Russland präsentiert Nuklearrakete: „Avangard“ ist für Putin die „absolute Waffe“
Moskau lässt die Stationierung einer weiteren Atomrakete gut sichtbar für die Nato und die USA dokumentieren. Wladimir Putin gilt als großer Fan der Waffe.
Orenburg - Weil es für Russland im Ukraine-Krieg bei Weitem nicht so läuft, wie von Moskau gewünscht, müssen öffentlich auch Fotos von imposanten Raketen herhalten, um die verheerenden Verluste im überfallenen Nachbarland in den Hintergrund zu rücken. So hat das Regime von Kreml-Autokrat Wladimir Putin nun zum zweiten Mal die Stationierung eines Hyperschall-Gleitflugkörpers „Avangard“ publik gemacht.
Russland stationiert „Avangard“: Moskau stellt erneut Hyperschall-Gleitflugkörper vor
Laut russischer Nachrichtenagentur Interfax wurde eine weitere strategische Nuklearrakete in Dienst gestellt. Der Stratosphären-Gleitflugkörper kann von einer ballistischen Interkontinentalrakete getragen werden und im abgekoppelten Flug einen Nukleargefechtskopf mit sich tragen.
Die Russen platzierten die „Avangard“ eigenen Angaben zufolge bei der Stadt Orenburg im südlichen Föderationskreis Wolga an der Grenze zu Kasachstan. Dort steht seit Ende 2019 bereits der erste offiziell vorgestellte Hyperschall-Gleitflugkörper. Putin hatte Anfang 2020 im Zusammenhang mit der Vorstellung der „Avangard“ von der „absoluten Waffe“ gesprochen.
Hyperschall-Raketen „Avangard“: Russischer Gleitflugkörper kann Nukleargefechtskopf tragen
Der Grundgedanke hinter den Hyperschall-Raketen ist vereinfacht, diese so schnell fliegen zu lassen, dass sie für Raketenabwehrschirme nicht mehr zu verteidigen sind. Was freilich ein ganz anderes Bedrohungspotenzial bedeutet, das von dem ausgeht, der diese Waffen besitzt. Nach der Präsentation der „Avangard“ hatte ein westlicher Experte indes beschwichtigt.
„Die Russen haben die ‚Avangard‘ mit großem Bohei eingeführt, das brachte ihnen viel Aufmerksamkeit. Hyperschallwaffen sind technisch eine vergleichsweise neue Kategorie. Sie können die ohnehin sehr begrenzte Raketenabwehr der USA umgehen und konventionell wie nuklear eingesetzt werden“, erklärte der Physiker Götz Neuneck damals dem Spiegel: „Das klingt, oberflächlich betrachtet, nach einer bedrohlichen Neuerung. Die Waffen sind aber längst keine so große Revolution wie Putin suggeriert. Es handelt sich hier eher um ein Machtgebaren, auch innenpolitisch.“
Hyperschall-Raketen der Russen: Flugkörper mit extrem hoher Geschwindigkeit
Wie der Name schon sage, „fliegen die Flugkörper mit extrem hoher Geschwindigkeit. Von Hyperschall ist die Rede, sobald ein Projektil fünffache Schallgeschwindigkeit erreicht - Mach 5. Das entspricht ungefähr 6000 Kilometer pro Stunde oder 1,7 Kilometer in der Sekunde“, erzählte Neuneck: „Die ‚Avangard‘ soll etwa die 20-fache Schallgeschwindigkeit erreichen können.“ Neuneck hat sich in seiner Vita ausführlich mit Interkontinentalraketen auseinandergesetzt.
Die Waffen sind längst keine so große Revolution wie Putin suggeriert. Es handelt sich hier eher um ein Machtgebaren, auch innenpolitisch.
„Avangard“-Gleitkörper Russlands: Wladimir Putin ist großer Fan der Rakete
Der 69-jährige Norddeutsche war zwischen 2009 und 2019 Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor des Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Rüstungskontrolle und Rüstungstechnologien, die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie Raketenabwehr.
„Wichtig ist zu betonen, dass alle ballistischen Langstreckenraketen Hyperschall erreichen. Die Geschwindigkeit allein ist also nichts Neues, eher die Manövrierfähigkeit. Der ‚Avangard‘-Gleitkörper kann etwa mithilfe von Klappen beim Wiedereintritt in die Atmosphäre seine Richtung ändern“, erklärte er im Spiegel zu Putins Rakete weiter: „Hyperschallwaffen können Abwehrsysteme auf diese Weise noch leichter umfliegen als andere Geschosse.“ Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in seinem Jahrbuch von 2021 schrieb, besaß der Kreml damals sechs „Avangard“-Nuklearraketen. Die geschätzte Reichweite wurde aus Schweden mit 10.000 Kilometern angegeben.
| einsatzfähige Atomsprengköpfe 2023: | gesamtes Arsenal 2023: | |
| Russland: | 4489 | 5889 |
| USA: | 3708 | 5244 |
| weltweit insgesamt: | 9576 | 12.512 |
Quelle: Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri
Russland rückt Raketen-Arsenal in den Fokus: Ukraine berichtet von angeblich gescheiterten Tests
Russland rückt sein Raketen-Arsenal derzeit auffällig offensiv in den Fokus. Am 5. November vermeldete Moskau den angeblich erfolgreichen Test einer ballistischen Interkontinental-Rakete vom Typ „Bulawa“ im Weißen Meer. Der Geheimdienst der Ukraine behauptete indes, dass Russland am 1. November angeblich erfolglos Tests mit der Interkontinentalrakete „Yars“ durchgeführt habe. Laut SIPRI haben insgesamt neun Länder Atomwaffen: die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. Die Amerikaner und die Russen hätten in ihren Beständen fast 90 Prozent der nuklearen Sprengköpfe. (pm)