Als die Preise fast stündlich teurer wurden: Hyperinflation vor 100 Jahren in Kempten

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Die Stadt Kempten druckte Inflationsnotgeld: Hier ein 100-Milliarden-Mark-Schein. Denn die galoppierende Geldentwertung mutierte 1923 zur Hyperinflation. © Stadtarchiv

Im November 1923 kam ein beispielloser Vorgang zu seinem Höhepunkt, der in die Geschichte als „Hyperinflation“ eingegangen ist. Zu dieser Zeit erreichte die Geldentwertung der Mark eine astronomische Höhe. Die Notenpressen der Reichsbank konnten trotz größter Bemühungen mit dem exorbitanten Währungsverfall drucktechnisch nicht mehr Schritt halten.

Auch in den heutigen Tagen ist das Wort „Inflation“ wieder öfter zu hören. Als Inflation, Preissteigerungsrate oder Teuerung, bezeichnet man den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus einer Volkswirtschaft. Weil sie vor 100 Jahren so rasant und beinahe grenzenlos verlief, nannte man sie „Hyperinflation“.

Dieses Foto, es zeigt die letzte Postkutschenfahrt von Kimratshofen nach Kempten am 30. Mai des Jahres 1914 an der Postkutschenstation bei der Brauereigaststätte Stolz. Von da an fuhr ein motorisierter Kraftwagen.

Die letzte Postkutschenfahrt von Kempten nach Kimratshofen am 30. Mai 1914. Brauerei Stolz Isny
Die letzte Postkutschenfahrt von Kempten nach Kimratshofen am 30. Mai 1914. © Archiv Stolz

Die Inflation schürt Hass und Wut bei den Bürgerinnen und Bürgern vor 100 Jahren

Als diese Fotografie entstand, konnten sich die Menschen in Kempten nicht einmal in ihren schlimmsten Alpträumen vorstellen, welche drei Katas­trophen sie ab da bis Ende 1932, also in knapp 20 Jahren, durchleben mussten: Zuerst kam der Erste Weltkrieg, der am 1. August 1914 begann und mit dem Waffenstillstand am 11. November 1918 endete. Dann folgte die Inflation mit ihrem Höhepunkt Ende 1923 und wenige Jahre später, ab 1929 bis 1932/33, brach über Deutschland und Kempten die Weltwirtschaftskrise herein. Welche dieser Katastrophen die Menschen am stärksten traumatisierte und am nachhaltigsten beeinflusste, bleibt für uns heute ungewiss, da es auch von ihren jeweiligen Lebensumständen abhing.

Nichts hat das deutsche Volk – dies muss immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden – so erbittert, so haßwütig, so hitlerreif gemacht, wie die Inflation.“ 

Lassen wir zur Beantwortung dieser Frage einen bekannten Zeitgenossen, den jüdischen Schriftsteller Stefan Zweig zu Wort kommen: Zweig musste von den Nazis ins Exil nach Südamerika fliehen und fällte dort darüber im Jahre 1939 in seinen Lebenserinnerungen mit dem Titel „Die Welt von Gestern: Erinnerungen eines Europäers“ sein eindeutiges Urteil. Darin schreibt er: „Nichts hat das deutsche Volk – dies muss immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden – so erbittert, so haßwütig, so hitlerreif gemacht, wie die Inflation.“

Zu den Anfängen goldenes Währungszeitalter: Goldumlaufwährung bis Sommer 1914

Die Epoche von 1871 bis Juli 1914 kann man zumindest auf dem Währungsgebiet als goldenes Zeitalter bezeichnen. Denn damals konnte man bei seinen Alltagsgeschäften ganz selbstverständlich auch mit Goldgeld bezahlen. Diese Verhältnisse sollten sich aber ab Sommer 1914 schlagartig ändern.

Vor Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles gab es im damaligen Deutschland mehrere unterschiedliche Währungen. Die bedeutsamsten waren im Norden mit Preußen der (Vereins)Taler und im Süden mit Bayern der Gulden.

Es war klar, dass ein einiges Deutsches Kaiserreich zur wirtschaftlichen Entfaltung und aus sozialen Gründen auch eine gemeinsame Währung benötigte. So beschloss die Regierung schon ab 1871 und 1873 die Einführung einer einheitlichen Währung auf Basis der Mark als Goldumlaufwährung. Die neue Mark wurde dann durch kaiserlichen Erlass im Jahre 1875/76 offiziell bestätigt.

Der Begriff Mark soll sich aus der alten germanischen Gewichtseinheit „Mark“ ableiten. Somit konnten die Men­schen auch in Kempten mit drei unterschiedlichen Goldmünzen zahlen. Es gab: 5-Mark, 10-Mark und 20-Mark. Sie hatten einen Goldgehalt von 900/1000, d. h. sie bestanden zu 90 Prozent aus Gold und zu 10 Prozent aus Kupfer, um eine gewissen Härte und Abriebfestigkeit zu gewährleisten.

Vorderseite einer 20-Mark-Münze aus dem Kaiserreich. Sie befindet sich in einer privaten Sammlung.
Vorderseite einer 20-Mark-Münze aus dem Kaiserreich. Sie befindet sich in einer privaten Sammlung. © privat

Die Leser des „Kemptener Tag- und Anzeigeblatt“ erfuhren am 25. Februar 1875, dass durch kaiserlichen Erlass das 20-Mark-Goldstück den Namen „Doppelkrone“ und das 10-Mark-Stück den Namen „Krone“ bekam.

