Großbritannien-Wahl: Was ein Labour-Sieg für das Verhältnis zur EU bedeuten würde
Umfragen sehen den einstigen Brexit-Gegner Keir Starmer bei den Wahlen in Großbritannien in Führung. Ob das Auswirkungen auf das Verhältnis zur EU hat, ist fraglich.
London – Großbritannien wählt am Donnerstag (4. Juli) ein neues Kabinett – und stimmt damit vielleicht für eine Wende in der EU-Politik. Denn nach 14 Jahren Tory-Regierung wird aller Wahrscheinlichkeit nach Keir Starmer von der sozialdemokratischen Labour-Party in das Amt des Premierministers erhoben. Er galt als Brexit-Gegner und trat für engere Beziehungen zur Europäischen Union ein.
Vier Jahre Brexit: Was sich mit Labour nach der Großbritannien-Wahl ändern könnte
Von den einstigen Brexit-Treibern, die 2016 den Austritt Großbritanniens aus der EU angeschoben haben, ist heute keiner mehr übrig. Boris Johnson, die letzte verblieben Schlüsselperson der „Vote-Leave“-Kampagne, ist mit seinem Rücktritt als Abgeordneter im Juni 2023 von der politischen Bildfläche verschwunden. Drei Jahre zuvor hat er sein Amt als Premierminister an seine Parteikollegin Liz Truss abgegeben. Nach ihrem Rücktritt im Oktober 2022 übernahm Rishi Sunak als Vorsitzender der Konservativen Partei die Regierungsverantwortung.
Alle drei eint eine grundlegende Befürwortung des Brexits. Doch aktuelle Umfragen deuten jetzt einen Sinneswandel in der britischen Bevölkerung an. In einer Erhebung des britischen Senders Sky News, liegt die Labour-Party mit 39,1 Prozent deutlich vor der amtierenden Konservativen Partei, die bei der Befragung lediglich auf 21,1 Prozent kommt. Das könnte auch an den nicht eingelösten Versprechen der Konservativen liegen, die sie mit dem EU-Austritt gegeben haben. Denn weder kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, noch wurde die Migration nach Großbritannien eingedämmt.
Damit ist ein Sieg der Konservativen bei der Großbritannien-Wahl an diesem Donnerstag so gut wie ausgeschlossen und der Chef der Labour-Party wird wohl neuer Premierminister im Vereinigten Königreich. Und das könnte sich auf das Verhältnis zur Europäischen Union (EU) erheblich auswirken.
Rückkehr zur EU? Labour-Chef Starmer positioniert sich vor Großbritannien-Wahl
Im Jahr 2016 votierten 51,9 Prozent der Briten für einen Austritt aus der EU und überstimmten damit nur knapp die EU-Befürworter, die mit 48,1 Prozent für einen Verbleib abstimmten. Seitdem hat sich vieles gewandelt in dem Land. Alleine im Jahr 2023 soll der EU-Austritt die Bruttowertschöpfung in dem Land um 140 Milliarden Pfund geschmälert haben, berichtete der Spiegel. Außerdem steigen laut Tagesschau die Preise für Nahrungsmittel aufgrund von Importkosten deutlich an. So würden 230 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr erwartet.
Meine news

Aus diesem Grund lautete das Urteil des Londoner Bürgermeisters, Sadiq Khan, „dass der Brexit nicht funktioniert“, wie ihn der Spiegel aus einer Rede Anfang des Jahres zitiert. Er sei für eine Wiederannäherung des Landes an die EU.
Der gleichen Meinung scheint der voraussichtliche Premierminister Starmer zu sein. Er kritisierte Mitte Juni die von Ex-Premier Johnson ausgehandelten Handelsabkommen mit der Eu. „Ich denke, viele Unternehmen würden sagen, dass wir etwas brauchen, das besser für uns taugt“, so Starmer bei einer Wahlkampfrede in Southampton. Eine Rückkehr zur EU schließt er dennoch aus: „Wir haben die Entscheidung getroffen, die EU zu verlassen, also werden wir nicht wieder eintreten“.
Vor Großbritannien-Wahl: Briten hoffen laut Umfrage auf Brexit-Referendum
Die Botschaft Starmers, den Brexit nicht rückgängig machen zu wollen, scheint jedoch nicht bei allen seinen Wählerinnen und Wählern angekommen zu sein. Eine Umfrage der Denkfabrik More in Common, im Auftrag von Politico, hat ergeben, dass 30 Prozent der Labour-Wählerschaft der Meinung sei, Starmer habe versprochen, Großbritannien wieder in den EU-Binnenmarkt zu führen oder dem Staatenbund erneut beizutreten.
Doch der Labour-Chef plädiert lediglich für eine engere Beziehung zur EU und nicht für den Wiedereintritt in den Binnenmarkt oder die Zollunion. Laut Politico ist dies vor allem Wahlkampftaktik, um eingefleischte Brexit-Befürworter für sich zu gewinnen. Denn um die schwer umkämpften nord- und mittelenglischen Bezirke zu gewinnen, müsse sich auch der ehemalige Brexit-Gegner Starmer von einem Wiedereintritt distanzieren. (nhi)