Koalitionsverhandlungen: Verhandeln wie ein Profi - oder wie Merz

 

Mit Blick auf den „Schwarzen Montag“ gestern an den Börsen hält Friedrich Merz die versprochene „Wirtschaftswende“ (Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, Rückbau der Bürokratie, niedrigere Energiepreise und Sozialausgaben) für „dringlicher denn je“.

Die SPD beharrte zuletzt jedoch auf Steuererhöhungen für Gutverdiener und die Festschreibung des Rentenniveaus, was höhere Beiträge bedeutet. Auch wegen dieser Uneinigkeit badet die AfD im Umfragehoch (24,5 Prozent laut Insa), gleichauf mit der Union.

Koalitionsverhandlungen: Das Glaubwürdigkeitsproblem der CDU

Deren Beliebtheit leidet unter Friedrich Merz, dessen zweiter Vorname derzeit „Glaubwürdigkeitsproblem“ lautet, nicht „Dealmaker“. Denn dafür bräuchte es so etwas wie … Verhandlungsgeschick.

Damit wären wir bei der langjährigen Stanford-Professorin Maggie Neale. In ihren Vorlesungen amüsierte sie sich über die Konkurrenz aus Harvard, die das Buch „Getting To Yes“ geschrieben hatte (in etwa: Der Weg zum Ja).

Neales Mantra: „Bewerten Sie eine Einigung nie höher als eine Lösung.“ Sie hämmerte uns ein: „Nicht das ,Ja’ ist das Ziel, sondern ein gutes Ergebnis!” Ihr eigenes Buch heißt dementsprechend „Getting (More Of) What You Want“(kurz: Mehr für sich rausholen).

Ganz wichtig dafür: eine Walk-Away-Option. Gehen zu können (und es auch zu tun), wenn sich keine Lösung abzeichnet. Merz’ Problem: Er konnte den Verhandlungstisch gar nicht verlassen. Denn die CDU hat, aus gutem Grund, ihren Machthebel aus der Hand gegeben, also die Drohung mit dem Partnertausch zur AfD.

Koalitionsverhandlungen: Mangelndes Verhandlungsgeschick

Warum Merz vor diesem Hintergrund weitreichende Zugeständnisse bei der Schuldenbremse gemacht hat, bevor die SPD ihrerseits etwas Substantielles zugesichert hat – auch dafür findet sich bei Maggie Neale eine mögliche Antwort: Macht.

Akteure mit hoher Machtposition sind optimistisch, tatendurstig und zukunftsorientiert – zugleich neigen sie zu übersteigertem Selbstvertrauen, Risiko und der Illusion, alles im Griff zu haben. Typische Nebenwirkungen: Aktionismus, Beratungsresistenz und die Neigung, Menschen eher als Mittel zum Zweck zu betrachten.

Mächtige Akteure machen in Verhandlungen oft das erste Angebot, ob gut für sie oder nicht, und sie sind selten richtig vorbereitet. Weil sie glauben, es nicht sein zu müssen.

Das muss auf Merz natürlich alles nicht zutreffen. Dennoch lohnt ein Blick auf die Lösung: Ein weniger mächtiger, loyaler Berater, der unangenehme Wahrheiten sagen darf, ohne gefeuert zu werden. Eigentlich sollte es dafür eine feste Planstelle im Kanzleramt geben.

Bis Merz dort einzieht, könnte die AfD bereits an der Spitze der Umfragen stehen. Doch aus der Sicht des halbvollen Glases: Die Erwartungen an ihn sind derart im Keller, dass es eigentlich nur besser werden kann.