Trotz hoher Summen auf dem Papier entschied das Gericht gegen das Jobcenter. Ausschlaggebend war ein Detail, das viele in Deutschland gar nicht kennen.
Ein Mann bezieht Bürgergeld. Gleichzeitig stehen auf seinem Namen 450.000 Euro – eine Summe, für die manche Menschen Jahrzehnte arbeiten. Das ist ungefähr so viel, wie Bundeskanzler Friedrich Merz in einem ganzen Jahr verdient oder rund 15 durchschnittlichen Jahresgehältern entsprechend. Eines Tages trudelte ein Brief vom Jobcenter ein: Zinserträge, es gibt Vermögen. Das Jobcenter will Geld zurück. Die Familie legte Widerspruch ein. Und das Gericht sagt: „Bedürftig, weiterzahlen“. Der Fall wirkt wie ein sozialrechtliches Paradox – bis man versteht, woran alles hängt.
Der Mann im Verfahren stand offiziell als Inhaber von drei Sparbüchern da, zusammen rund 450.000 Euro. Doch er konnte weder Geld abheben noch überweisen, nicht einmal die Sparbücher kündigen. Denn die Sparbücher – im wahrsten Sinne die „Schlüssel“ zum Geld – lagen nie bei ihm, sondern über Jahrzehnte beim Großvater im Tresor. Kein Zugriff, keine Karte, keine Vollmacht. Und im deutschen Sozialrecht gilt: Wer nicht an sein Geld kommt, gilt als bedürftig. Punkt. Auf dem Papier reich, im Alltag arm. Kein Einzelfall? Zuletzt trickste eine Bürgergeld-Empfängerin das Jobcenter aus und ein TV-Sender profiotierte.
Sparbuch im Tresor, Konto voll, Portemonnaie leer: die Wahrheit hinter dem Bürgergeld‑Fall
Die Familie legte Widerspruch ein. Der Streit eskalierte – bis es zum Prozess vor dem Landessozialgericht Berlin‑Brandenburg kam (Az. L 18 AS 447/23). Mitten in der Verhandlung stellte sich die alles entscheidende Frage: Gehört Geld wirklich jemandem, wenn er es nicht einmal berühren darf? Der Großvater hatte die drei Bücher nie aus der Hand gegeben. Das Gericht wertete das als klassische „Schenkung unter Vorbehalt“: Das Geld sollte später helfen – vielleicht für ein Haus, vielleicht für die Ausbildung – aber nicht als Lebensunterhalt im Hier und Jetzt.
Sparbuch vs. Online‑Konto – der entscheidende Unterschied
Bei einem normalen Girokonto können Sie online, per App oder mit EC-Karte verfügen – die Bank prüft nur Ihre Identität. Beim klassischen Sparbuch ist das anders: Hier gilt nach § 808 BGB das Prinzip des „Inhaberpapiers“. Die Bank zahlt nur an denjenigen aus, der das physische Buch vorlegt – egal, wessen Name drinsteht. Ohne Urkunde keine Auszahlung, selbst wenn Sie nachweislich Kontoinhaber sind. Deshalb hat beim Sparbuch derjenige die faktische Macht, der das Buch im Tresor verwahrt. Für das Jobcenter bedeutet das: Solange Sie das Buch nicht in den Händen halten, gilt das Guthaben nicht als verfügbares Vermögen und wird beim Bürgergeld nicht angerechnet.
Der Sohn hätte zwar theoretisch klagen können, um das Geld zu erzwingen, aber ohne Garantie auf Erfolg und mit erheblichem familiärem Risiko. Das Sozialrecht verlangt solche Schritte nicht: Bürgergeld ist ein „Gegenwartsrecht“. Es soll die akute Notlage lindern, nicht Menschen in jahrelange Zivilprozesse schicken. Bereits 2012 entschied das LSG Niedersachsen‑Bremen ähnlich (L 9 AS 695/08). Auch das Bundessozialgericht folgt dieser Linie: Vermögen zählt nur, wenn es real verfügbar ist.
Warum ein altes Stück Papier mächtiger ist als jede Banking‑App
Dieser Fall wurde zuletzt medienwirksam von gegen-hartz.de publiziert, man sprach von einem „Paukenschlag“. Die Seite liefert zuverlässige Sozialurteile, die aber oft zugespitzt formuliert sind. Zudem wird meist eng mit kommerziellen Rechtsdienstleistern zusammengearbeitet. Die Fakten stimmen – die Rahmung ist jedoch oft bewusst polarisierend, um Betroffene in Beratungsangebote zu führen.
Für die einen zeigt der Fall: Das Recht schützt Menschen vor familiärer Bevormundung und vor der Fiktion eines Vermögens, das sie nie hatten. Für andere wirkt es wie eine Einladung, Geld „wegzuschließen“, um staatliche Leistungen zu erhalten. Doch das Risiko ist hoch: Wer eigenes Geld versteckt, macht sich strafbar. Gerichte erkennen sehr genau, ob jemand wirklich ausgeschlossen ist – oder nur so tut. Ab 2026 stehen übrigens große Änderung beim Bürgergeld an.