Krankenhausreform: Allgäuer Klinikchefs diskutieren mit Ex-Gesundheitsminister Klaus Holetschek
Zahlreiche wichtige Gesetzesvorhaben sind dem Ampel-Aus zum Opfer gefallen. Nicht so die Krankenhausreform. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat das Gesetzesvorhaben in den letzten Monaten förmlich durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht. Die Verantwortlichen der Allgäuer Kliniken hätten auf dieses letzte Aufbäumen der Koalitionäre gern verzichtet.
Kaufbeuren/Allgäu – Vergangene Woche haben sie sich mit dem bayerischen Ex-Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) im Klinikum Kaufbeuren getroffen, um zu beraten, wie es nach den Wahlen weitergehen kann: Gemeinsam machten Andreas Ruland, Geschäftsführer des Klinikverbunds Allgäu, und Andreas Kutschker, Vorstand der Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren, deutlich, dass die Krankenhäuser im Allgäu in höchstem Maß verunsichert darüber seien, wer künftig welche Leistungen anbieten könne.
Eine auch nur mittelfristige Planung sei durch den geplanten, straffen Zeitplan unmöglich, brachte Kutschker seine bereits gegenüber unserer Zeitung geäußerte Kritik auf den Punkt. Verstärkt werde dies durch das intransparente Bewertungsverfahren, das darüber entscheidet, welche Abteilung einer Klinik wie gut ausgestattet sein wird.
Dabei wolle er die Notwendigkeit der Reform gar nicht bestreiten, nur sei beim Ergebnis von „Wow“ bis zu „absolute Katastrophe“ alles möglich. Und zumindest in einigen Bereichen gingen die Anzeichen eher in Richtung Katastrophe: So werde es nach den bestehenden Plänen südlich von Augsburg keine stationäre Behandlung sowohl im Bereich Hals-Nasen-Ohren-Medizin als auch in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie geben. Dass dann ein Mensch, der bei einem Unfall etwa in Pfronten schwerste Gesichtsverletzungen erleidet, rechtzeitig behandelt werden kann, bezweifelte auch die Vorsitzende des ärztlichen Kreisverbands Marlene Lessel.
Ein anderes Problem schilderten Chefärzte aus dem Klinikum Kaufbeuren: Dadurch, dass an kleineren Kliniken nur ein sehr begrenztes Spektrum an Operationen durchgeführt werde, fielen diese für eine qualifizierte Facharztausbildung aus – mit der Konsequenz, dass sich in den kleinen Kliniken der Ärztemangel verschärfe und die Unikliniken mit der Ausbildung heillos überfordert seien.
Risiko für die Branche
Einen dritten Aspekt brachte der Pflegedirektor des Klinikums Kaufbeuren, Axel Wagner, ein. Durch Klinikschließungen gehe Pflegepersonal verloren. Die Schließung des Klinikums in Schongau habe gezeigt, dass viele Pfleger weder in einem benachbarten Klinikum noch bei einem Pflegedienst oder Heim weiterarbeiten, sondern den Pflegeberuf komplett aufgeben.
Eine andere Ursache für die Verschärfung des Pflegenotstandes machte der Ärztliche Direktor des Bezirksklinikums Kaufbeuren, Albert Putzhammer, aus. Das Medizincontrolling sei bei den Bezirkskliniken Schwaben mittlerweile in der Verwaltung der Bereich mit den meisten Beschäftigten. Viele seien ehemalige Pflegekräfte. Diese müssten jetzt, statt sich um die Patienten zu kümmern, dafür sorgen, dass die Krankenkasse den Kliniken die richtige Menge Geld überweist. Hier sieht Putzhammer ein Potential an Entbürokratisierung und Einsparungen.
Der Gast, CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek, dankte Ärzten und Pflegepersonal für ihren Einsatz und teilte die geäußerten Bedenken. Für ihn gehe es nach der Wahl zuallererst darum, die Kliniken für die Übergangszeit der Reform finanziell zu stabilisieren. Damit müsse Zeit gewonnen werden, um gemeinsam mit den Kliniken und Trägern ein Konzept zu erarbeiten, wie eine optimale Patientenversorgung unter veränderten Rahmenbedingungen gesichert werden kann. „Dazu muss die Krankenhausreform an mehreren Stellen dringend nachjustiert werden“, fordert Holetschek.
Dem pflichteten die Ostallgäuer Landrätin Maria Rita Zinnecker und Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse bei. Die Reform habe den ländlichen Raum komplett übersehen. Sie finde keine Antwort auf die Frage, wie dort die Grund- und Notfallversorgung sichergestellt werden kann.
Alle Anwesenden waren sich einig, dass Strukturveränderungen für eine gute Patientenversorgung dringend nötig seien. Nicht nur finanzielle Gründe, sondern auch der durch die Alterung der Gesellschaft verursachte Fachkräftemangel mache Konzentration und Vernetzung unumgänglich.
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