Bürgergeld-Empfänger verschweigt neuer Arbeitgeberin wichtiges Detail – „Denke, dass sie Verständnis haben wird“
Was muss der Chef über eine potenzielle neue Arbeitskraft wissen? Was darf er fragen? Die Fragen beschäftigen auch einen Bürgergeld-Empfänger aus „Hartz und Herzlich“.
Mannheim – Entgegen so mancher Vorurteile gibt es Bürgergeldempfänger, die sich nichts mehr wünschen, als einfach wieder arbeiten zu können. Einer davon ist der 22-jährige Pascal, dessen Leben bei der RTL2-Dokusendung „Hartz und Herzlich“ porträtiert wird.
In einer der älteren Folgen, die derzeit auf dem Sender wiederholt werden, findet er auf dem kurzen Dienstweg neue Arbeit. So ganz offen ist er gegenüber seiner neuen potenziellen Chefin aber nicht. Während der Folge drängt sich die Frage auf: was müssen Arbeitsuchende Arbeitgebern von sich erzählen?
„Hätte direkt ‚Nein‘ gesagt“: Bürgergeld-Empfänger verschweigt Chef wichtiges Detail
Große finanzielle Not treibt die Jobsuche des jungen „Hartz und Herzlich“-Protagonisten an. Mit einem Berg Schulden im Nacken, will der 22-Jährige dringend wieder Geld verdienen. Ein Bekannter stellt den Kontakt zu einer Besitzerin einer Reinigungsfirma her, die händeringend nach Arbeitskräften sucht. Für Pascal scheint sich alles zu fügen, am Telefon verabreden sich die beiden fix zu einem Probearbeiten. Wie die Arbeit genau aussehen soll, wisse er nicht, wie er vor der Kamera seiner Mutter gegenüber zugibt.

Ob er der Frau denn gegenüber auch ehrlich gewesen ist, will die Mama in dem Gespräch wissen. Es kommt zum Streit. Was er der Arbeitgeberin verschwiegen hat: Pascal hat eine schwere Einschränkung beim Gehen. Aufgrund von schlimmen Komplikationen in seiner Kindheit gilt er heute bis zu 80 Prozent als behindert – und damit als schwerbehindert. Schon ab 30 Prozent gibt es steuerliche Vorteile.
„Wenn ich ihr das direkt am Telefon gesagt hätte, dann hätte sie ‚Nein‘ gesagt“, verteidigt Pascal seine Entscheidung, seine körperlichen Defizite zu verheimlichen. Langes Stehen bereitet ihm Probleme, auch schwer heben kann er nicht. Seine künftige Chefin müssen wissen, woran sie ist, appelliert Beate an ihrem Sohn. „Wenn ich den Vertrag unterschrieben habe, kann ich es ihr sagen“, so der Bürgergeld-Empfänger. „Ich will ja arbeiten und ich denke, dass die Frau dafür Verständnis haben wird.“
„Recht zur Lüge“: Bewerber müssen Einschränkungen nicht offenlegen, mit einer Ausnahme
Hätte der „Hartz und Herzlich“-Protagonist seinen neuen Arbeitgeber über seine Einschränkungen informieren müssen? Grundsätzlich besteht rechtliche keine Verpflichtung, als Arbeitnehmer dem Vorgesetzten seine Behinderung offenzulegen, heißt in einem Infotext der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH). Doch: „Eine Ausnahme besteht dann, wenn sich die Behinderung auf den Arbeitsplatz auswirken kann“.
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Ausnahme beim Bewerbungsgespräch
Ist eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eine entscheidende Voraussetzung für einen konkreten Arbeitsplatz, so darf der Arbeitgeber den Bewerber konkret darauf ansprechen und fragen. Beispiel: Wenn im Beruf schwere und gefährliche Maschinen bedient werden müssen.
Quelle: BHI
Doch wann ist das der Fall? Und wie sollen Arbeitsuchende richtig einschätzen können, wenn sie vor dem Bewerbungsgespräch noch gar nicht genau wissen, wie ihre Aufgaben aussehen sollen? Seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) 2006 darf ein Arbeitgeber Bewerber nicht aufgrund deren körperlichen, wie geistigen Voraussetzungen diskriminieren. Nach etwaigen Einschränkungen fragen darf er im Normalfall ebenso nicht, wie nach der Familienplanung oder Religion des Bewerbers. Der Arbeitssuchende dagegen hat das „Recht zur Lüge“, falls er dennoch darauf angesprochen wird, wie der BIH schreibt.
Um Vertrauen nicht zu erschüttern: Sozialverband rät zu Offenheit
„Eine Pauschallösung gibt es hier nicht“, schreibt der Sozialverband VdK Deutschland zu dem Thema. Oftmals fürchten beeinträchtige Menschen vorschnell von Arbeitgebern abgelehnt zu werden. Dennoch rät der Sozialverband zu Offenheit. Bestünde eine offensichtliche Einschränkung und muss befürchtet werden, dass diese Probleme bereitet, der Arbeit erwartungsgerecht nachzugehen, „sollte sie nicht verschwiegen werden“, heißt es. Um das Vertrauensverhältnis nicht zu belasten.
„Viele Unternehmen sind überfordert, wenn sie ohne Vorwarnung mit einer sichtbaren Behinderung konfrontiert werden“, schreibt der Sozialverband weiter. Außerdem könne sich der Arbeitgeber sonst fragen, wieso der Bewerber geschwiegen habe und ob er sonst noch etwas verheimlichen wolle.
Tut er es doch, und es stellt im Nachhinein heraus, dass der Bewerber aufgrund seiner Voraussetzung einer bestimmten, für die Arbeit essenziellen Tätigkeit nicht nachgehen kann, kann der Arbeitgeber aufgrund von mutmaßlicher Täuschung den Arbeitsvertrag anfechten. (rku)