Kommentar - Verbrechern den deutschen Pass entziehen? Warum Merz recht hat
- Im Video: Merz-Vorschlag zum Entzug der Staatsbürgerschaft sorgt für Aufruhr
CDU-Chef Friedrich Merz hat gewarnt, dass Deutsche mit doppelter Staatsangehörigkeit bei bestimmten Straftaten ihre deutsche Staatsbürgerschaft verlieren könnten. „Um Anschläge oder weitere Straftaten zu vermeiden, müssen ausländische Straftäter spätestens nach der zweiten Straftat ausgewiesen werden“, sagte der Unions-Kanzlerkandidat mit Blick auf den Magdeburger Attentäter, der zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten war, der „Welt am Sonntag“. Und weiter. „Die doppelte Staatsangehörigkeit wird zum Regelfall in unserem Staatsbürgerschaftsrecht. Wir holen uns damit zusätzliche Probleme ins Land. Es müsste wenigstens auf der gleichen Ebene eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben.“
Merz-Vorschlag stößt auf massive Kritik
Das hat im Wahlkampf seine Gegner auf den Plan gerufen. „Friedrich Merz spielt bewusst mit dem rechtspopulistischen Feuer und ist als Kanzler aller Deutschen nicht geeignet“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken dem „Stern“. Der Grünen-Abgeordnete Kassem Taher Saleh, geboren im Irak und als Kind nach Sachsen immigriert, schreibt auf X: „Friedrich Merz will migrantischen Mitbürgern die Staatsbürgerschaft entziehen können. Für ihn sind wir lebenslang Deutsche auf Bewährung. Und dieser Mann will Bundeskanzler werden.“
Die intellektuell seichteste Kritik kommt indes von Marcel Fratzscher, Präsident des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung). „Diese Forderung ist ein Dammbruch“, schrieb der Wirtschaftsprofessor auf X. „Es würde zu einer Zweiklassengesellschaft der #Staatsbürgerschaft führen.“
Liest der Mann, den die FAZ als „lautstarken Claqueur der Sozialdemokraten“ bezeichnet, seine Tweets, bevor er sie abschickt? Natürlich, eine Zweiklassengesellschaft bei den Staatsbürgerschaften – aber die gibt es doch längst, und wer mehrere Pässe besitzt, sitzt in der ersten Klasse. Das ist das Prinzip der doppelten Staatsbürgerschaft, deren Grundlage von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 gelegt wurde und die vorsah, dass ein Kind die deutsche Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommt, wenn mindestens ein Elternteil seit acht Jahren in Deutschland lebt. Zunächst verlangte das Gesetz, die Kinder müssten sich spätestens im Alter von 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden.
Diese Regelung wurde 2014 gestrichen, nunmehr konnten beide Staatsangehörigkeiten behalten werden. Aber erst das im Juni 2024 in Kraft getretene Gesetz der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts schafft die Vorgabe, man müsse bei der Einbürgerung seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben, endgültig ab. Der Weg zur doppelten Staatsbürgerschaft steht nun also jedem Einbürgerungswilligen offen – und das war die eigentliche Geburtsstunde des bedingungslosen Zweiklassenrechts bei den Staatsbürgerschaften.
Durch Staatsbürgerschaft ergeben sich Rechte und Pflichten
Die Staatsbürgerschaft ist ein rechtliches Band, das Rechte und Pflichten zwischen dem Individuum und dem Staat begründet. Es sei wiederholt: Rechte und Pflichten. Zu den Rechten gehören natürlich das aktive und passive Wahlrecht, also das Recht, zu wählen und gewählt zu werden; die Freizügigkeit, sich innerhalb des Staatsgebiets frei zu bewegen und dort zu wohnen; und der Schutz durch den Staat im Innern per Teilnahme am Rechtssystem sowie der konsularischer Schutz im Ausland.
Die Pflichten der Staatsbürgerschaft umfassen vor allem Gesetzestreue. Das ist die Verpflichtung, die Gesetze des Staates zu achten und zu befolgen. Nicht mehr und nicht weniger.
Dieses Verständnis der Staatsbürgerschaft als wechselseitige Beziehung zwischen Bürger und Staat ist zentral für die moderne Demokratie. Und Friedrich Merz fordert nicht weniger als diese Wechselbeziehung ein: Wer sich nicht an seine Pflichten wie die Gesetzestreue hält, so seine Aussage, dem bleiben auch nicht die Rechte garantiert. Bei jemandem mit mehreren Staatsangehörigkeiten können das die Ausweisung und der Entzug des deutschen Passes sein. Bei Kriminellen nur mit deutscher Staatsangehörigkeit entfallen diese Möglichkeiten, weil man niemanden in die Staatenlosigkeit verbannen kann.
Warum Merz richtig liegt
Noch einmal zurück zur „Zweiklassengesellschaft“: Wer vor dieser Konsequenz nach dem Prinzip „ohne Pflichterfüllung auch keine Rechtsgarantie“ Angst hat, der kann sehr einfach jede Gefahr eines Entzugs der deutschen Staatsbürgerschaft neutralisieren. Entweder durch Gesetzestreue (und wir reden hier nicht von Schwarzfahren) – oder durch die Aufgabe seiner alten Staatsbürgerschaft bei der Zuerkennung des deutschen Passes.
Das kann man von niemandem verlangen? Mag sein. Aber genauso wenig kann man vom deutschen Staat erwarten, dass er Rechte zuerkennt, ohne auf die Einhaltung der Pflichten zu bestehen. Friedrich Merz hat also auch im staatsrechtlichen Verständnis völlig recht mit seiner Position.