Macron ruft Neuwahlen aus – so schnell kann es auch in Deutschland gehen, wenn die Ampel platzt
Macron ruft Neuwahlen aus – so schnell kann es auch in Deutschland gehen, wenn die Ampel platzt
In Frankreich reagiert Präsident Macron nach der Europawahl 2024 mit Neuwahlen. Ist ein solches Szenario auch in Deutschland denkbar? Immerhin wackelt die Ampel mehr denn je.
Paris/Berlin – Frankreichs amtierender Präsident Emmanuel Macron hat mit seinem Mitte-Regierungsbündnis bei der Europawahl eine herbe Niederlage einstecken müssen. Macrons pro-europäisches Lager namens Renaissance kam auf nur etwa 15,2 bis 15,4 Prozent Stimmenanteil und liegt damit auf Platz zwei – mit großem Abstand hinter dem rechtsgerichteten Rassemblement National um Marine Le Pen (31,4 Prozent).
Noch am Sonntagabend reagierte Macron: Er kündigte er an, die Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen in zwei Wahlgängen einzuleiten. Sie sollen bereits am 30. Juni stattfinden, der zweite Wahlgang ist für den 7. Juli geplant.
Macron ruft Neuwahlen nach der Europawahl 2024 in Frankreich aus – und begründet Entscheidung
Die Herausforderungen Frankreichs erforderten Klarheit und die Franzosen verdienten Respekt. „Ich kann also am Ende dieses Tages nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre“, teilte Macron am Sonntagabend in Paris mit. Zwar sei jene Entscheidung über Neuwahlen im Parlament „ernst und schwer“, vor allem aber sei sie ein Zeichen des Vertrauens an das französische Volk, betonte Macron.
Nach Gesprächen mit dem Kabinett äußerte sich Macron am Montagmorgen erneut. Auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) schrieb Frankreichs Präsident: „Ich vertraue auf die Fähigkeit des französischen Volkes, die richtige Wahl für sich selbst und für künftige Generationen zu treffen.“ Macrons einziges Bestreben sei es, seinem Land nützlich zu sein.

Um seinen Posten als Präsident gehe es Macron bei seiner Entscheidung allerdings nicht. Mit dem riskanten Manöver hoffe er darauf, eine stabilere Mehrheit im Parlament für seine verbleibende Amtszeit zu schaffen. Die nächste Präsidentschaftswahl in Frankreich steht 2027 auf dem Programm.
„Jetzt Neuwahlen in Deutschland“: Söder richtet sich nach Europawahl 2024 an Ampel-Koalition
Doch nicht nur in Frankreich bedeuteten die Europawahl-Ergebnisse einen heftigen Rückschlag für die amtierenden Regierungsparteien. Nachdem die SPD mit nur 13,9 Prozent Stimmenanteil ein historisch schlechtes Ergebnis einfuhr und auch die Grünen (11,9 Prozent) gegenüber 2019 (20,5 Prozent) ganze 8,6 Prozent Wählerstimmen einbüßten, muss sich die Ampel-Koalition gegenüber dem Wahlerfolg von CDU/CSU (30,2 Prozent) und AfD (15,9 Prozent) beugen.
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Im Nachgang der Europawahl bewegte das desaströse Ergebnis der Ampel bereits einige Angehörige der politischen Landschaft Deutschlands dazu, auch hierzulande Neuwahlen zu fordern. Unter ihnen der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Fakt ist: Die Ampel ist abgewählt. Und ähnlich wie Macron Neuwahlen ausruft, müsste das jetzt Olaf Scholz machen, oder wie es damals Gerhard Schröder gemacht hat. Deswegen klare Forderung: Jetzt Neuwahlen in Deutschland“, forderte Söder am Sonntagabend in der Sendung „Europawahl 2024“ im ZDF.
Nach Europawahl-Klatsche der Ampel-Koalition: Welche Möglichkeiten Olaf Scholz theoretisch bleiben
Die Option, wie Macron das Parlament aufzulösen, bleibt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aber ohnehin nicht – schon allein, weil das politische System Deutschlands anders als in Frankreich keine Präsidialdemokratie ist. Ein Selbstauflösungsrecht des Bundestags ist damit ausgeschlossen.
Jedoch bliebe Scholz einerseits die Möglichkeit, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Mit ihr kann sich der Bundeskanzler vergewissern, ob er noch eine mehrheitliche Zustimmung im Bundestag hat. Findet eine Vertrauensfrage keine mehrheitliche Zustimmung, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag innerhalb von 21 Tagen auflösen – erst dann gäbe es Neuwahlen.
Solange der Bundespräsident dies nicht verfügt hat, kann der Bundestag aber auch das sogenannte konstruktive Misstrauensvotum nutzen: Im Falle einer absoluten Mehrheit könnte der Bundestag dann einen neuen Bundeskanzler wählen. Ist dieses Verfahren erfolgreich, wird der Bundestag aber nicht aufgelöst. Der aktuellen Rechtslage zufolge ist eine vorzeitige Beendigung der Legislaturperiode nur möglich, wenn es um die Wahl oder um das Vertrauen des Bundeskanzlers geht: Entweder, wenn die Kanzlerwahl scheitert (Art. 63, Abs. 4 GG), oder wenn die Vertrauensfrage abgelehnt wird. (Art. 68, Abs. 1 GG).
Union fordert von Scholz, Vertrauensfrage zu stellen – SPD will auf „Fehlersuche“ gehen
Söders Forderung schlossen sich auch Unionsfraktionsvize Jens Spahn und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann an. „Die Ampel ist einmal mehr abgewählt worden“, sagte Spahn in der ARD. Scholz habe in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr für seine Politik. Es bliebe aber die Frage, ob er diese überhaupt stellen sollte.
Linnemann forderte von den Regierungsparteien im ZDF-Morgenmagazin: „Die Ampel-Koalition muss einfach mal Politik für die Mehrheit dieses Landes machen.“ Dabei gehe es seiner Ansicht nach nicht um Themen wie Drogenliberalisierung, sondern darum, „ob Menschen sicher leben könnten“ und darum, dass ihr Arbeitsplatz und ihre Finanzen geschützt seien.
Die SPD kündigte an, nach der Europawahl auf „Fehlersuche“ gehen zu wollen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert räumte in der ARD ein, das Europawahlergebnis sei aus sozialdemokratischer Sicht „eine harte Niederlage“. Weiter sagte Kühnert, über die Person von Bundeskanzler Scholz gebe es aber keine Diskussion zu führen. Auch suche man in der SPD nicht nach einem Sündenbock. Einen Grund für das Ergebnis sieht er darin, dass die SPD als stärkste Kraft in der Koalition für Ordnung sorgen, gleichzeitig aber ihr Profil zeigen müsse. Kühnert richtete sich auch an SPD-Anhängerinnen und Anhänger: „Wir kommen zurück“, versprach er.(fh)