Das 5-Mark-Stück ist aber schon bald aus dem Geldkreislauf verschwunden, da es mit einem Durchmesser von 1,7 Zentimetern und einer Dicke von 0,6 Millimetern sehr klein sowie mit nur 1,99 Gramm sehr leicht war und damit schnell verloren gehen konnte.

1876 wird eine Reichsbank unter staatlicher Aufsicht gegründet - mit entscheidendem Geburtsfehler

Um den Geldumlauf im gesamten Reich zu regeln, wurde 1876 unter dem Namen „Reichsbank“ eine unter Aufsicht und Leitung des Reiches stehende Bank in Berlin gegründet. Aus dieser Formulierung ist zu erkennen, dass nicht die Leitung der Reichsbank, sondern die Regierung in Geldangelegenheiten das Sagen hatte. Ein entscheidender Geburtsfehler dieser Einrichtung, wie man später noch sehen wird.

Für die Goldumlaufwährung gab es ausreichend Edelmetall, weil Goldsucher 1848 die kalifornischen, 1851 die australischen und 1881 die südafrikanischen Goldfelder entdeckt hatten. Hinzu kamen 1871 die französischen Reparationszahlungen in Form von 273 Millionen französischer Goldmünzen aus dem „Deutsch-Französischen Krieg“.

Das bis 1914 ausgeprägte Goldgeld hatte einen Gesamtwert von 5,3 Milliarden Mark, das entsprach ungefähr 1.930 Tonnen Feingold. Wenn man weiß, dass heute eine Feinunze Gold, etwas mehr als 31 Gramm wiegt und bei schwankendem Wert ca. 1.800 Euro kostet, dann kann man sich vorstellen, welchen gewaltigen Wert so eine Goldmenge heute hat.

Daneben gab es umlaufende Kleinmünzen aus Kupfer, Kupfernickel und Nickel und Silbergeld bis zu fünf Mark, aber auch Papiergeld in Form von 20-, 50-, 100- und 1.000-Mark-Scheinen.

Einhundert-Mark-Schein aus dem Deutschen Kaiserreich.
Einhundert-Mark-Schein aus dem Deutschen Kaiserreich. © Vachenauer

Selbstverständlich haben die Menschen seinerzeit den Wert der Gold- und Silbermünzen als Krisensicherung erkannt, wie man einem Artikel der hiesigen Tageszeitung entnehmen kann.

Trotzdem wäre aus verschiedenen Gründen niemand auf die Idee gekommen, z. B. bei einer größeren Anschaffung, bei der leicht 1.000 Mark als Kaufpreis anfallen konnten, einen Papiergeldschein von 1.000 Mark abzulehnen und stattdessen z. B. 50 Goldmünzen zu 20 Mark zu verlangen. Denn die Goldmünzen wären deutlich schwerer und unhandlicher als Papiergeld gewesen und man hätte sich verzählen oder gar Münzen verlieren können. Ein weiterer Grund für die Akzeptanz von Papiergeld lag darin, dass man jederzeit zu seiner Bank oder Sparkasse gehen konnte und sein Papiergeld oder auch sein Geld auf dem Sparkonto in Goldmünzen umtauschen konnte.

Kassenraum der Kemptener Vereinsbank. Auf dem Tisch liegt gerolltes Hartgeld. Kaiserreich
Kassenraum der Kemptener Vereinsbank. Auf dem Tisch liegt gerolltes Hartgeld. © Archiv Wölfle

Mit Beginn des Krieges holten die Menschen Goldmünzen bei der Bank

Diese goldenen Währungsverhältnisse änderten sich schlagartig kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges ab August 1914. Schon mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo am 28. Juni 1914 fürchteten viele Menschen einen kommenden Krieg und begannen, Papiergeld und Sparvermögen in Goldmünzen bei ihrem Geldinstitut einzutauschen.

Die Reichsbank verlor in einer Woche über 100 Millionen Goldmark und ihr Bestand sank von 1.357 Millionen auf 1.253 Millionen Goldmark. Auch in Kempten gab es umfangreiche Abhebungen von Gold- und Silbergeld und es verschwand aus dem Geldkreislauf.

Der Reichsregierung war bewusst, sollte es zu einem Krieg kommen, benötigte man zu seiner Finanzierung entweder Devisen oder Gold. Daher stellte die Reichsbank am 31. Juli 1914 die Einlösung in Gold ein. Jeder, der zu diesem Zeitpunkt noch Goldgeld von der Bank haben wollte, musste eine Einlösefrist von einem bzw. zwei Monaten in Kauf nehmen. Wer danach zur Bank ging und Goldgeld wollte, der musste unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. In der Kemptener Presse erschien am 1. August 1914 ein entsprechender Artikel, die die Leser auf diese Regelung hinwies.

Die staatliche Jagd aufs Goldgeld

Da die Regierung wusste, dass sich im Sommer 1914 noch ca. drei Milliarden Goldmark in Privatbesitz befanden, begann nun die staatliche Jagd auf diese Goldreserven. Schon am 13. August 1914 wurde in Kemptener Zeitungen aufgerufen, Goldgeld gegen Papiergeld umzutauschen.

Wobei erwähnt wurde, dass die Reichsbank nach dem Bankgesetz für je 100 Mark Gold 300 Mark Banknoten ausgeben kann und sich die verfügbare Geldmenge also verdreifacht.

Eigentlich ein hervorragendes Geschäft, da alle glaubten, der Krieg sei bis Weihnachten 1914 siegreich beendet und man könne danach wieder zu den alten Währungsverhältnissen zurückkehren. In diesem Falle wäre das Geld innerhalb eines halben Jahres verdreifacht worden.

Nicht nur wegen der Möglichkeit der schnellen Geldvermehrung, sondern auch aus patriotischen Gründen trennten sich viele Kemptener von ihrem Goldgeld. Dazu gab es Goldumtauschaktionen. So sammelten im März 1915 Kemptener Schulkinder 100.000 Goldmark. Als Belohnung für das gute Sammelergebnis verlängerte Stadtschulrat Dr. Reindl die Osterferien um zweieinhalb Tage. Bei einer weiteren Tauschaktion am 31. Januar 1916 sammelten allein die 160 Schülerinnen der höheren Töchterschule 146.810 Goldmark.

Die höhere Töchterschule in Kempten.
Die höhere Töchterschule in Kempten. © Archiv Schmidt

Um den Goldgeldumtausch zu erleichtern, eröffnete am 18. Oktober 1916, eine amtlichen Ankaufstelle für Goldgeld in der Wilhelmstraße.

Bei all diesen Umtauschaktionen vermisste man aber die „Allgäuer vom Land“, denn über 90 Prozent der Umtauschsumme kamen von Stadtbürgern.

Der Staat finanzierte den Krieg mit Staatsanleihen

Als der Krieg begann, konnte sich niemand die Dauer, das ungeheure menschliche Leid und die gigantischen Kosten dieses Waffengangs vorstellen.

Pro Monat kostete er im Jahr 1914 schon 1,2 Milliarden Mark, im Frühjahr 1917 bereits 3 Milliarden Mark und 1918 unglaubliche fünf Milliarden Mark. Insgesamt summierten sich die Kriegskosten auf 160 Milliarden (Gold)Mark.

Das Reich finanzierte ihn auf zwei Wegen: Einmal mit insgesamt neun Kriegsanleihen, die allein 97 Milliarden Mark erbrachten. Um auch der hiesigen Bevölkerung diese Kriegsanleihen schmackhaft zu machen, gab es umfangreiche Werbemaßnahmen.

Aus damaliger Sicht eines patriotischen Sparers eigentlich eine gute Geldanlage, die neben der Unterstützung der Soldaten an der Front auch eine Verzinsung von fünf Prozent des eingesetzten Kapitals bot.

Plakat, das für Kriegsanleihen wirbt.
Plakat, das für Kriegsanleihen wirbt. © Stadtarchiv

Die Zinsen dafür sollten bei einem gewonnenen Krieg die besiegten Staaten bezahlen müssen. Diese Vorstellung vertrat zumindest Kaiser Wilhelm II. noch im Jahr 1917, kurz nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten auf der Seite von Frankreich, Großbritannien, Russland und Italien. Denn er glaubte, in völliger Verkennung der Lage, von den USA und Großbritannien je 30 Milliarden Gold-Dollar, von Frankreich 40 Milliarden Gold-Francs und von Italien 10 Milliarden Gold-Lire als Reparationsleistung herauspressen zu können.

Fatal nur, dass der Krieg verlorenging und die Anleger ihr in Kriegsanleihen investiertes Geld verloren haben. So hat z.B. die protestantische Spitalstiftung für 300.000 Mark Kriegsanleihen gezeichnet und nach Krieg und Inflation ihr eingesetztes Geld verloren.

Schulden bei der Reichsbank für den Krieg - Die Preise verdoppelten sich

Die zweite Finanzierungsquelle des Krieges bestand in gewaltigen Schulden seitens des Reiches bei der Reichsbank, die ja der Reichsregierung unterstand. In dieser Finanzierungsform lag hauptsächlich der Keim für die spätere Geldentwertung, da sich schon während des Krieges die Verbraucherpreise fast verdoppelten. Die Preiserhöhungen kann man auch an den Berichten vom Kemptener Wochenmarktes entnehmen, wenn man z.B. die Preise vom 22. Juli 1914 mit denen des vom 30. August 1916 vergleicht. Hieraus sieht man, dass sich z. B. das Käseangebot deutlich verknappte, da die Versorgung der Soldaten, sowie von Schwerst- und Schwerarbeitern Vorrang hatte und sich nicht nur die Käsepreise gegenüber dem Angebot im Juli 1914, also noch im tiefen Frieden, fast verdoppelt hatten.

Eine Ursache für die Preiserhöhungen sah man damals in der englischen Seeblockade gegen das Deutsche Reich. Dieses Embargo schnitt Deutschland schon ab 1914 weitgehend in unterschiedlicher Ausprägung von den Rohstoffmärkten der Welt und zu ungefähr 25 Prozent von den notwendigen Nahrungsmitteleinfuhren ab. Mit der Folge, dass es Materialengpässe auf allen Gebieten und fast eine Million Hungertote im Reich gab.

So nahm man diese Teuerungen als kriegsbedingt hin. Da auch die Löhne in dieser Zeit anstiegen, wirkten sie sich nominell nicht besonders aus. So betrugen die Stundenlöhne in Kempten am 1. April 1915 für einen Maurer 53 Pfennige und für Bauarbeiter 43 Pfennige. Ende September 1917 bekamen sie zwischen 70 und 75 Pfennigen pro Stunde vergütet. Allerdings konnte man sich mit dem höheren Lohn wenig kaufen, weil die Preise gestiegen waren und die Produktion von zivilen Gütern kriegsbedingt zurückging, da die Rüstungsindustrie oberste Priorität genoss.

Ankündigung über die Einführung von Brot und Mehlkarten am 15. März 1915 in der Kemptener Presse.
Ankündigung über die Einführung von Brot und Mehlkarten am 15. März 1915 in der Kemptener Presse. © Stadtarchiv Kempten

Da auch Lebensmittel immer knapper wurden, kamen schon ab 1915 auch in Kempten Lebensmittelmarken auf. Sie sollten eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung sichern und vor allem wucherische Preiserhöhungen unterbinden.

Lebensmittelmarken in Kempten ab dem Jahr 1915. Krieg Inflation Geldwertverlust
Lebensmittelmarken in Kempten ab dem Jahr 1915. © Stadtarchiv

Der erste Weltkrieg endete zwar am 11. November des Jahres 1918 durch einen Waffenstillstand. Aber erst der Friedensvertrag von Versailles am 28. Juni 1919, beendete den Ersten Weltkrieg völkerrechtlich zwischen dem Deutschen Reich einerseits sowie Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten, während die englische Seeblockade gegen das Deutsche Reich noch bis zum 12. Juli 1919 dauerte.

Die heimkehrenden Soldaten mussten mit der desolaten Staatskasse unterstützt werden

Nach dem Waffenstillstand ab 1918 war es in Deutschland unmöglich, die Produktion schnell auf Friedensleistungen umzustellen. Erschwerend kam hinzu, dass in kurzer Zeit fast zehn Millionen Soldaten aus dem Krieg heimkehrten, im Gegensatz zum Ende des Zweiten Weltkriegs, bei dem ja Millionen Soldaten noch Jahre in Kriegsgefangenschaft verbringen mussten.

1918 gelang es kaum, die heimkehrenden Soldaten in irgendeiner Form sinnvoll zu beschäftigen. So versuchte die Regierung, die Heimkehrer mehr schlecht als recht aus den schon stark angeschlagenen kommunalen und staatlichen Kassen zu unterstützen. Eine Situation, die man mit dem weiteren ankurbeln der Notenpresse zu bewältigen suchte. Dies bewirkte aber eine weitere Destabilisierung der ohnehin schon desolaten Staatsfinanzen, ein weiteres anheizen der Geldentwertung und eine Zuspitzung von politische Unruhesituationen im Lande.

Der Staat muss Reparationszahlungen leisten und Kolonien abgeben

Die Zeit bis zur Unterzeichnung des Friedensvertrages war geprägt von fast unzähligen Konferenzen, Gutachten und Tagungen von Sachverständigen um das Ringen der Reparationen. Ultimativ musste sich Deutschland durch den Friedensvertrag zu gewaltigen Reparationsleistungen in Form von Geld und Sachgütern verpflichten. Sie bedeuteten für Deutschland auch den Verlust etlicher Gebiete und damit von 14,6 Prozent der anbaufähigen Fläche, zehn Prozent der Bevölkerung, 74,5 Prozent der Eisenerze, 68,1 Prozent der Zinkerze, 26,0 Prozent der Kohleförderung sowie alle Kolonien, die von zweifelhaftem Wert waren.

All die vormals dort erzeugten Produkte mussten nun mit Devisen- oder Goldzahlungen eingeführt werden und verschlechterten die Deutsche Handelsbilanz deutlich. Der Verlust von 90 Prozent der Handelsflotte brachte die Republik auch um die Einnahmen aus der Schifffahrt, die bis zu Kriegsbeginn noch viele Devisen in die Staatskasse führte.

Hatte die deutsche Handelsflotte vor dem Krieg rund fünf Millionen Bruttoregistertonnen, verblieben ihr danach nur 419.000 BRT, überwiegend kleinere Schiffen und Schlepper. Erinnert sei daran, dass bis 1914 die Reedereien „Hapag“, gegründet 1847, und die „Norddeutsche Lloyd“ von 1857 die zwei größten zivilen Handelsflotten der Welt darstellten, die ihre Einnahmen auch aus den großen Auswanderungswellen vor allem in die USA erzielten.

Hinzu kamen nach den Pariser Beschlüssen vom 29. Januar 1921 für die Zeit ab 1. Mai 1921 gewaltige Geldzahlungen. So sollten bis zum 30. April 1963 insgesamt 226 Milliarden Goldmark, ein nicht genau festgelegter Posten von 43 Mrd. Goldmark und zwölf Prozent des jährlichen Wertes der deutschen Ausfuhr als Reparationszahlungen geleistet werden.

Zwar wurden diese Leistungen später durch den Dawes und Young Plan reduziert, hatten aber immer noch enorme Ausmaße.

Der Dollarkurs schnellt auf 50.000 Mark und später auf 100.000 Mark hinauf

Als alle Friedensbedingungen im Mai 1919 bekannt wurden, stieg der Dollarkurs, der 1913 noch 4,20 Dollar zu einer (Gold)Mark betrug, im Mai 1919 auf 13,5 Mark, im Februar 1920 auf 99 Mark, er sank leicht im Juni 1920 auf 40,0 Mark, nach Niederwerfung des Kapp-Putsches, um nach der Finanzreform von Matthias Erzberger im Juni 1921 auf 65,0 Mark zu steigen.

Im November 1921, nach der Ermordung von Matthias Erzberger, kletterte er auf 270 Mark, im Juli 1922, nach dem Mord an Walther Rathenaus auf 420 Mark, bevor er dann im 31. Januar 1923 auf 50.000 Mark hochschnellte.

Politische Unruhen erschüttern das Land und verstärken ihrerseits die Inflation

Diese Zeit war auch eine Phase höchster politischer Unruhen, Gewalttaten und Morde, die auch als weitere Inflationsursache wirkten. Schon seit dem Oktoberaufstand des Jahres 1918 der Matrosen sprang der Funke der Revolution von Wilhelmshaven und Kiel auf andere Städte des Deutschen Reichs über.

Als der Politiker Philipp Scheidemann am 9. November 1918 in Berlin die Republik unter bürgerlich-demokratischen Vorzeichen ausrief, proklamierte nur wenige Stunden später der Führer des Spartakusbundes Karl Liebknecht am Berliner Schloss eine Republik unter sozialistischen Vorzeichen. Es war klar, dass damit die junge Weimarer Republik einer Reihe von teils bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Kräften ausgeliefert war.

Unter diesen Vorzeichen verlangte auch in Kempten ein Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat Teilhabe am politischen und wirtschaftlichen Leben in der Stadt. In Kempten gelang es aber schon im Jahr 1920, diese politische Unruhezeit zu beenden.

Vertrauen in die Weimarer Republik erschüttert - ausländische Investitionen bleiben aus

Die politischen Unruhen und die hohen Reparationsleistungen erschütterten das Vertrauen in die Weimarer Republik und verhinderten, dass sich in- und ausländische Geldgeber mit eigentlich dringend benötigten Investitionen wirtschaftlich in Deutschland engagierten. So betrug die industrielle Produktion im Jahre 1919 nur noch 37 Prozent des Standes von 1913.

Dabei kann das Jahr 1923 als das turbulenteste bezeichnet werden. Der Streit um die Reparationen bis hin zur Ruhrbesetzung verbunden mit Streiks und passivem Widerstand beherrschte das politische Geschehen. Die zerrütteten Währungsverhältnisse und die desolaten staatlichen Finanzen führten zu massiven sozialen Problemen und schlugen sich in innerpolitischen Unruhen mit Putschgefahren und Putschversuchen nieder, so dass am 27. September 1923 der Ausnahmezustand verhängt wurde.

Ausnahmezustand und Ruhrbesetzung

Die alliierte Reparationskommission stellte Ende Dezember 1922 einen Rückstand deutscher Reparationen an Frankreich fest. So sollen 1922 nur 11,7 Millionen statt der geforderten 13,8 Millionen Tonnen Kohle und nur 65.000 statt 200.000 Telegraphenmasten geliefert worden sein. Um diese Leistungen zu erzwingen, rückten im Januar 1923 fünf französische Divisionen und einigen belgischen Einheiten ins Ruhrgebiet ein.

Ein parteiübergreifender Sturm der Entrüstung in Deutschland war die Folge, der sich auch in den Leitartikeln der Allgäuer Presse wiederfand. Durch die Ruhrbesetzung stieg der Dollarkurs im Juni 1923 auf 100.000 Mark.

Als Antwort auf die Besetzung ermutigte die Weimarer Regierung unter Wilhelm Cuno die Menschen im Ruhrgebiet zu passivem Widerstand. Die Finanzierung dieses Widerstandes durch den Staat - Zahlung der Gehälter an Beamte, Entschädigungsleistungen an Bergleute, Unterstützung der Arbeiter, wirtschaftliche Absperrung des Ruhrgebiets und Produktionsausfälle - überforderten die Staatsfinanzen.

Dollarkurs im November 1923: 4.200.000.000.000 Mark

Bis Ende September 1923 zahlte die Regierung für den passiven Widerstand 1,15 Milliarden Goldmark. Der Import ausländischer Kohle anstelle der bestreikten Ruhrkohleförderung kostete eine Milliarde Goldmark. Dieser immense Geldbedarf ließ sich nur durch das übliche Anwerfen der Gelddruckmaschinerie befriedigen, dem aber kein einsprechendes Warenangebot gegenüberstand. Mit der Folge, dass die Inflation deutlich wuchs. So stieg der Dollarkurs gegenüber der Mark im Juli 1923 auf 350.000 Mark, im August 1923 auf 4.600.000 Mark und im September 1923 auf 100.000.000 Mark.

Die katastrophale wirtschaftliche Lage zwang die deutsche Regierung unter Gustav Stresemann nachzugeben und den Ruhrkampf am 26.9.1923 abzubrechen. Danach gab es in den Devisennotierungen kein Halten mehr. Im Oktober 1923 stieg der Dollar auf 25.000.000.000 Mark und im November 1923 auf 4.200.000.000.000 Mark.

Kein Wunder also, dass die täglich abgedruckten Devisenkurse ein wichtiges Instrument für ihre Kaufentscheidungen darstellten.

In der Folge dieses Werteverfalls an den Devisenmärkten und der aufgeblähten Geldmenge verschlechterte sich auch der Binnenwert der einst so soliden deutschen (Gold)Mark und die Geldscheine bekamen immer höhere Werte. Im Juni 1922, wo man noch von einer galoppierenden Inflation sprechen konnte, kam der 10.000-Mark-Schein, im Juni 1923 der 500.000-Mark-Schein, im Juli 1923 gab es bereits 10-, 20- und 50-Millionen-Markscheine, im November 1923 als die galoppierende Entwertung zur Hyperinflation mutierte, gab es dann 1.000-, 2.000-, 5.000-, 10.000- und 100.000-Milliarden-(eine Billion) Scheine.

Im November 1923, als die galoppierende Entwertung zur Hyperinflation mutierte, gab es dann 1.000-, 2.000-, 5.000-, 10.000- und 100.000-Milliarden-(eine Billion) Scheine.
Im November 1923, als die galoppierende Entwertung zur Hyperinflation mutierte, gab es dann 1.000-, 2.000-, 5.000-, 10.000- und 100.000-Milliarden-(eine Billion) Scheine. © private Sammlung

Die Preise ändern sich fast stündlich

Die Preise für die unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen änderten sich ab Oktober und November des Jahres 1923 fast stündlich und schossen in astronomische Höhen. Einige Dokumente aus dieser Zeit sollen diese Situation verdeutlichen.

Lebensmittelpreise in Kempten am 26. November 1923.
Lebensmittelpreise in Kempten am 26. November 1923. © Stadtarchiv

Demgegenüber hatte ein Tagelöhner folgenden Stundenlohn:

Am 1. Januar 1920                                     1,5 Mark,

am 15. Juni 1922                                        8 Mark,

am 1. Juli                                                  12 Mark,

am 1. Dezember 1922                             120 Mark,

am 1. April 1923                                     700 Mark,

am 1. Juli                                             4.000 Mark,

am 1. Oktober                          1,5 Millionen Mark,

Mitte Oktober                        30 Millionen Mark,

am 8. November                    10 Milliarden Mark.

Notgeld muss gedruckt werden

In normalen Zeiten ist das Bereitstellen von Geld, wie das Prägen von Münzen und das Drucken von Banknoten für eine Volkswirtschaft die alleinige Aufgabe der Zentralbank.

Aber schon während des ersten Weltkrieges musste die Reichsbank wegen der Materialengpässe von ihrer Monopolstellung abrücken und bis 1918 dazu übergehen, auch Städten, ja sogar Privatbetrieben das Herstellen von Notgeld zu erlauben. Auch die Stadt Kempten produzierte Notgeld nicht nur in Münz- sondern auch in Papierform mit einem Nennwert von fünf, zehn, zwanzig und 50 Mark. Dieses Kriegsnotgeld war aber damals noch nicht einer ausufernden Geldentwertung, sondern hauptsächlich dem Mangel an kriegswichtigen Rohstoffen geschuldet.

Notgeld der Stadt Kempten im ersten Weltkrieg.
Notgeld der Stadt Kempten im ersten Weltkrieg. © Stadtarchiv

Anders verhielt es sich ab 1923 aufgrund des katastrophalen Währungsverfalls der Mark. Ab Mitte 1923 konnte die Reichsbank ihre Aufgabe, die Versorgung des Geldmarktes mit ausreichenden Zahlungsmitteln, nicht mehr erfüllen. Sie kam ganz einfach gesagt zum Höhepunkt der Inflation, mit dem Gelddrucken nicht mehr nach. Zwangsläufig musste die Reichsbank daher schon wieder Aufträge zum Gelddruck an kommunale und private Unternehmer im Reichsgebiet vergeben, um die Versorgung des Geldmarktes mit Banknoten sicherzustellen.

Auch Betriebe in Kempten drucken Geld

Zu den Kemptener Betrieben zählten die Mechanische Baumwoll-Spinn- und Weberei Kempten und die Spinnerei und Weberei Kottern. So hieß es am 16.August 1923 in einer Nachricht in den hiesigen Tageszeitungen, dass beide Firmen bei den nächsten Lohnzahlungen anstelle von Bargeld ihrem Personal Gutscheine auszahlen werden. Diese Gutscheine sollten in Höhe von 500.000 und 100.000 Mark lauten.

Die Gutscheine tragen alle das Datum vom 14. August 1923. Auch die Stadt Kempten ließ im November 1923 in der Allgäuer Druckerei und Verlagsanstalt Kempten ihr eigenes Notgeld drucken. Anfänglich war geplant, Geldscheine mit einem Wert von 20 Milliarden Mark drucken zu lassen. Da aber die Inflation so schnell voranschritt, entschloss man sich seitens der Stadtobrigkeit 50 Milliarden Scheine herstellen zu lassen und sie am 7.11.1923 erstmals mit 11.900 Stück in Verkehr zu bringen.

Schon am 2.11.1923 hatte man beschlossen, wegen des knappen Papiervorrats neben dem Notgeld auch Stadtschecks in Höhe von 250 Billionen in Umlauf zu bringen. Diese Summe ist aber wegen des raschen Geldverfallsauf 100 Billionen erhöht worden. Der Gesamtwert dieser Stadtschecks betrug insgesamt 1.667 Billionen Mark. Daneben beschloss der Stadtrat, den vorhandenen Papiervorrat ganz aufzubrauchen und den Wert des Notgelds an die Geschwindigkeit des Währungsverfalls anzupassen und nach Bedarf 100 Milliardenscheine bis zu einem Gesamtwert von 3.000 Billionen insgesamt in Umlauf zu bringen.

Die Stadt Kempten druckte Inflationsnotgeld: Hier ein 100- Milliarden-Mark-Schein.
Die Stadt Kempten druckte Inflationsnotgeld: Hier ein 100- Milliarden-Mark-Schein. © Stadtarchiv

Die Menschen wollten sich so schnell wie möglich von ihrem Bargeld trennen, so schnell verlor das Geld an Wert

Durch den Werteverfall der Mark beschleunigte sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes dramatisch. Der Grund lag darin, dass sich die Menschen so schnell wie möglich von ihrem Bargeld trennten, da es kurze Zeit später an Wert verlor. Man musste sogar dazu übergehen, alte Geldscheine, die einen bestimmten Wert hatten, mit Stempelaufdrucken an die rasante Inflationsgeschwindigkeit anpassen.

Daher gab es in dieser Phase sogar einen Mangel an Papiergeld und das, obwohl im Herbst 1923 die Reichsdruckerei und 132 private Druckereien mit 1.723 Druckpressen Tag und Nacht für den Notendruck arbeiteten. Das Papier dafür kam aus mehr als 30 Papierfabriken. 29 Galvanische Betriebe lieferten dazu 400.000 Druckplatten. Der Bargeldumlauf betrug 500 Trillionen Mark staatliches Geld, das ist eine Zahl mit 20 Nullen, also 500.000.000.000.000.000.000 Mark. dazu kamen noch 500 Trillionen Buchgeld (Sparbücher, Girokonten) und 200 Trillionen Notgeld von Städten und Privatbetrieben.

Die Kosten des staatlichen Gelddrucks sind in den Statistiken der damaligen Zeit genau aufgeführt und betrugen insgesamt 32.776.899.763.734.490.417 Mark und fünf Pfennige.

Hinzu kamen die Kosten und Probleme beim Transport des Geldes, beim Lagern der riesigen Geldmengen und vor allem Dingen auch beim Zählen der astronomisch hohen Geldscheine.

Die Währung funktionierte nicht mehr, so ging man zu Tauschgeschäften über

Da sich die Mark ja täglich, beinahe sogar stündlich verschlechterte, konnte die Währung nicht mehr funktionieren und ging man unter diesen Umständen auch in Kempten zur Tauschwährung über. So betrug die Leihgebühr in der Stadtbücherei pro Buch ab dem 30. September 1923 eine Semmel. Für den Bezug des Wochenblattes mussten die Leser zwei Semmel bei der Firma Tobias Dannheimer bezahlen bzw. abgeben.

Die wirtschaftliche Entwicklung im damaligen Deutschland brachte eine große Umschichtung der bisherigen Einkommens-, Eigentums- und Besitzverhältnisse mit sich.

Inflationsgewinner: Schulden zahlten sich leicht zurück

Auf der Gewinnerseite der Geldentwertung standen diejenigen, die wertvollere Sachgüter hatten, oder in dieser Zeit mit fast wertlosem Geld erwerben konnten. Wem es also z. B. gelang, kurzfristige Kredite aufzunehmen um mit diesem Geld zu investieren, konnte es nur wenig später inflationsbedingt mit einem Bruchteil des Wertes zurückzahlen. Ein bekanntes Beispiel dafür war Hugo Stinnes. Er kaufte auf Kredit Unternehmen auf und zahlte die Schulden später mit wertloserem Geld zurück. 1924 hatte er damit 1.664 Unternehmen mit 4.554 Betrieben erworben.

Auch der Staat profitierte in erheblicher Weise davon. Seine Kriegsschulden von ca. 160 Milliarden Mark betrugen am 15. November 1923 in der Kaufkraft von 1913 noch 15,4 Pfennige. Möglich machte dies der Grundsatz der deutschen Rechtsprechung: „Mark = Mark“. Manche vermuteten, dass dem Staat diese Geldentwertung - vorsichtig ausgedrückt - sogar in die Karten spielte, da er sich mit minimalen Mitteln seiner gewaltigen Schulden entledigen konnte.

Inflationsverlierer

Zu den Opfern der Inflation zählten besonders Sparer, Rentner und Anleihebesitzer. Durch die Umrechnung 1 Billion Inflationsmark = eine Rentenmark bzw. Reichsmark verloren sie buchstäblich ihr sauer angespartes Geld. Die Zeichner der Kriegsanleihen erhielten praktisch nichts zurück, das dem Staat geliehene Geld war verloren. Verlierer waren auch die Sparer der Kemptener Banken und der Sparkasse. Allerdings gewährte die städtische Sparkasse Kempten ihren Sparern aus Mitteln der Stadtkasse nach der Inflation eine Aufwertung von 12,5 Prozent.

Auch industrielle Werte, z. B. Aktienvermögen standen auf der Verliererseite. Der Kurs deutscher Aktien sank bis auf 2,7 Prozent des Vorkriegswertes ab, so dass viele Vermögenswerte praktisch für „Nichts“ in ausländische Hände gelangten.

Damit versanken viele Menschen in tiefer Armut, die sich auch in der gesteigerten Selbstmordrate in dieser Zeit ausdrückte, die in Europa eine Spitzenposition einnahm.

Das Wunder der Rentenmark -

Ende des Jahres 1923 hatte die Inflation eine solches Ausmaß erreicht, dass Geld weder als Wertmaßstab, noch als Wertaufbewahrungsmittel oder als Wertübertragungsmittel taugte.

So entstanden verschiedene Pläne, die desolaten Währungsverhältnisse grundlegend zu reformieren. Aus damaliger Sicht gab es unterschiedliche Auffassungen über die Gründe für diese horrende Inflation und daher waren auch die Vorstellungen zur Reform der Währung verschieden.

Auf der einen Seite standen die Zahlungsbilanztheoretiker. Sie führten an, dass die Reparationszahlungen zu einem Überschuss an deutschen Zahlungsmitteln im Ausland führten. Folglich sank der Devisenkurs der Mark ständig. Daher forderten sie eine Revision der Reparationsleistungen.

