Gesundheitswissenschaftlerin verrät - Wie wir unser Immunsystem stärken und „selbst unsere besten Behandler“ werden
Aber der Stress hat seine Ursachen irgendwo, außerhalb unseres Körpers?
Paul: Wir können vielleicht nicht die Außenfaktoren verändern, aber unsere innere Bereitschaft dafür. Wenn Sie wissen, dass Sie an einem Formel-1-Rennen teilnehmen, müssen Sie sich auch darauf vorbereiten, den Reifendruck kontrollieren, das Öl nachfüllen, die Stoßdämpfer testen. Ähnlich kann man das Immunsystem widerstandsfähiger machen, schon bevor ein Infekt zuschlägt.
„Ein Spaziergang im Wald steigert die Zahl der Killerzellen“
Was schlagen Sie vor?
Paul: So seltsam das klingen mag – ganz wichtig ist die Regulation unserer Gefühle. Das kann man trainieren. Wenn man sich von Wut oder Aggression überwältigen lässt, ist das ungesund und belastend. Ein Spaziergang im Wald hingegen, das haben Studien nachgewiesen, steigert die Zahl der Killerzellen – obwohl das so eine sanfte Aktion ist. Natur, aber auch gute soziale Einbindung, beschleunigen die Wundheilung. Und natürlich Entspannung.
Gezielte Entspannung fällt vielen Menschen besonders schwer.
Paul: Es ist aber einer der effektivsten Wege zur Gesundheit und gar nicht so schwer zu lernen. Der Kardiologe Herbert Benson aus Harvard hat eine Methode entwickelt, hauptsächlich über Atemtechniken, die Stresskaskaden des Körpers bewusst quasi umzudrehen und wieder in die Ruhe zu kommen: die „Relaxation Response“. Oder Jon Kabat-Zinn mit seiner Achtsamkeitslehre, einer säkularisierten Form der Meditation. Es gibt sehr viele Studien, die den Erfolg dieser Arbeit zeigen.
Mind-Body-Expertin: Meditation beruhigt den Körper und führt zu weniger Depression
Wie kann das funktionieren, wenn man doch eigentlich nichts anderes macht als still dazusitzen?
Paul: Was dabei passiert ist, dass beim bewussten Atmen und Fokussieren der älteste und instinktgesteuerte Teil des Gehirns, die Amygdala, zuständig für Angst und Begierde, mit dem jüngsten Teil, der analytischen Hirnrinde, in eine neue Beziehung tritt. Pet-Scans zeigen die vielen Veränderungen, die das auslöst. Andere Regionen werden aktiviert, andere Botenstoffe ausgeschüttet, die Stressachsen, die über den ganzen Körper laufen, beruhigen sich. Mittelfristig führt Meditation außerdem zu weniger Depression und – verbesserter Immunaktivität. Sogar die Zellalterung wird gebremst.
Wie bringen Sie Ihre Patienten dazu, sich gesundheitsbewusster zu verhalten?
Paul: Wir informieren und diskutieren, dann üben wir gemeinsam. Wenn die Patienten zum ersten Mal die Erfahrung machen, dass sie Einfluss auf ihren Körper haben, dann ist das ein riesiges Aha-Erlebnis. Wissenschaftlich nennt man das „Selbstwirksamkeit“, allein diese Bestätigung zeigt sich in veränderten Körper-Parametern. Wir haben – in Kombination mit der Naturheilkunde – große Erfolge bei Patienten mit schweren chronischen Erkrankungen, bei denen die konventionelle Medizin nicht weiterkam. Gewusst wie – dann sind wir selbst unsere besten Behandler!
Die neue Ausgabe des FOCUS Magazins „Gesund durch den Herbst. So stärken Sie Ihr Immunsystem“ ist seit Freitag in den Kiosken erhältlich.