Öffentlicher Nahverkehr im Oberland: Es fehlen Millionen Euro für Sanierung, Ausbau und das Deutschlandticket
Wie steht‘s um den öffentlichen Personennahverkehr in der Region? Das war vor Kurzem Thema bei einer Pressekonferenz auf dem Starnberger See.
Starnberg – Dunkle Wolken über dem Starnberger See. Auch an Bord der „EMS Berg“ herrschte gedämpfte Stimmung. Daran konnte auch die musikalische Begleitung des Ensembles MisterAct nichts ändern. Auf der „Schwimmenden Pressekonferenz“ von Bayerischer Eisenbahngesellschaft (BEG), S-Bahn München, Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) zeichneten deren Vertreter ein düsteres Bild für den öffentlichen Nahverkehr und die Verkehrswende.
Es fehlen Millionen Euro für den ÖPNV im Oberland
Lediglich Michael Grießer, der Geschäftsführer der Bayerischen Seeschifffahrt, wollte nicht so ganz ins trübe Bild seiner Begleiter passen. Er blickt durchaus optimistisch auf die nächsten Monate der Seeschifffahrt von Königssee, Tegernsee, Ammersee und Starnberger See. Die hohen Pegel von Starnberger See und Ammersee sorgen Grießer. Während auf dem Ammersee die Ausflugsschiffe wieder normal verkehren können, gilt auf dem Starnberger See nach wie vor ein Notfahrplan. Angefahren werden nur die Stege in Starnberg, Tutzing und seit einer Woche auch wieder Seeshaupt. Die Pegel sinken nur langsam, Geschäftsführer Grießer hofft, bis zu den Sommerferien auf dem Starnberger See wieder in Normalbetrieb gehen zu können. Auch auf dem Tegernsee herrscht aktuell ein eingeschränkter Fahrplan, der Königssee blieb im Juni zur großen Überraschung vom Hochwasser verschont.
ÖPNV: Hohe Defizite, kein Geld vom Bund, keine Planungssicherheit
MVV-Geschäftsführer Dr. Bernd Rosenbusch passte die Stimmung an Bord wieder schnell dem trüben Himmel an: „Wir sind zur Daseinsvorsorge verpflichtet, das ist unsere Aufgabe. Aber wer soll das bezahlen?“ Und um Pflicht und Geld sollte sich nicht nur die Rückschau drehen, dem eigentlichen Grund der jährlichen Pressefahrt. Sondern vor allem um einen vagen Ausblick in die nächsten Jahre. Denn seit Einführung des 49-Euro-Deutschlandtickets hat allein der MVV bislang ein Defizit von 300 Millionen Euro zu verbuchen. „Eigentlich ist das Ticket ja ein Erfolg“, betonte Rosenbusch. Nur: Ohne Einnahmen beziehungsweise ohne den finanziellen Ausgleich durch den Bund – ein Teil der verabredeten Mittel ist noch nicht ausbezahlt – zahle man drauf, resümiert Rosenbusch.
„Wir haben ein Ticket eingeführt, ohne zu wissen, ob wir uns das überhaupt leisten können“, ergänzte Ingo Wortmann, MVG-Chef und Geschäftsführer Mobilität der Stadtwerke München. Das 49-Euro-Ticket – rund elf Millionen Menschen nutzen es bundesweit, im Freistaat ist jeder Dritte mit ihm unterwegs – ist derzeit auch Gegenstand der Länder-Verkehrsministerkonferenz. Und diese Runde hat am Montag eine Preis-Erhöhung ab 2025 verabschiedet. Wie teuer es wird, soll im Oktober entschieden werden.

Eigentlich hat man auf Seiten der Verkehrsbetriebe mit einer deutlichen Zunahme an Fahrgästen durch die von der Ampel-Regierung angekündigte Verkehrswende gerechnet. Mehr Kundschaft bedeutet nämlich auch mehr Einnahmen. Mit diesen könnten schließlich auch wichtige Projekte wie die Umstellung auf Elektrobusse und der Ausbau bestimmter Verbindungen angestoßen werden. Auch vom Bund erhoffte man sich mehr Mittel, gerade für die marode Infrastruktur. Ebenso bei der Digitalisierung wollte man eigentlich schon viel weiter sein. Doch bislang blieb es lediglich bei Zusagen aus Berlin. „Den großen Geldsegen wird es in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben“, prophezeite Thomas Prechtl, Sprecher der Geschäftsführung der BEG.
