Beliebt bei konservativen Chinesen - Bizarrer Fankult um „Eiserne Lady“: Warum Weidel in China wie ein Star gefeiert wird
Die Arbeit wurde 2011 mit „magna cum laude“ ausgezeichnet. Plagiatsjäger konnten ihr keine schwerwiegenden Verstöße nachweisen. All das müsste Weidel in der Öffentlichkeit oder mindestens in der PR-Arbeit der AfD zur China-Expertin machen. Aber man hat sich offenbar entschieden, diese Verbindung eher wenig zu thematisieren.
So wurde eine Delegationsreise nach China im Sommer 2023 denn auch bewusst nicht als „Rückkehr“ etikettiert, sondern als „sehr guter erster Aufschlag". Weidel sei nur eine von vielen Politikerinnen aus dem Westen, die auf gute Beziehungen mit China hofft, mehr nicht. Ihre offizielle China-Politik will sie als realistisch verstanden wissen. Heißt: nicht zu viel Abhängigkeit, aber auch nicht zu viel Misstrauen – besonders nicht in einem umfänglich ideologischen Sinne, wie in den USA.
Warum aber spricht Weidel nicht ausführlicher über ihre Zeit in China? Hat sie Sorge, dass ihr dies politisch zum Nachteil werden könnte – vor allem im Hinblick auf den Skandal um den AfD-Europapolitiker Maximilian Krah? Glaubt sie, dass ihr ihre Vergangenheit als Angehörige einer kosmopolitischen Wirtschaftselite bei AfD-Wählern oder Parteigenossinnen nicht gut ankommen könnte?
China-Erfahrungen als „Grundstein" von Weidels Erfolg
Tatsache ist: Für ihre chinesischen Anhänger ist gerade Weidels Zeit in China ein Riesenthema. „Weidel wird aufgrund ihres einzigartigen Hintergrunds und ihrer politischen Haltung zu einer starken Anwärterin auf das Amt der deutschen Bundeskanzlerin“, heißt es in einem Nachrichtenartikel auf Tencent. „Noch wichtiger ist, dass sie sechs Jahre lang in China gelebt hat.“ Ihre China-Erfahrungen sei Weidels einzigartiger Vorteil, habe sie dort doch ein tiefgreifendes Verständnis für das chinesische Wirtschaftsmodell entwickelt. Diese Perspektive „habe den Grundstein für ihren späteren Aufstieg in der deutschen Politik gelegt.“
Lernen von China, eine Grundlage für Weidels Erfolg. Diese Argumentationslinie findet sich in vielen Artikeln wieder. Weidel habe in China einen Hype ausgelöst, schreibt ein Kommentator namens Bi Dianlong, der 86.000 Follower hat. Weidel sei sich bewusst, „ dass die grundlegende Ursache für die derzeitige wirtschaftliche Rezession in Deutschland die ‚Entkopplung‘ von China ist. Nur durch die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit China können die Volkswirtschaften Deutschlands und Europas gerettet werden."
Es ist eine Hoffnung, die sich in vielen Artikeln findet: Dass da nun endlich eine Politikerin auf die politische Bühne getreten ist, die für enge Beziehungen zu China stehe. Bi Dianlong schreibt: „ Der Westen braucht pragmatische Politiker wie Weidel, die im Interesse ihrer Länder handeln. “ Oder eben in dem von China. „Die chinesischen Medien neigen dazu, solche Politiker zu loben, die einen China-Bezug haben, scheinbar chinafreundlich und gleichzeitig dem Westen gegenüber kritisch sind“, sagt eine in den Staatsmedien tätige Journalistin, die mit Table.Briefings über das Phänomen gesprochen hat, aber anonym bleiben will. „Viele Menschen lassen sich von einseitigen Medienberichten und den Etiketten, die ihr zugeschrieben werden, beeinflussen, was zu einer blinden Sympathie für sie führt.“
Chinesen reden gerne über Politik – im Ausland
Viele Autoren loben explizit die „pragmatischen“ politischen Einstellungen Weidels. „Das Internet in China ist eine braune Suppe“, sagt Maxine Zhou. Auch diskutiert man in einem Land, in dem die Zensur allgegenwärtig ist, lieber über internationales politisches Personal. „Chinesen reden eigentlich sehr gerne über Politik“, sagt Maxine Zhou. „Da das in China schwierig ist, unterhält man sich eben über ausländische Politiker.“
Und darin liegt wohl auch ein Grund für die Faszination für die blonde deutsche Politikerin. Hier ist es erlaubt zu diskutieren, zu mutmaßen und auch mal kontroverse Meinungen laut kundzutun. Weidel ist dabei viel bekannter als vergleichbare internationale Politiker wie etwa Giorgia Meloni oder Marine Le Pen. Ein Grund dafür dürfte sein, dass sie in China als sehr attraktiv gilt.