Die Gegenposition bildeten die Inflationstheoretiker, die in der ausufernden Geldvermehrung, der kein entsprechendes Warenangebot gegenüberstand, die eigentlich Inflationsursache erkannten. Daher musste nach ihrer Forderung die ungebremste Kreditvergabe der Reichsbank während des Krieges und bis Ende 1923 an den Staat unterbunden werden, um die Aufblähung des Geldvolumens zu stoppen.

So stieg die Schuld des Reiches:

             Ende 1918     auf                                             59,2 Milliarden Mark

             Ende 1920     auf                                           152,8 Milliarden Mark

        15. Nov. 1923     auf                       191.580.465422,1 Milliarden Mark

Als dann mit dem sogenannten Dawes-Plan die Reparationsfrage endgültig geklärt wurde, sahen die darin verankerten Bedingungen auch die Unabhängigkeit der Reichsbank von der jeweiligen Regierung vor. Damit konnte an eine Reform der Währung gedacht werden.

Die Idee einer Rentenmark hat viele Urheber. Es gab den Minoux-Plan, basierend auf der Absicherung über Gold, dann unterbreitete der frühere Staatssekretär Karl Hellferich seine Idee zur Einführung einer Roggenmark. Schließlich schlug Ernährungsminister Hans Luther zur Überwindung der Inflation als Übergangslösung eine Rentenmark vor. So kam es am 15. Oktober zur Gründung der „Deutschen Rentenbank“.

Das Grundkapital dieser Rentenbank betrug 3,2 Milliarden Rentenmark. Dabei hatte die deutsche Landwirtschaft eine Grundschuld über 1,6 Mrd. Rentenmark, die gewerbliche Wirtschaft Schuldverschreibungen über die restlichen 1,6 Mrd. Rentenmark zu übernehmen. Die Deckung der Rentenmark war also an landwirtschaftliche Werte und an Werte der gewerblichen Wirtschaft gekoppelt. Von diesen Gesamteinlagen durfte die Rentenbank 2,4 Milliarden als Kredite vergeben und zwar 1,2 Milliarden als Kredite an die Wirtschaft, die andere Hälfte erhielt die Reichsregierung als Darlehen.

Eine Rentenmark gleich einer Billion „Inflations“-Mark

Die Rentenbank gab ab 15. November 1923 die Rentenmark als neues Zahlungsmittel heraus. Eine Rentenmark entsprach einer Billion Papiermark aus der Inflationszeit.

Für kurze Zeit erhielt jedoch diese Stabilisierungsphase einen Dämpfer, als die Forderung aufkam, das Direktorium der Rentenbank solle das Kreditvolumen an das Reich von 1,2 Milliarden auf 1,6 Milliarden erhöhen. Sofort begannen die Devisenkurse wieder zu steigen. Aber das Reichsbankdirektorium, das ja nun unabhängig von der Regierung war und sich nur von ihrem volkswirtschaftlichen Sachverstand leiten ließ, lehnte diese Forderung ab. Prompt beruhigten sich die Devisenmärkte wieder.

So gelang es Reichsfinanzminister Hans Luther und Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht unter drastischen und Sparmaßnahmen und strikten Beschränkungen der Geldmenge die neue Währung langfristig zu stabilisieren. Dies gelang nur, weil die wichtigste Quelle der schier ungezügelten Geldvermehrung zum Versiegen gebracht wurde. Denn ab 15. November 1923 endete das Recht des Reiches, Schatzanweisungen bei der Reichsbank diskontieren zu lassen. Somit war im Gegensatz zu früher die gewaltige Aufblähung der Geldmenge durch Reichskredite nicht mehr möglich.

Die neue Rentenmark ersetzte aber nicht die bisherige Währung. Sie wurde kein gesetzliches Zahlungsmittel. Da aber öffentliche Kassen zur Annahme verpflichtet waren, genoss sie entsprechendes Vertrauen. Im Prinzip gab es bis dahin in Deutschland zwei Währungen nebeneinander; die alte Inflations-Mark und die Rentenmark mit ihrer Währungsrelation eine Billion zu einer Rentenmark.

Die Vorderseite einer Rentenmark aus einer privaten Sammlung.
Die Vorderseite einer Rentenmark aus einer privaten Sammlung. © privat

Durch das Bankgesetz vom 30. August 1924 wurde dann die Reichsmark (RM) als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt. Das Inflationsgeld wurde ebenso wie die Rentenmark im Verhältnis eine Billion zu einer Reichsmark eingetauscht. In Zahlen ausgedrückt sah das so aus: 1 Rentenmark = 1 Reichsmark (RM) = 1.000.000.000.000 (12 Nullen) Papiermark.

Am 15. Juli 1925 sollten die alten und nicht eingetauschten Inflationsbanknoten verfallen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es also in Deutschland drei Währungen: das alte Inflationsgeld, die Rentenmark und die neue Währung, die Reichsmark.

Endlich: Der wirtschaftliche Aufschwung in den „Goldenen Zwanzigern“

Auch dank der Stabilisierung der Währungsverhältnisse entwickelte sich in Deutschland ein wirtschaftlicher Aufschwung, den man in der Literatur oft als „die Goldenen Zwanziger“ bezeichnete. Diese Aufschwungsphase wurde schon, beginnend am 25. Oktober des Jahres 1929, durch die sogenannte Weltwirtschaftskrise abgelöst, die das Land in eine mehrjährige und tiefe Depression stürzte und auch in Kempten viel Armut und Not hervorrief. Das ist aber eine andere Geschichte ....

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