Sie wollen sich nicht abhängen lassen: die Absolventen der Praxisklasse in Dorfen

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Stolz auf die Zeugnisse (v.l.): Klassleiter Tobias Zollner, Zena El- Jammal, Fatemeh Ghazizada, Yunes Ghazizada, Emir Avdic, Simon Tröstl, Josef Hartwich (sozialpädagogische Betreuung), Damjan Trajkovski und Mohammad Ghazizade; nicht auf dem Foto: Samy Houamed. © Michaele Heske

Die Absolventen der Praxisklasse an der Mittelschule Dorfen beschreiten einen Erfolgsweg. Mit dem „theorieentlasteten Abschluss“ konnten sie ihre Chance wahren.

Dorfen – Acht Schüler aus der Praxisklasse der Mittelschule Dorfen freuen sich über ihre Abschlusszeugnisse. Ihre Entlassfeier feierten die Absolventen im kleinen Rahmen, so der Wunsch der Jungen und Mädchen. Sie könnten sehr stolz auf sich sein, sagt Sozialpädagoge Josef Hartwich. Geometrie und Grammatik war eher nicht die Stärke der Mädchen und Buben, dafür besitzen sie aber handwerkliche Qualitäten, die sie während des Schuljahrs in zahlreichen Praktika unter Beweis gestellt haben.

Seit fünf Jahren gibt es an der Mittelschule Dorfen die Praxisklasse. „Der Bedarf ist da“, weiß der Sozialpädagoge, der sich um jene Schüler kümmert, die nicht den schulischen Leistungsanforderungen entsprechen und ohne weitere Förderung nur wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. „Mit einem Mittelschulabschluss fallen die jungen Leute nicht durchs Raster.“ Über 90 Prozent der Absolventen finden einen Ausbildungsplatz oder starten ihre berufliche Laufbahn in einer individuellen, berufsvorbereitenden Maßnahme.

Fatemeh Ghazizada hat jetzt nicht nur ihr Zeugnis in der Tasche, sondern auch den Ausbildungsvertrag als zahnmedizinische Fachangestellte. „Ich habe mehrere Praktika gemacht“, erzählt sie. In einer Zahnarztpraxis in Erding konnte sie mit Engagement und Zuverlässigkeit punkten. Emir Avdic will Handwerker werden, Damian Trajkovski hofft nach einem weiteren Praktikum auf eine Anstellung bei einem Discounter. Den Quali strebt die 14-jährige Zena El-Jammal an, denn auch das ist möglich.

Eines haben die Schüler gemein: Sie möchten sich nicht abhängen lassen, sondern im Leben etwas erreichen – obwohl sie im Schulalltag oft an ihre Grenzen gestoßen sind und dadurch demotiviert wurden. „Erfolgserlebnisse sind wichtig – denn wer gelobt wird, lernt auch, dass er gut ist. Das spornt an“, erklärt Hartwich.

Die Schüler verlassen die Mittelschule mit einem „theorieentlasteten Abschluss“, erklärt Klassenlehrer Tobias Zöllner das System. Viele Fächer sind aus dem Lehrplan gefallen, die Anforderungen wurden individuell zugeschnitten. Dafür haben die jungen Leute bis zu zehn Praktika hinter sich sowie ein Bewerbungstraining. Die Schule steht im engen Austausch mit Handwerksbetrieben und Einzelhändlern, der Agentur für Arbeit und anderen Bildungsträgern. „Schwierig wird es dann nochmal in der Berufsschule“, fügt Zöllner an.

Sozialpädagoge Hartwich hält dagegen. „Mit jedem Jahr werden die jungen Leute auch reifer und können etliche Defizite aufholen.“ Oft gebe es Sprachbarrieren, manchmal aber auch Probleme in den Familien. „Wir bauen Brücken – rübergehen müssen die Schüler alleine“, so sein Leitspruch.

In die Praxisklasse in Dorfen gehen insgesamt bis zu 30 Schüler. Die Mädchen und Buben kommen aus Dorfen, Taufkirchen, Isen und St. Wolfgang. Im kommenden Schuljahr werden wieder acht Plätze frei. „Es wäre wünschenswert, wenn alle Mittelschulen eine Praxisklasse anbieten würden“, sagt Hartwich. „Da kann man schon vieles auffangen.“ In Oberbayern gibt es lediglich 29 Schulen, die dieses Angebot im Programm haben, eine davon ist die Mittelschule am Lodererplatz in Erding.

Denn auch an sozialen Kompetenzen wird in der Praxisklasse gearbeitet, etwa bei Projekten im Marienstift, wo die Schüler Hochbeete bauen. Oder beim Kochen in der Schulküche. Bei der Entlassfeier gab es Pizza, die übrigens hervorragend schmeckte. Ein weiteres Beispiel dafür, dass es bei Rezepten um die richtige Würze und nicht um ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse geht.

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