Jetzt fiel auch die 18.000-Punkte-Marke - Warum der Dax immer neue Rekorde reißt, obwohl unsere Wirtschaft röchelt

Die Wirtschaft schwächelt, aber der Aktienmarkt boomt. Widerspricht sich das nicht?

Ja, teilweise stimmt das. Aber: Die heutigen Aktienkurse geben nicht den aktuellen Stand der Wirtschaft wieder, sondern eben die Erwartungen an die Zukunft. Und da gehen offensichtlich die meisten Dax-Anleger derzeit davon aus, dass die Talsohle für die deutsche Wirtschaft durchschritten ist. Neben sinkenden Zinsen und etwas besserem Export sind es vor allem folgende Daten, die Hoffnung machen:

  • Die Inflation sinkt weiter: Im Februar lag die Teuerungsrate in Deutschland nur noch bei 2,5 Prozent. Das ist der niedrigste Stand bei Juni 2021. Ein Jahr zuvor waren es noch 8,7 Prozent. Der Trend gilt nicht nur für Deutschland. In der Eurozone sank die Inflation auf 2,6 Prozent, was zwar im November unterboten wurde, aber insgesamt immer noch auf einem niedrigen Niveau verglichen mit den beiden Vorjahren liegt. Gleiches gilt für die USA, wo es zwar im Februar leicht auf 3,2 Prozent nach oben ging, Werte von über 9 Prozent aus den Vorjahren aber weit entfernt sind.

  • Die Löhne steigen: Parallel zu sinkender Teuerung ziehen die Löhne an. Im gesamten Jahr 2023 lag der Lohnindex in Deutschland um mehr als fünf Prozent über dem Vorjahr. Ein solches Wachstum hat es nicht gegeben, seit das Statistische Bundesamt seine aktuelle Berechnungsmethode 2008 einführte. Wurden die steigenden Löhne vergangenes Jahr noch von der hohen Inflation übertüncht, sorgen sie jetzt für reale Wohlstandsgewinne. Im vierten Quartal stand ein Reallohnplus – also abzüglich Inflation – von 1,8 Prozent. Das wurde in den 28 Quartalen davor nur zweimal übertroffen. Höhere Reallöhne bedeutet, dass Haushalte mehr Geld zur Verfügung haben, dass sie nach Belieben ausgeben können. Das wiederum kurbelt den Konsum im Land an und damit die Umsätze und Gewinne von Konzernen – was wiederum in höheren Aktienkursen endet.

  • Der Dax ist immer noch günstig: Um zu ermitteln, ob eine Aktie oder ein Index ein Schnäppchen oder überteuert ist, errechnen Analysten das so genannte Kurs-Gewinn-Verhältnis. Es gibt vereinfacht gesagt an, für wie viele Euro, die Sie über Aktienkäufe in einen Konzern oder einen Index investieren, dieser einen Euro Gewinn erwirtschaftet. Ein KGV von kleiner als 15 gilt dabei als günstig, Werte über 20 als zunehmend teuer. Der Dax liegt gemessen an den Jahresprognosen der 40 Konzerne derzeit bei einem KGV von etwa 12. Damit wäre ein Dax-Investment technisch gesehen immer noch ein Schnäppchen.

Wie wird es jetzt weitergehen?

„Im Moment reicht es schon, dass bei den ganz großen Zahlen wie der US-Inflationsrate gestern eine negative Überraschung ausbleibt, um den Markt weiter nach oben zu treiben“, sagt Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners, gegenüber der Tagesschau . Das wird aber langsam gefährlich. Aus technischer Sicht sei der Index „überkauft“. Was der Experte damit meint, ist, dass die hohen Kursdaten längst nicht mehr von der Geschäftstätigkeit der darin enthaltenen Konzerne gedeckt ist. Kurz gesagt: Der Dax mag um 22 Prozent gestiegen sein, Umsätze und Gewinne der Dax-Konzerne aber bei weitem nicht.

Das ist normalerweise ein Anzeichen dafür, dass eine Kurskorrektur bevorsteht. Dafür spräche auch, dass die heiß erwarteten Zinssenkungen sich verschieben. Waren sie ursprünglich für das Frühjahr, also März/April, erwartet worden, wird es jetzt wohl eher Juni werden. Das deutete jedenfalls Fed-Chef Jerome Powell zuletzt an. Für die EZB hatten Analysten der Deutschen Bank bereits vor Monaten den April als frühesten Termin für eine Zinssenkung angenommen, den Juni aber als wahrscheinlicheres Datum.

Kritisch zu sehen ist auch, dass die Dax-Rallye kaum auf zu erwartenden höheren Umsätzen und Gewinnen der Dax-Konzerne beruhen kann. In der monatlichen Umfrage des Ifo-Instituts im Februar bewerteten tausende Unternehmen ihre aktuelle Lage weiterhin als schlecht und die Erwartungen für die kommenden drei Monate als negativ. Zwar gab es bei den Erwartungen und dem Gesamtindex gegenüber dem Januar ein leichtes Plus, aber 85,5 Punkte liegen weiterhin weit unter dem Wert von 100, ab dem von Optimismus gesprochen wird.

Allerdings zeigt die aktuelle Hochphase auch, dass an der Börse aktuell nicht sehr rational agiert wird. Das kann sich erfahrungsgemäß schnell ändern, etwa, wenn aus den USA die ersten Jahresberichte von Konzernen schlechter ausfallen, als erwartet oder die Inflation auch nur leicht steigen sollte. Wie weit der Dax dann fällt, lässt sich schwer vorhersagen. Eine kleine Korrektur würde ihn wohl auf rund 17.600 Punkte – also etwa 2,3 Prozent. Eine größere Korrektur könnte ihn auf rund 16.400 Punkte nach unten schicken. Das wäre ein Minus von rund 9 Prozent. Die Zahlen stammen von technischen Analysten, die Kursbewegungen untersuchen und mit verschiedenen Methoden abschätzen, an welchen Punkten Anleger Wertpapiere kaufen und verkaufen.

Sollte ich jetzt noch in den Dax einsteigen?

Wenn Sie als bisher unbeteiligter Anleger den Dax immer höher steigen sehen, ist es verständlich, wenn sie das im Englischen als FOMO ( F ear O f M issing O ut) bezeichnete Gefühl einstellt, also die Angst, dass sich alle anderen gerade eine goldene Nase verdienen und Sie außen vor sind. Aus zwei Gründen sollten Sie diesem Gefühl aber nicht nachgeben. Erstens ist die Dax-Rallye wie gezeigt nicht von soliden Fundamentaldaten getragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden Wochen oder Monaten wieder nach unten geht, ist also höher als neue Rekordstände. Und selbst, wenn letztere noch weiter erreicht werden, dürfte es nicht mehr allzu weit nach oben gehen.

Der zweite Grund ist, dass Sie als Kleinanleger generell nicht auf kurzfristige Trends reagieren sollten. So wie bei Ihnen keine Panik herrschen sollte, die in Aktienverkäufen mündet, wenn der Dax fällt, sollten Sie jetzt auch nicht panisch Index-Papiere hinzukaufen. Als Anleger, der mit Aktien fürs Alter vorsorgen will, sollten Sie langfristig denken. Das bedeutet, kleinere Crashs und Krisen einfach auszusitzen, aber eben auch bei Hochphasen entspannt zu bleiben. Im langfristigen Schnitt steigt der Dax sowieso immer weiter, weil Unternehmen ihre Produktivität erhöhen.

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