„Homonationale Partei“: AfD bei Schwulen laut Umfrage zur Bundestagswahl stärkste Kraft
Eine neue Umfrage zeigt, dass die AfD unter Homosexuellen vorne liegt. Trotz queerfeindlicher Politik. Wie passt das zusammen?
Frankfurt – Welche Partei wählen homosexuelle Menschen bei der Bundestagswahl 2025? Laut einer Umfrage der Datingplattform Romeo, die hauptsächlich schwule Männer nutzen, mehrheitlich die AfD. Das Portal fragte zwischen 24. Januar und 2. Februar 60.560 Nutzende, wen sie bei der anstehenden Wahl wählen würden. Von ihnen würden sich 27,9 Prozent für die AfD entscheiden.
Mit großem Abstand folgen in der Romeo-Umfrage die Grünen (19,9 Prozent), die CDU (17,6 Prozent) und die SPD (12,5 Prozent). Deutlich abgeschlagen die Linke (6,5 Prozent), das BSW (4,5 Prozent) und die FDP (3,6 Prozent). Schon bei einer Umfrage zur Europawahl im März 2024 landete die AfD bei homosexuellen Menschen mit 22,3 Prozent auf dem ersten Platz.
Diese hohe Zustimmungsrate unter schwulen Menschen verwundert. Schließlich fällt die in Teilen rechtsextreme Partei immer wieder auch durch Queer- und Homofeindlichkeit auf, spricht etwa im Wahlprogramm vom „Trans-Gender-Hype“ und hat zahlreiche Mitglieder, die sich noch vor einigen Jahren offen homophob geäußert haben. Warum wählen queere Menschen die AfD trotzdem?
Romeo-Umfrage: Warum wählen schwule Menschen die AfD?
Der AfD-Wähler-Experte Andreas Hövermann vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) ist skeptisch, ob Umfragen wie die von Romeo überhaupt repräsentativ sind. Eine große Teilnehmeranzahl sei noch kein Kriterium für eine gute und repräsentative Umfrage. Vor allem nicht, wenn sie, wie bei einer Dating-Plattform etwa, auf eine so spezifische Zielgruppe beschränkt sei, sagte er BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA im März 2024 über die damals von Romeo durchgeführte Umfrage.
Ob also tatsächlich 28 Prozent aller schwulen Menschen in Deutschland die AfD wählen würden, ist fraglich. Dennoch sei es nicht verwunderlich, dass die in Teilen rechtsextreme Partei auch in dieser Bevölkerungsgruppe Zuspruch erhaltet, sagte uns die Kultur- und Politikwissenschaftlerin Katharina Hajek, die an der Universität Koblenz Geschlechterpolitiken und Anti-Genderismus im Rechtspopulismus unterrichtet 2024.
„Die AfD ist kein monolithischer Block, sondern beherbergt bis heute unterschiedliche Strömungen“, sagte sie BuzzFeed News Deutschland. „Während Rechtsnationale und -radikale wie Höcke offen homophob auftreten, gibt es auch offen schwule Aktivisten und Gruppierungen in der AfD. Schwul und rechts sein schließen sich nicht aus.“ Das zeigen auch offen homosexuelle AfD-Politiker wie Kay Gottschalk, Sven Tritschler und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, die sich selbst aber als „nicht queer“ bezeichnete.
AfD positioniert sich als „homonationale Partei“
„Die AfD positioniert sich spätestens seit der ‚Kölner Silvesternacht‘ von 2015 als homonationale Partei. Das heißt, sie forciert ein Narrativ, wonach Frauenfeindlichkeit, sexualisierte Gewalt und eben auch Homophobie ‚importierte‘ Probleme wären, die mit der Migration vor allem junger muslimischer Männer nach Deutschland kämen“, sagt Hajek BuzzFeed News Deutschland.
Dadurch vereine die AfD geschickt Geschlechterpolitik mit Migrationspolitik. Besonders Alice Weidel bediene das Narrativ der „vermeintlich rückständigen, muslimischen Anderen“ als lesbische Frau immer wieder, indem sie etwa angebe, sich manchmal auf dem Nachhauseweg mit ihrer Frau nicht mehr sicher vor Übergriffen und Straßengewalt zu fühlen. Einige queere Menschen könne das überzeugen, die AfD zu wählen, glaubt die Kulturwissenschaftlerin.
Alice Weidel verkauft Abschiebungen als „Lösung für homophobe Gewalt“
„Eine restriktivere Einwanderungspolitik und Abschiebungen werden als Lösung für homophobe Gewalt verkauft“, so Hajek. Das widerspreche natürlich allen Statistiken zu sexualisierter Gewalt, auch der gegen queere Menschen. 2023 wurden laut Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) 1052 hassmotivierte Straftaten gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen registriert. Davon waren 372 rechts motiviert, 39 religiös, 35 ausländisch, 35 links und 571 waren nicht zuzuordnen. 808 der Tatverdächtigen waren deutsch und 194 nicht-deutsch.
Gewalt und Migration hängen nicht zusammen, bestätigen mehrere Kriminologen bei BuzzFeed News Deutschland. „Die Gewaltkriminalität war zwischen 2007 und 2019 insgesamt deutlich rückläufig, und das bei einem erheblichen Anstieg des Migranten-Anteils in der Bevölkerung in diesem Zeitraum. Das kann man festhalten, da das manchmal völlig falsch dargestellt wird“, sagt Christian Walburg von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster.