Moosburger Jugendhaus hat ersten Gaming-Raum im Landkreis - und damit noch große Pläne
Teenager sind begeistert, Sozialpädagogen stolz: Das Moosburger Jugendhaus betreibt den ersten Gaming-Raum im Landkreis. Der Aufwand dafür war enorm.
Moosburg – Es ist schwer, ein zusammenhängendes Gespräch mit Stephan Zimny zu führen. Was nicht an dem redefreudigen Sozialpädagogen liegt, oder an der Hip-Hop-Musik im großen Hauptraum des Moosburger Jugendhauses (JUZ), sondern an den Schülern, die minütlich mit Anliegen zu ihm an die Theke treten. Und für die er ja schließlich hier ist. „Einmal Pommes und Spezi bitte.“ – „Können wir zwei Controller für die PS5 haben?“ – „Hier, die Bluetooth-Box zurück.“ Der Satz, den Zimny an diesem Nachmittag aber am häufigsten hört, lautet: „Ist im Gaming-Raum was frei?“
Seit der im September eröffnet wurde, ist er die Attraktion der städtischen Einrichtung, bereits 90 Nutzer sind registriert. Und das, obwohl es im JUZ schon vorher massig Möglichkeiten gab: von Billard und Tischtennis über aktuelle Spielekonsolen bis zum Mädchen- oder Actionraum. Hinzu kommt im Sommer die große Außenanlage.

„Der Gaming-Raum fügt sich schön in unser Konzept ein“, sagt Stephan Zimny. Anfangs habe man noch regelmäßig auslosen müssen, wer in den Raum darf, so stark war der Andrang. Inzwischen habe es sich gut eingependelt. Ob die Nachfrage dafür bei den übrigen Angeboten eingebrochen sei? „Im Gegenteil“, sagt der 37-Jährige. „Wir haben sogar mehr Leute, die jetzt extra fürs Gaming kommen, die vorher noch gar nicht hergeschaut haben. Und die dann beispielsweise noch für eine Runde Tischtennis bleiben.“
Auftrag im Sinne der Jugendkultur
Was aber hat Gaming, haben also Computerspiele mit städtischer Jugendarbeit zu tun? Die Antwort lieferte im Oktober 2020 ein Grundsatzbeschluss des Bayerischen Jugendrings (BJR), der Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und -gruppen. „Damals wurde anerkannt, dass Games Jugendkultur sind und somit auch Teil der Jugendarbeit“, sagt Zimny. „Daraus ergibt sich für uns der klare Arbeitsauftrag, Gaming und E-Sport ins pädagogische Wirken zu integrieren und Räume in der analogen und digitalen Welt dafür zu schaffen.“
Die Corona-Auszeit im Jugendhaus haben er und sein Kollege Yann Schmidl daher gleich genutzt, um ein Konzept zu erarbeiten. Herausgekommen sind 37 Seiten Projektbeschreibung samt Literaturverzeichnis. „Wir wollten das auf wissenschaftliche Füße stellen“, sagt Zimny und lacht. Die Recherche war aufwändig, da es galt, alle möglichen Punkte zu beachten. In einigen hat man sich auch an einem Kölner Jugendzentrum orientieren können, das bundesweit als Pionier auf dem Gebiet gilt. Zumindest im Landkreis ist nun das Moosburger JUZ der Pionier in Sachen Gaming, der Raum ist der allererste seiner Art in der Region.

Zimnys Blick huscht beim Erzählen immer wieder auf einen Laptop hinter der Theke, auf dem fünf Kacheln abbilden, was die Teenager im Zimmer nebenan auf ihren Monitoren sehen. Dass alle fünf PCs live vom JUZ-Personal überwacht werden, wissen die Nutzer. Sie mussten den Passus sogar unterschreiben – gemeinsam mit 14 weiteren strikten Regeln. Der Spagat zwischen der Freiheit und dem Datenschutz der Jugendlichen auf der einen und nötiger Kontrolle gemäß der Aufsichtspflicht auf der anderen Seite war eine Herausforderung für die Pädagogen.
„Wir haben uns daher mit dem Datenschutzbeauftragten vom Landratsamt ausgetauscht, wie sich alles realisieren lässt“, berichtet Stephan Zimny. Denn Computerspiele werden schon lange nicht mehr isoliert auf einem lokalen Rechner ausgetragen, sondern sind meist Teil eines Onlinenetzwerks, bei dem sich Spieler weltweit messen und austauschen. Dabei geben sie Daten preis – die es gerade als Jugendpflegeeinrichtung für Minderjähriger zu schützen gilt.
Wir wollten es so geil machen, dass wir als Jugendliche selbst in den Raum wollen würden.
Als Nächstes ging es darum, wie das Vorhaben finanziert wird. Für das Team stand nämlich fest: Die Ausstattung sollte gehobene Mittelklasse sein, um genügend Anreiz zu bieten. Oder wie Jugendhaus-Leiter Robert Achhammer (52) sagt: „Wir wollten es so geil machen, dass wir als Jugendliche selbst in den Raum wollen würden.“ Nach einer Erhebung unter den Schülern und vielen Anfragen bei Firmen, lief es auf eine Summe von 15.000 Euro heraus – 3000 Euro für jeden der fünf PC-Arbeitsplätze.
Dass dieses Budget auch bewilligt wurde, lag laut Stephan Zimny am Rückhalt im Stadtrat. „Wir haben direkt den Jugendreferenten Julian Grübl (Fresh; Anm. d. Red.) und den damaligen Digitalisierungsreferenten Philipp Fincke (FDP) miteingebunden. Die meinten zu unserem Plan: ,Super, das unterstützen wir!‘ Dass es so reibungslos durchgegangen ist, hat uns schon überrascht und begeistert.“ Was laut Zimny noch für große Freude sorgte: „Wir haben nach einer Richtlinie des BJR einen Förderantrag eingereicht. Die Stadt hat dadurch 11.000 Euro wieder retour gekriegt.“

