Hitzige Debatten mit der Grünen-Spitze
„Heute wird‘s heiß und laut“, mit dieser Prophezeihung sollte Katharina Schulze Recht behalten. Auf ihrer Wirtshaus-Tour machte sie auch in Kirchdorf Halt.
Miteinander reden und nicht übereinander – diesen grundsätzlich überaus bayerischen Grundsatz möchte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, wieder mehr etablieren und sich damit auch einer Spaltung in der Gesellschaft entgegenstemmen. Auch typisch bayerisch: Am besten und am direktesten wird am Stammtisch geredet, weshalb Schulze aktuell auf einer sogenannten Wirthaus-Tour ist. Am Donnerstag machte sie zusammen mit ihrem Stellvertreter Johannes Becher beim Schuhbauer-Wirt in Kirchdorf Halt, um sich den Fragen aus der Bevölkerung zu stellen.
„Heute wird’s heiß und laut“, prophezeite Schulze und behielt durchaus Recht. Denn der Geräuschpegel im dampfigen und rappelvollen Schuhbauer-Oberwirt war enorm, um nicht zu sagen teilweise sogar unerträglich, weil man sein eigenes Wort zeitweise nicht mehr verstand. Die Ursache: Schulze, wie auch Becher, gingen von Tisch zu Tisch, acht in der Gesamtzahl, und tauchten für zehn Minuten in die Diskussionen ein, während an den anderen Tischen laut politisiert, philosophiert oder einfach nur geratscht wurde.
Auch über die Einführung der Wehrpflicht wurde diskutiert
„Für mich ist das nix, da müssen sie wirklich an dem Konzept noch was ändern“, mahnte deshalb ein Kirchdorfer an, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen wollte. Den Grund formulierte er so: „Bei dem Grünen-Bashing heutzutage muss man vorsichtig sein – da reicht es ja schon, wenn man irgendwann mal grün gewählt hat.“ Was er Schulze mit auf den Weg gab: Auch mal Leistungen positiv nach außen tragen, wie etwa das 49-Euro Ticket, und sich eben nicht alles schlechtreden lassen.

Vor Ort waren aber nicht nur Grüne oder Freunde der Partei, sondern unter anderem ein Mitglied der Jungen Union. Der diskutierte mit Schulze ausgiebig über die Einführung der Wehrpflicht – und das durchaus auf Augenhöhe und mit ganz viel gegenseitigem Respekt. Einig werden konnten sich die beiden dann abschließend nur, dass Deutschland per se wehrtauglicher werden müsse – nur im Weg dorthin unterschieden sich ihre Meinungen deutlich. Das Resümee des jungen CSUler: „Das war ein sehr angenehmes Gespräch.“ Weshalb er gekommen war, erklärte er so: „Ich wollte sie mal Face-to-Face erleben, das hat mich einfach interessiert. Im Fernsehen sind die Leute ja oft ganz anders.“
Man ist da nicht nur der Erklär-Bär, sondern man erfährt einfach, was die Leute beschäftigt, und die Menschen erzählen uns ihre Geschichten.
Und welche Fragen wurden Johannes Becher eigentlich gestellt? Dem FT verriet er: „Es ging einiges um Bürokratie, die Bezahlkarte, den Hochwasserschutz – die Themen waren wirklich querbeet.“ Was ihm besonders gut gefallen hat bei der Stammtisch-Veranstaltung: „Man ist da nicht nur der Erklär-Bär, sondern man erfährt einfach, was die Leute beschäftigt, und die Menschen erzählen uns ihre Geschichten.“
Kirchdorfer Politiker waren nicht vor Ort
Keine Geschichten, dafür eine Forderung an Schulze gab es seitens Lucy Knott von der Grünen Jugend: „Die Grünen sollen sich öffnen und eben nicht nur eine Umweltpartei sein.“ Was ihr wiederum besonders gefallen hat: „Die Katharina war sehr gut drauf und sehr optimistisch.“ Eine Allershausener Gruppe fand ebenfalls lobende Worte: „Ich find‘s toll, dass sie hier ist. Raus aus der Stadt und rein aufs Land. Sie war im Gespräch sehr transparent und aufmunternd.“
Nach rund zwei Stunden waren Schulze wie auch Becher zwar erledigt, aber durchaus zufrieden mit dem Abend. „Die Welt wird nicht besser gemeckert, sondern man muss sie einfach besser machen und sich zusammenschließen“, betonte Schulze. Und weiter: „Ich hab‘ hier heute ganz viel Leidenschaft gespürt, die mir viel Mut und Kraft gibt.“ Vom FT angesprochen darauf, dass einige Gäste nicht mit ihrem Namen in der Zeitung stehen wollen, weil sie durchaus Angst vor Repressalien haben, war sie erschüttert. „Das tut mir wahnsinnig weh, das zu hören.“
Übrigens: Dass weder ein einziger Kirchdorfer Gemeinderat – nicht einmal ein Grüner – noch der Bürgermeister zu der Veranstaltung gekommen waren, überraschte durchaus auch einige Besucher sehr. Becher hingegen nahm es gelassen: „Ich geh’ mal davon aus, dass die alle im Urlaub sind, was anderes kann ich mir nicht vorstellen“.