Hannah sieht ihre Generation als Verlierer - 26-jährige Konditorin hat ihre Rente ausgerechnet und versteht die Welt nicht mehr

Im Mai hat das Kabinett nach monatelangem Ringen das Rentenpaket II beschlossen. Ihr spontaner Gedanke, wenn Sie sich das Ergebnis anschauen?  

Hannah: Dass die Rentenpolitik von Leuten gemacht wird, die selbst nicht von diesen Entscheidungen betroffen sind. Nicht nur, dass unsere Politiker im Schnitt ein vergleichsweise hohes Einkommen haben. Sie sind ja allein schon durch ihren Beamtenstatus bei dem Thema raus. Ich finde das nicht fair, wenn immer vom „Topf“ die Rede ist, in den „eingezahlt werden muss“. Das klingt so, als gäbe es nur diesen einen Topf, als wäre die Last einigermaßen gerecht verteilt. Die Wahrheit ist aber: Wer irgendwie kann, sorgt privat fürs Alter vor. Und das ist der Knackpunkt: Viele können das nicht.  

Als selbstständige Konditorin sind sie da im Vorteil.  

Hannah: Eben nicht. Ich weiß, das denken viele. Wer selbstständig ist, hat Glück gehabt, muss nicht in die Rentenkasse einzahlen. Das stimmt so leider nicht. Wer in der so genannten Handwerksrolle eingetragen ist, muss mindestens 18 Jahre lang die vollständigen Pflichtbeiträge in Höhe von 657 Euro monatlich bezahlen. Wir Konditoren gehören dazu oder zum Beispiel auch die Friseure. Der Hintergrund ist meines Wissens der, dass man davon ausgeht, dass man in diesen Berufen nicht so viel verdient. Deshalb möchte man die Leute fürs Alter absichern. Sie sollen später nicht vor dem Nichts stehen. 

Immer weniger Beitragszahler kommen für immer mehr Beitragsempfänger aus

Und das macht für Sie keinen Sinn?  

Hannah: Nein, nicht unter den heutigen Bedingungen. Jeder weiß doch, dass immer weniger Beitragszahler für immer mehr Beitragsempfänger aufkommen müssen – Stichwort Überalterung der Bevölkerung. Aktuell finanzieren zwei Erwerbstätige einen Rentner. 1962 waren es noch sechs Beitragszahler, die sich diesen Job geteilt haben. Für die Jüngeren wird die Belastung von Jahr zu Jahr größer.  

Daher ja auch das Rentenpaket, das für Stabilität sorgen soll.  

Hannah: Und was habe ich davon? Gerade wurde beschlossen, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2039 nicht unter 48 Prozent sinken soll. Ich bin dann 42 Jahre alt, stehe also noch voll in Arbeit. Ich gehe nicht davon aus, dass ich selbst eines Tages auch nur ansatzweise bei den 48 Prozent lande.  

Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, ist da bei Ihnen. Sie sagt, die aktuellen Zugeständnisse an die Rentner würden vollständig zu Lasten der jungen Generation gehen. Andere sprechen gar von einer Aufkündigung des Generationenvertrages. Wie kommt diese Kritik bei Ihrer Generation an?  

Hannah: Ganz ehrlich: Da redet kaum einer drüber. Die Rente ist weit weg. Was die Leute in meinem persönlichen Umfeld angeht: Die meisten sind im Anstellungsverhältnis. Heißt: Für sie zahlt der Arbeitgeber anteilig in die Rentenkasse ein. Ich glaube, dass das Thema damit für viele erledigt ist. Die sehen jeden Monat auf dem Gehaltszettel, dass ein Betrag X abgeführt wird und machen dann innerlich einen Haken dran. Hätte ich vielleicht genauso gehandhabt. Wie gesagt: Bei mir liegt es an der Selbstständigkeit, dass ich anders mit dem Thema Rente konfrontiert wurde. Seitdem ich weiß, was Sache ist, mache ich mir Sorgen.  

Erzählen Sie mal: Was ist denn genau Sache?  

Hannah: Da ist zum einen die Sache mit den Rentenpunkten, bei denen ich schlechter dastehe als gedacht. Hintergrund: In Deutschland kann man auf verschiedene Weise den Meister absolvieren, und bei meinem Meisterkurs waren es offenbar zehn Stunden zu wenig, um dafür die anrechenbaren Rentenpunkte zu bekommen. So etwas wird einem vorher aber nicht gesagt. Klar könnte man jetzt sagen „selbst schuld“, man hätte sich informieren können. Ich aber frage: Wieso wird ein solcher Kurs denn überhaupt angeboten? Wobei ich dem Kursanbieter keine Schuld geben will. Nicht er ist es schließlich, der sich mit den Rentenpunkten auseinandersetzt.  

Jetzt bitte mal konkret. Wie hoch sind Ihre monatlichen Aufwände in Sachen Rente?  

Hannah: Der Betrag errechnet sich aus dem für Deutschland durchschnittlichen Einkommen. Da das Einkommen zu Beginn der Selbstständigkeit in der Regel niedriger ist, besteht die Möglichkeit, als Existenzgründer den halben Regelbetrag zu bezahlen.  

Das klingt allerdings eher fair.  

Hannah: Tatsache ist: Im Moment gehen monatlich 328 Euro von meinem Konto an die Rentenkasse. Im nächsten Jahr wird sich dieser Betrag verdoppeln. Ob das fair ist, sei zunächst mal dahingestellt. De facto weiß ich nicht, wie ich so viel Geld aufbringen soll. Ich bin von Haus aus ein positiv denkender Mensch, sage mir immer: Das wird schon irgendwie. So ging es mir auch, als ich mit der Patisserie gestartet bin. Die Kehrseite der Medaille ist vielleicht manchmal eine gewisse Naivität. 

Rente als „vernünftige Vorsorge“ - wie kann das sein?

Was meinen Sie damit?  

Hannah: Naja, dass ich doch so viel in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen muss, war ein kleiner Schock, das wusste ich nicht. Klar würde ich den Betrag viel lieber privat anlegen. Da kann von Seiten der Politik noch so sehr beschwichtigt werden.  

Wer beschwichtigt denn?  

Hannah: Es gibt Abgeordnete, die nennen das, wozu ich verpflichtet bin, allen Ernstes eine „vernünftige Vorsorge“. Wie kann so was sein? Selbst Leute, die bei der Rentenkasse arbeiten, sagen das Gegenteil!  

Woher wissen Sie das?  

Hannah: Als klar war, wie viel ich jeden Monat bezahlen muss, wollte ich es genau wissen. Ich bin zur Rentenkasse gegangen und wollte Klarheit über zwei Dinge.