Viele Autoren attestieren Weidel gute Chancen aufs Kanzleramt. Kommentatoren unter den Artikeln und Meinungsbeiträgen flankieren dies begeistert: „Unterstützen Sie Weidel. Ich hoffe, sie kann etwas Sonnenschein und frische Luft in die leblose deutsche politische Szene tragen, so wie ihre Schönheit einen Hauch frischer Luft bringt." Ein anderer schreibt: „Ich hoffe, dass sie gewählt wird. Mit ihrer Erfahrung aus China wird sie Deutschland mit Effizienz und Entscheidungskraft zum Wohle der Menschheit regieren."
Fan-Kunstwerke und Kritik
Es gibt auch zahlreiche AfD- und Alice-Weidel-Accounts auf Videoplattformen wie Bilibili, die zwar keine offiziellen AfD-Kanäle sind, deren Inhalte aber oft eins zu eins verbreiten. Auf Xiaohongshu , auf Englisch auch als RedNote bekannt, ist die Schwärmerei für Weidel dabei am deutlichsten spürbar, wobei die Fan-Kultur bisweilen groteske Züge annimmt. Es gibt Slideshows mit Jugendfotos und Schnappschüsse mit Weidels Ehefrau Sarah Bossard. Ihre sexuelle Orientierung ist dabei in der Regel nichts, was sie in den Augen der chinesischen Nutzer disqualifizieren würde. Zumindest in den Augen jüngerer Nutzer auf den sozialen Medien. In offiziellen Artikeln wird Weidels Sexualität nur sehr selten zum Thema gemacht.
Ein besonders obskurer Account aus der Provinz Shaanxi postet selbstgemachte Manga-Zeichnungen von Weidel und Höcke und selbstgemachte Puppen, die Weidel darstellen sollen. So obsessiv ist natürlich nicht jeder. Aber Weidel ist den Chinesen, vor allem den jungen, ein Begriff. Es ist ein wenig, als würden deutsche Jugendliche auf Tiktok über Verwerfungen und Ernennungen innerhalb des chinesischen Politbüros diskutieren – was tatsächlich kaum vorstellbar ist.
Auf Chinas Social-Media-Kanälen gibt es aber durchaus viel kritische Auseinandersetzung mit Weidel und der AfD. „ Manche Chinesen sollten sich nicht einer Gehirnwäsche unterziehen lassen und denken, Weidel sei prochinesisch, nur weil sie ein paar Jahre in China gelebt hat “, schreibt etwa User Momo am 9. Februar in einer Diskussion auf Xiaohongshu, in der es um den deutschen migrationslastigen Wahlkampf geht.
Auch Thomas Derksen, alias 阿福Thomas, der wohl bekannteste deutsche Influencer in China , fühlte sich durch die Popularität Weidels genötigt, an der Diskussion teilzunehmen – und das, obwohl er sich sonst explizit als unpolitisch bezeichnet. So weist er in einem Frage-Antwort-Video unter anderem auf Weidels Großvater Hans Weidel hin, der während des Dritten Reichs Militärrichter und SS-Mitglied war. Man könnte es als Warnung verstehen, was da noch alles kommen könnte.
Von Angela Köckritz, Fabian Peltsch