Zimny öffnet die Tür zum Gaming-Raum. Das Deckenlicht ist aus, die Monitore, LED-Lämpchen in den PC-Towern, Tastaturen und Tischen sowie ein farbiges Lichtband an der Decke verbreiten eine futuristische Atmosphäre. Bei der Gestaltung haben die Jugendlichen selbst mitgeholfen. Fenster mit Milchglasfolie verhindern neugierige Blicke, die den Jugendschutz umgehen. Denn je nach Tageszeit und Altersgruppe im Raum dürfen Spiele mit verschiedenen USK-Freigaben gespielt werden. Im Offenen Betrieb von 18 bis 20 Uhr sind etwa auch Spiele ab 16 Jahren erlaubt.
Jetzt gerade spielen aber alle „Fortnite“, das seit Jahren beliebteste Spiel bei den Jugendlichen. Es ist mit USK 12 eingestuft. Der 15-jährige Ahmad sitzt in einer Reihe neben seinen Freunden Atal und Hamza und bewegt klickend und tippend seine Spielfigur durch die „Fortnite“-Welt. „Zu Hause könnte ich das nur am Handy spielen. Hier ist es schon viel besser und alles sehr modern“, freut er sich. „Vor allem die Grafik ist echt top!“ Seine Kumpels nicken eifrig. Sie alle bezeichnen sich als „Stammgäste“. Dann rücken sie ihre Headsets zurecht und widmen sich wieder dem Spiel. Schließlich müssen sie gemäß den Hausregeln nach einer Stunde ihre Plätze wieder anderen zur Verfügung stellen.
Der nächste Schritt: E-Sport-Teams aufbauen
Stefan Zimny lächelt zufrieden. Er schließt die Tür und kehrt an die Theke zurück. „Wir haben noch viel mehr Pläne mit dem Raum“, sagt er. Er hofft, dass sich bald Teams für E-Sport bilden – dem sportlichen Wettkampf mit Computerspielen. Dieser Bereich hat sich vom Nieschen- zum Massenphänomen entwickelt: Wettkämpfe werden heute einem Millionenpublikum per Livestream oder TV übertragen, sie füllen Stadien, Profis winken bis zu achtstellige Preisgelder. Dieser Entwicklung will auch das Jugendhaus gerecht werden, und so könnten bald feste Zeitblöcke für E-Sport-Teams reserviert werden.
Außerhalb des Gamings sollen mit dem PC-Raum künftig auch noch andere Kompetenzen der Jugend gestärkt werden. So hat das JUZ Office-Lizenzen nachgeordert, um etwa Kurse fürs Lebenslauf-Schreiben anbieten zu können. „Ich hab’ auch schon Programmierkurse mit den Kindern gemacht“, erzählt Zimny. „Das macht denen total Spaß.“

Während der 37-Jährige die nächsten Spezi-Flaschen austeilt, sitzen auf einer Palettencouch in der Ecke die beiden Realschüler Christian und Samuel. Sie zocken Bayern gegen Köln in „EA FC24“, dem Nachfolger der Fußballsimulation „FIFA“. Dass abseits des Gaming-Raums nicht nur die Spielesoftware auf dem neuesten Stand ist, sondern genauso die Hardware, finden die Kinder richtig gut. „Die PS5 ist schon nochmal besser als meine eigene Konsole daheim“, sagt Christian.
Warum das Moosburger JUZ so top ausgestattet ist
Dass das JUZ seit der Eröffnung vor bald zwölf Jahren stets das hohe Ausstattungsniveau halten konnte, liegt aber nicht nur an engagierten Betreuern. „Die Kinder gehen sehr pfleglich mit der Einrichtung um“, sagt Stephan Zimny. „Klar gibt’s manchmal Grenzüberschreitungen, es sind ja Jugendliche. Wenn’s das nicht geben würde, wären wir als Sozialpädagogen überflüssig. Aber tatsächlich wurde in all der Zeit so gut wie nichts beschmiert oder zerstört. Gut, einmal wurde ein Billardtisch demoliert.“ Zimny lacht: „Wobei nie ganz klar wurde, ob das ein Unfall war.“