Wohnungsnot in Deutschland: Nur noch 150.000 Neubauten pro Jahr?

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Die Wohnungsnot in Deutschland spitzt sich weiter zu: Im kommenden Jahr wird noch weniger neuer Wohnraum geschaffen, als in diesem. Doch trotz des enormen Bedarfs steht jede 23. Wohnung leer. Woran liegt das?

Berlin – Der Wohnungsmarkt in Deutschland steckt in der Krise: Während in städtischen Gebieten Wohnungsnot herrscht, stehen in vielen ländlichen Regionen die Wohnungen leer. Die Kombination aus fehlendem Neubau und ungenutztem Leerstand verschärft das Wohnungsproblem zunehmend. Die Lage wird sich nächstes Jahr drastisch verschärfen. Geht es nach einer aktuellen Prognose der Bauindustrie, dürften 2025 noch weniger neue Wohnungen entstehen, als dieses Jahr. Nun soll „einfacher“ gebaut werden.

Deutschland steckt in einer Baukrise: Nur noch 150.000 Neubauten pro Jahr?

„Beim Wohnungsbau droht im nächsten Jahr ein Debakel, seit zwei Jahren werden kaum neue Bauanträge gestellt“, erklärt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands HDB, in einem Bild-Gespräch. „Wir können froh sein, wenn 200.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Es gibt sogar einige Stimmen, die sagen, dass es möglicherweise nur 150.000 werden“.

Für den Verbandschef liegt die Lösung auf dem Tisch, die Politik solle ein „Bekenntnis zum einfachen Bauen“ abgeben. Dafür müsse es von der neuen Bundesregierung in Deutschland einen „echten Kurswechsel“ in der Wohnungspolitik geben. Seine Idee: Die Zusammenlegung der Bundesministerien Bau und Klimaschutz – „nur wenn beides zusammengelegt und -gedacht wird, entstehen gute und vor allem bezahlbare Lösungen“. Unter einfachem Bauen versteht er Bürokratieabbau, weniger Gebäudeerfordernisse und „verlässliche“ Förderungen.

Aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts zeigen, dass bereits im aktuellen Jahr die Baugenehmigungen in Deutschland stark zurückgegangen sind. So seien von Januar bis Oktober 2024 nur etwa 175.800 Wohnungen genehmigt worden – „das waren 19,5 % oder 42 600 weniger als im Vorjahreszeitraum“. Dieser Trend zeichnet sich bereits seit zwei Jahren ab, Grund sind gestiegene Baukosten, aber auch hohe Zinsen. Dabei wollte die Ampel-Koalition jedes Jahr für 400.000 neue Wohnungen sorgen.

Unzureichende Auftragslage: Krise im Hochbau, nur Tiefbau erwartet steigende Umsätze

Die Umsätze im Bauhauptgewerbe werden aller Voraussicht nach sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr weiter zurückgehen, bezieht sich das Handelsblatt auf eine Umfrage vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe, an der 1642 Firmen teilgenommen haben. Die Geschäftserwartungen für den Hochbau und den Wohnungsbau sehen dabei besonders schlecht aus. Der Verband prognostiziert im Wohnungsbau für 2024 einen Umsatzrückgang von 14 Prozent auf 51 Milliarden Euro und für 2025 einen weiteren Rückgang um sieben Prozent auf 48,7 Milliarden Euro.

Grund für die kriselnde Stimmung im Hochbau ist die weiterhin unzureichende Auftragslage. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen rechnen in den nächsten Monaten sogar mit einer Verschlechterung der Lage, während 40 Prozent von einer Stagnation ausgehen. Steigende Umsätze werden hingegen im Tiefbau erwartet.

In Deutschland fehlen 800.000 Wohnungen: Wohnungsmangel treibt Mietpreise in die Höhe

Laut dem Hannoveraner Pestel-Institut fehlen bundesweit sogar 800.000 Wohnungen. Der Wohnungsmangel macht sich auch auf dem Mietmarkt bemerkbar. Da in Städten die hohe Nachfrage auf ein begrenztes Angebot trifft, rechnen Immobilienexperten für 2025 mit einem deutlichen Anstieg der Mietpreise. Auch bei den Kaufpreisen dürfte es aufgrund der gesunkenen Zinsen wieder zu einem Aufschwung kommen.

Baubranche
In Deutschland herrscht Wohnungsnot. (Archivbild) © Jan Woitas/dpa

Trotz des akuten Wohnungsmangels ist in Deutschland in etwa jede 23. Wohnung unbewohnt. Rund 1,9 Millionen Wohnungen stehen aus verschiedenen Gründen leer. Diese Zahl basiert auf einer Untersuchung des Statistischen Bundesamts und verdeutlicht die Kluft am deutschen Immobilienmarkt. Ein möglicher Grund dafür ist, dass viele Eigentümer zögern, ihre leerstehenden Wohnungen zu sanieren. „Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, meint der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther.

Zudem seien immer mehr Immobilienbesitzer von der Politik verunsichert worden: „In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit“.

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