzieren werden, weil sie viele andere Sicherheitsbedenken haben.“

In der finnischen Zeitung Helsingin Sanomat machte er zugleich mit Blick auf die Ostflanke von EU und NATO klar: „Hier wird Europa verteidigt.“ Es sei „unglaublich wichtig“, dass die Region einen gemeinsamen politischen Willen habe, um die Politik der gesamten EU zu beeinflussen. Denn auch hier erwähnte er: „Russland ist heute, morgen und auch in ferner Zukunft eine Bedrohung für Europa. Daran wird sich nichts ändern.“

Dass bereits Konfrontationen innerhalb der EU über die Verteilung der Gelder aus dem Verteidigungs-Topf befürchtet werden, beunruhigt ihn nicht. Denn im Grunde hätten die Ostflanken-Staaten keine Wahl: „Wenn wir das nicht tun, wird es niemand tun.“

EU und ihre Verteidigung: Große Projekte wie „Drohnenwall“ wackeln offenbar

Uneinigkeit herrscht einem Bericht der internationalen Nachrichtenagentur Reuters zufolge innerhalb der Europäischen Union bereits bei einigen Verteidigungsprojekten, inklusive dem „Drohnenwall“ zur Abwehr der in Auseinandersetzungen zunehmend wichtiger werdenden unbemannten Flugobjekte. Einige Regierungen sehen solche umfangreichen Angelegenheiten eher im eigenen oder im Bereich der NATO statt in jenem der EU.

Gerade die großen Länder wie Deutschland, die auf umfangreiche Rüstungsindustrien zurückgreifen können, wollen sich nicht an diese EU-Projekte binden. Zwar habe sich ein EU-Diplomat „deutlich skeptisch“ bezüglich einer Umsetzung gezeigt, allerdings sei es zu früh für ein endgültiges Urteil. Weitere Diplomaten sollen diese Ansicht teilen.

Ursprünglich sollten die vier großen Verteidigungsprojekte – neben dem „Drohnenwall“ und der „Eastern Flank Watch“ auch ein Luft- und ein Weltraumschutzschild – bis Jahresende von den Staats- und Regierungschefs gebilligt werden. Doch weder im ersten, noch im zweiten auf Freitag datierten Entwurf der Beschlüsse des EU-Gipfels sei eine solche Billigung enthalten, schreibt die Agentur.

Investitionen der EU in die Verteidigung

2019: 50 Milliarden Euro

2020: 52 Milliarden Euro

2021: 61 Milliarden Euro

2022: 64 Milliarden Euro

2023: 74 Milliarden Euro

2024: 106 Milliarden Euro

2025: 130 Milliarden Euro

Quelle: European Defense Agency

EU und die Drohnen-Abwehr: Staaten wohl uneins über Art der Zusammenarbeit

Ein EU-Beamter habe unter der Bedingung der Anonymität erklärt, einige der Mitgliedstaaten seien gegen die Idee, andere wiederum würden sie umsetzen wollen. Die Europäische Kommission stellte dagegen demnach klar, die Projekte seien unerlässlich für Europas Bereitschaft bis 2030, um sich künftig verteidigen zu können.

Aktuell arbeiten einige EU-Länder aber eben dem Bericht zufolge in Koalitionen an Projekten, wie etwa einem gemeinsamen Drohnenabwehrsystem. Ein zweiter EU-Beamter sagte daher: „Die eigentliche Arbeit wird von den Mitgliedstaaten geleistet.“

Gerade bei den Drohnen sollen Staaten aus West- und Südeuropa eine zu starke Fokussierung auf die Ostflanke ablehnen. Denn diese Flugobjekte würden eine Sicherheitsbedrohung für alle Länder darstellen. Auch in Deutschland, Dänemark oder Norwegen waren in den vergangenen Wochen Drohnen gesichtet worden, die den Flugverkehr beeinträchtigten und für zwischenzeitliche Schließungen diverser Airports sorgten. (Quellen: Financial Times, Politico, NATO, Helsingin Sanomat, Reuters) (mg)