Wagenknecht erklärt ihre Partei: Vier Kernpunkte - klare Abgrenzung zu AfD und Grünen

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Schon bald soll der Startschuss für die neue Partei von Sahra Wagenknecht fallen. Ihre Wähler könnten vor allem von einer Partei kommen.

Berlin – Sahra Wagenknecht schwelgt gerne in der Vergangenheit. Auch wenn sie in die Zukunft schaut. Das wird im Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (hinter einer Bezahlschranke) deutlich, in dem die 54-Jährige erklärt, wie sie ihre gerade entstehende Partei nach der Abspaltung von der Linken positionieren will.

Wagenknecht über neue Partei: „Wähler, die aus Protest für AfD gestimmt haben, überzeugen“

Eine Union unter der Führung von Norbert Blüm hätte sie sich als Koalitionspartner vorstellen können. In Sachen Außenpolitik blickt sie sogar noch ein paar Jahrzehnte weiter zurück, um ein Vorbild zu entdecken. Mit den aktuellen politischen Führungsfiguren kann die Frontfrau des Bündnis Sahra Wagenknecht dagegen wenig anfangen. Aber der Reihe nach.

Wen sie vor allem umwerben will, macht die gebürtige Thüringerin in diesem Satz klar: „Ich wünsche mir, dass wir viele Wähler, die aus Protest für die AfD gestimmt haben, davon überzeugen können, dass unsere Antworten und Konzepte seriöser sind.“ Zu den seit Monaten im Aufwind befindlichen Rechtspopulisten zieht sie eine klare Grenze – trotz der Annäherungsversuche von deren Parteichef Tino Chrupalla: „In wirtschaftlichen und sozialen Fragen vertritt die AfD ziemlich marktradikale Positionen.“

Wagenknecht will aber längst nicht jede AfD-Anhängerin aufnehmen: „Mit Blick auf die Mitglieder werden wir sehr genau hinschauen, wer zu uns kommt. Rechtsextremisten werden definitiv keinen Zugang haben.“

Sahra Wagenknecht sitzt an einem Tisch und schaut zur Seite
Wohin geht ihr Blick? Sahra Wagenknecht macht sich bereits Gedanken über mögliche Koalitionen ihrer künftigen Partei. © IMAGO / IPON

Neue Wagenknecht-Partei: Doppelspitze aus Mohamed Ali und noch nicht benannter Person geplant

Angeführt werden soll die noch namenlose Partei, die 2024 bei der Europawahl ihre erste große Bewährungsprobe haben will, von einer Doppelspitze, erklärt Wagenknecht. Diese bildet wahrscheinlich die bisherige Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali mit einer noch nicht benannten Person. Wagenknecht selbst will das nicht sein.

Inhaltlich gehe es um „vier Kernpunkte“. Dazu zähle „eine vernünftige Wirtschafts- und Energiepolitik, die unsere Industrie im Land hält.“ Zentral sei zudem die „soziale Gerechtigkeit“. Bei der Außenpolitik wünscht sie sich eine „Entspannungspolitik Willy Brandts“.

Der vierte Aspekt dürfte vor allem die Herzen vieler AfD-Wähler höherschlagen lassen. Denn Wagenknecht plant „die Verteidigung der individuellen Freiheit und die Ablehnung dieses neuen linksgrünen Autoritarismus, der den Menschen vorschreiben will, wie sie zu denken, zu reden, zu heizen, welches Auto sie zu fahren oder was sie zu essen haben“. Ihre „Analysen der woken Identitätspolitik“ lobte jüngst auch der ehemalige Grüne Boris Palmer.

Sahra Wagenknecht

Geboren: 16. Juli 1969 in Jena

Ausbildung: 1988 Abitur in Berlin, 1990 bis 1996 Studium der Philosophie und Neueren Deutschen Literatur in Jena, Berlin und Groningen, 2012 Promotion in Wirtschaftswissenschaften

Politische Karriere: 1989 Eintritt in die SED, später in PDS, Linkspartei PDS, Die Linke, seit 2009 im Bundestag, seit 23. Oktober 2023 parteilos

Privates: seit 22. Dezember 2014 mit Oskar Lafontaine verheiratet

Wagenknecht über Koalitionspartner: Aktuell kommen wohl nur SPD und Linke infrage

Wenig überraschend schließt Wagenknecht eine Koalition „mit Frau Baerbock und Herrn Habeck von den Grünen“ aus. Gleiches gelte für die AfD – „wegen ihres rechtsextremen Flügels“. Und offenbar auch für die Union: „Herr Merz steht leider nicht für einen starken Mittelstand, sondern vertritt den heutigen Blackrock-Kapitalismus.“ Allerdings habe es andere Zeiten in der ehemaligen Kanzler-Partei gegeben. Vergangenheit eben.

Offener zeigt Wagenknecht sich gegenüber der Partei, die aktuell mit Olaf Scholz den Regierungschef stellt: „Es ist denkbar, dass sich die SPD irgendwann wieder daran erinnert, wofür sie früher einmal stand, dann gäbe es große Gemeinsamkeiten.“ Mit ihrer Ex-Partei, aus der es immer wieder Kritik an ihrem Abgang gibt, sieht sie Übereinstimmungen bei den Themen Mindestlohn und Rente, allerdings: „Wir werden keine Asylpolitik mittragen, die die Zahlen noch weiter erhöht, und wir werden auch keinen radikalen Klima-Aktivismus unterstützen.“

Sicher sei auch, dass die neue Partei „irgendwann“ nicht mehr den Namen Wagenknecht tragen soll. Denn zur unendlichen One-Woman-Show sollen die monatelangen Anstrengungen eben auch nicht verkommen.

Amira Mohamed Ali stellt ihre Tasche auf einen Tisch, im Hintergrund geht Sahra Wagenknecht vorbei
Wird wohl auch in der neuen Partei Führungsfigur: Amira Mohamed Ali war zuletzt Fraktionschefin der Linken. © IMAGO / Emmanuele Contini

Wagenknecht über Russland-Nähe: „Ich gründe keine Pro-Putin-Partei“

Wie eine One-Man-Show am Leben gehalten wird, demonstriert seit Jahrzehnten Wladimir Putin in Russland. Dem Vorwurf, dem Kreml-Chef nahezustehen und nun im Grunde Moskaus Interessen als eigene Politik zu verkaufen, entgegnet Wagenknecht entschieden: „Selbstverständlich gründe ich keine Pro-Putin-Partei.“

Auch im Hinblick auf den vor dem Ukraine-Krieg wichtigen Wirtschaftspartner bemüht sie die Vergangenheit: „Ich verehre Tolstoi und Dostojewski, für den russischen Oligarchenkapitalismus habe ich keine Sympathie.“ Wagenknecht hält jedoch eine „wirtschaftliche und sicherheitspolitische Kooperation mit Russland“ für nötig.

Sie ist überzeugt: „Als rohstoffarmes Land profitieren wir davon. Und Russland ist eine Atommacht, Sicherheit in Europa gibt es nur, wenn Konflikte mit Russland diplomatisch gelöst werden.“ Auch das aber scheint Vergangenheit zu sein. (mg)

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