Der Kanzler und die Mistgabeln: Bauern-Punktsieg gegen Scholz

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Mit einer Großdemonstration machten die Bauern am Montag in Berlin erneut Front gegen die Politik der Ampel-Regierung. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis. © Monika Skolimowska/dpa/Klaus Haag

Die Regierung ist schwer angezählt. Die Fehlerserie der Ampel hat dazu geführt und die aktuellen Bauern-Proteste könnten für Scholz und seine Koalitionäre den Knock-Out ankündigen. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

So leicht wird die Ampel die Geister, die sie mit ihrem tölpelhaften Agrardiesel-Beschluss gerufen hat, nicht mehr los. Die Bauern sind, das hat die gestrige Großdemonstration gezeigt, in Berlin angekommen. Sie sind ein neuer Schlüsselakteur der Bundespolitik und bleiben es, auch wenn ihre Traktoren wieder weg sind. Denn mit der Forderung ihres Präsidenten Joachim Rukwied, die Politik müsse „raus aus der Berliner Blase“ und wieder auf die arbeitenden Bürger schauen, sind die Landwirte zur Stimme der gesellschaftlichen Mitte geworden, die sogar beim Bundespräsidenten Gehör findet. Gescheitert ist hingegen der vom Kanzler und seinem grünen Klimaminister gestartete Versuch, die Bauern in die Ecke rechter Umstürzler zu drücken und den Protest mit einem Machtwort zu beenden.

Jetzt, da die Hütte brennt, wollen die Grünen eine Tierwohlabgabe

Es war, wie üblich in der Ampel, der eigene Mit-Koalitionär, der das Scholz-Habeck-Manöver durchkreuzte: Als „zutiefst friedlich“ adelt FDP-Chef Lindner nun den Protest der Bauern, die er diese wenige Tage davor noch zur Umkehr aufgerufen hatte. Das zeigt die Konfusion in der Ampel und ihre Hilflosigkeit im Umgang mit den Forderungen. Jetzt, da die Hütte brennt, kommen die Grünen mit ihrer Tierwohlabgabe um die Ecke, die ja nichts anderes wäre als eine neue Steuer auf Fleisch, Butter und Milch zur Unzeit. Sie würde das Leben der ohnehin inflationsgeplagten Menschen weiter verteuern, damit diese den Konsum landwirtschaftlicher Produkte einschränken. Mit Vorsicht zu genießen ist für Hofbesitzer auch Lindners Offerte, im Gegenzug für teureren Diesel die wuchernde Agrarbürokratie, die nicht wenigen Bauern die Freude an ihrem Beruf raubt, zurückzuschneiden. Wie wenig solchen Schwüren zu trauen ist, hat der Finanzminister erst am Wochenende selbst gezeigt, als er das den Bürgern fest zugesagte Klimageld kippte.

In einem hat Olaf Scholz Recht: Die Regierung steht schwer angezählt in der Ecke. Doch haben nicht die Mistgabeln der Bauern sie dorthin gebracht, sondern die eigene Empathielosigkeit und eine schier unglaubliche Serie schwerer handwerklicher Fehler, vom Heizungsgesetz über die Haushaltstricks bis hin zum Agrardiesel. Die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP werden es geschickter anstellen müssen als der Kanzler, wenn sie im nun folgenden parlamentarischen Verfahren um die Agrardiesel-Kürzung die Kuh noch vom Eis bringen wollen. Es geht um viel, für alle: So wie viele Bauern um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen, ringt die Regierung darum, nicht vollends die Kontrolle über ein unruhiges Land zu verlieren.

Georg Anastasiadis

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