Ist die Verkehrswende also gescheitert? Ist eine klimafreundliche Mobilität überhaupt noch möglich? „Es steht außer Frage, in den vergangenen 40 Jahren wurde zu wenig getan“, betonte S-Bahn-Chef Heiko Büttner. Alles, was man jetzt auf „die Schiene“ gesetzt habe, seien mittelfristige Projekte, so etwa die zweite Stammstrecke, das neue Ausbildungszentrum für den Nachwuchs, der Erdinger Ringschluss oder das S-Bahn-Werk westlich von München. Für ein Gelingen der Verkehrswende müssen aber jetzt und sofort die Infrastruktur verbessert, die Fahrzeugflotten von S-Bahn und Elektrobussen verbessert und vergrößert werden, „damit es nicht zu den täglichen Störungen und Ausfällen bei der S-Bahn und dem Regionalverkehr kommt“, so BEG-Sprecher Prechtl. Er rechnet selbst mit Geld mit einer Mindest-Sanierungsdauer von zwei Jahrzehnten.
Echtzeitdaten, Verbund-Erweiterung und Ruftaxen
Ein kleiner Lichtblick sei dagegen, so MVV-Mann Rosenbusch, was die Landkreise beim Ausbau des Nahverkehrs leisten. Die beste ÖPNV-Versorgung biete der Landkreis Fürstenfeldbruck. Gefolgt von den Kreisen München und Starnberg. Er betonte die Anbindung der Landkreise Miesbach und des südlichen Tölzer Raums an den MVV sowie die Stadt Rosenheim. „Jetzt wollen wir noch den Landkreis Garmisch-Partenkirchen mit reinholen, mit Mühldorf sind wir im Gespräch und auch Landshut würde gut zu uns passen.“ In naher Zukunft müsse an der Fahrgastinformation mit Echtzeitdaten, an fahrplangebundenen Ruftaxen und sogenannten Flextaxen gearbeitet werden. Doch dazu braucht man wieder Geld.
Der Baustellenkalender für die kommenden Monate
Auch im zweiten Halbjahr gibt es bei den Bahnlinien im Oberland wieder längere Streckensperrungen. Damit sich die Bahnkunden einen Überblick über die Einschränkungen verschaffen können, hat der Fahrgastverband eine kalendarische Übersicht der geplanten Streckensperrungen im Werdenfels, Pfaffenwinkel und auf der Ammerseebahn erstellt. (https://www.pro-bahn.de/weilheim/pdf/Baustellenkalender-2024.pdf)
Der Schwerpunkt der Baumaßnahmen mit mehrmonatigen Sperrungen liegt bei der Strecke Murnau – Oberammergau und der Ammerseebahn Weilheim – Geltendorf. Kritisch sieht der Fahrgastverband die Sperrung der Strecke München – Starnberg von 18. Oktober bis 4. November – zeitgleich zur Sanierung der Ammerseebahn: „Wir begrüßen natürlich die Reparaturmaßnahmen der DB InfraGo, aber die zeitgleiche Sperrung von Ausweichstrecken ist keine gute Idee“, so Pro Bahn-Sprecher Norbert Moy mit Verweis auf die oft problematischen Ersatzverkehre. Erst im Jahr 2025 soll auch die desolate Pfaffenwinkelbahn in Angriff genommen werden, bis dahin bremsen dort insgesamt drei Langsamfahrstellen mit 20 und 30 Stundenkilometern die Züge aus. Auch auf der Hauptstrecke München – Mittenwald bestehen noch zahlreiche Mängel: Insbesondere zwei neue Langsamfahrstellen mit nur 20 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit bei Gauting und Feldafing sorgen für Verspätungen.
Aus Sicht von Pro Bahn müssen bei so langdauernden Sperrungen möglichst alle Gewerke zeitgleich repariert werden. Negativbeispiel ist die Kochelseebahn, die im letzten Jahr für die Erneuerung der Oberleitung über Monate gesperrt war. Der Oberbau ist aber so marode, dass aktuell fünf Zugpaare ausfallen müssen, um den Fahrplan zu stabilisieren.
Mit den Newslettern von Kreisbote und Das Gelbe Blatt täglich zum Feierabend sowie mit den neuen Apps von Kreisbote und Das Gelbe Blatt immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.