Renten-Schummel: Niedrigere Beiträge sind möglich – wenn der Staat seine Rechnungen zahlt

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Jeden Monat zahlen Millionen Versicherte in die Rentenkasse ein. Das ist teuer - die Rentenbeiträge könnten aber niedriger sein, wenn der Staat tun würde, was er verspricht.

Berlin – Der Staat ist knapp bei Kasse, das hören wir in diesen Tagen unentwegt. Der neue Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) will von allen Ressorts der Bundesregierungen Sparvorschläge sehen, im Sommer sollen die Haushalte für 2025 und 2026 vorgelegt werden. Gleichzeitig plant die Koalition auch nochmal Leistungsausweitungen bei der Rente, zum Beispiel durch die Mütterrente III oder durch die Stabilisierung des Rentenniveaus. Laut Koalitionsvertrag sollen diese Pläne aus Steuergeldern finanziert werden. Doch es gibt guten Grund zu glauben, dass am Ende doch die Versicherten zahlen.

Kürzungen an der Rente: Bundesregierung zahlt nicht für ihre Forderungen

Denn schon seit Jahren kommt der deutsche Staat seinen bestehenden Rechnungen nicht nach – geschweige denn den neuen. Die Rede ist von den sogenannten „nichtbeitragsgedeckten Leistungen“, also jenen Leistungen der Rentenkasse, die als gesamtgesellschaftliche Aufgaben verstanden werden und daher aus Steuermitteln zu finanzieren sind. Dazu gehören zum Beispiel die Mütterrente I und II, die Rente für besonders langjährig Versicherte (sog. „Rente mit 63“), Ausgleichsrenten für Rentenansprüche aus der ehemaligen DDR oder die Grundrente.

Um diese Leistungen zu decken, zahlt der Bund jedes Jahr einen Zuschuss an die Deutsche Rentenversicherung (DRV). 2023 kosteten diese Leistungen laut DRV 124,1 Milliarden Euro – der Staat hat aber nur 84,3 Mrd. Euro als Bundeszuschuss gewährt. Die Differenz von 39,8 Mrd. Euro zahlt: Der Beitragszahler, also Versicherte und ihre Arbeitgeber.

In den letzten Jahren ist der Zuschuss des Bundes sogar gekürzt worden, aufgrund der Haushaltslage. Für die Jahre 2022 bis 2025 hat die Ampel-Koalition pro Jahr 500 Millionen Euro an Zuschuss gestrichen, also zwei Milliarden Euro. Weitere Zuschüsse (sog. „Erhöhungsbeiträge“) wurden ebenfalls gekürzt, um weitere 1,2 Mrd. Euro. Die Ampel hätte auch nochmal Kürzungen vorgenommen, wenn sie nicht geplatzt wäre – so war es im Haushalt 2025 vorgesehen.

Beiträge für die Rente steigen - könnten aber schon heute niedriger sein

Die Beiträge in die Rentenkasse könnten also jetzt niedriger ausfallen, wenn der Staat seinen Aufgaben gerecht werden würde. Auch das Rentenniveau würde laut DRV höher ausfallen. Nach Angaben von Imke Brüggemann-Borck, Leiterin des Dezernats „Finanzierung und Verteilung“ bei der DRV, könnte der Beitragssatz 0,2 Prozent niedriger sein als er jetzt ist, wenn die Bundeszuschüsse auch das abdecken würden, was sie eigentlich sollten. Aktuell liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent des Bruttolohns, hälftig geteilt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Und: „Weitere Kürzungen führen immer zu Beitragserhöhungen“, so Brüggemann-Borck.

Die DRV fordert also von der Bundesregierung, dass sie endlich ihren Aufgaben sachgerecht nachkommt. Vor allem, wenn sie die Leistungen noch mehr erweitern will, wie die Mütterrente. Die Mütterrente I und II machen ohnehin schon einer der größten Posten der nichtbeitragsgedeckten Leistungen aus: 20,3 Mrd. Euro zahlte die Rentenversicherung im Jahr 2023 an Eltern, die vor 1992 Kinder bekommen haben, aus. Die Mütterrente III soll nach dem Willen der neuen Bundesregierung diesen Betrag um weitere rund fünf Mrd. Euro jährlich erhöhen.

Deutscher Staat senkt seine Beteiligung an der Rente seit 2010 kontinuierlich

Ein Grund, warum der Bundeszuschuss nicht die Leistungen, die nicht aus Beitragsgeldern finanziert werden sollten, nicht ausreicht, liegt aber auch an der Definition – oder an ihrer Nicht-Definition. Es ist nicht klar definiert, was alles unter die nichtbeitragsgedeckten Leistungen fallen sollte. So ist es zum Beispiel strittig, ob Waisenrenten durch Beiträge finanziert werden sollten oder durch die Gesamtgesellschaft. Gleiches gilt für die Ost-Renten und den Ost-West-Transfer, was immerhin 36,4 Mrd. Euro im Jahr 2023 ausmachte.

Seit einigen Jahren sinkt auch die Beteiligung des Bundes an den Renten insgesamt ab. Blickt man rein auf die Zahlen, dann steigen die Bundesmittel zwar: von gut 80 Mrd. Euro im Jahr 2010 auf mittlerweile 117 Mrd. im Jahr 2024. Doch verglichen mit den Beitragseinnahmen sinkt der Anteil: 2010 kam der Bund noch für rund 24 Prozent des Geldes der Rentenkasse auf, heute sind es 22,1 Prozent. Und das, obwohl die Leistungen immer mehr ausgeweitet wurden.

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