Bürgergeld-Pläne von Merz als „Täuschungsmanöver“ – Sozialverband kritisiert CDU-Vorhaben

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Kanzler Merz will grundlegende Reformen beim Bürgergeld durchsetzen – am liebsten in Form von massiven Kürzungen. Der Sozialverband Deutschland spricht dagegen von einer „Scheindebatte“.

Berlin – Es ist kein Geheimnis: Die Union will dem Bürgergeld an den Kragen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) fordert immer wieder massive Kürzungen für Bürgergeld-Bezieher. Bald ist es wohl auch so weit: Der „Herbst der Reformen“ naht – und um über die Aufgaben zu beraten, traf sich der Kanzler mit den Spitzen der Union am Montagnachmittag (25. August 2025).

Bürgergeld: Merz fordert Neuausrichtung – „Sozialstaat nicht mehr finanzierbar“

Beim Parteitag der niedersächsischen CDU in Osnabrück sagte Merz am Wochenende: „Ich bin mit dem, was wir bis jetzt geschafft haben, nicht zufrieden. Das muss mehr werden.“ Er forderte eine Neuausrichtung des Sozialsystems. „Ich werde mich durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag und was da alles kommt, nicht irritieren lassen“, sagte der Kanzler weiter. „Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.“ 

Die SovD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier kritisiert die Bürgergeld-Pläne des Kanzlers. (Montage) © Montage/Imago/dts Nachrichtenagentur/SoVD/Susie Knoll

Für Sozialleistungen wie Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag sollen ab September in einer neuen Kommission Reformvorschläge gemacht werden. Bundesministerin Bärbel Bas (SPD) richtete dazu eine Sozialstaatskommission ein. Hintergrund sind in den kommenden Jahren erwartete weitere stark steigende Kosten in den Sozialsystemen, die Regierung muss also Sparmöglichkeiten finden.

SovD-Chefin Engelmeier: „Dieses Täuschungsmanöver auf Kosten der Bürgergeldbeziehenden hilft überhaupt nicht weiter“

Vor diesem Hintergrund warnt die SovD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier auf Anfrage von Ippen.Media: „Wer – wie jetzt wieder massiv – immer wieder vor explodierenden Sozialausgaben warnt und dabei Menschen im Bürgergeld in den Fokus rückt, schürt aus unserer Sicht eine Scheindebatte.“ Sie führt weiter aus: „Denn anders als ständig behauptet, gilt aufgrund der Freibetragsregelungen immer der Grundsatz: Wer arbeitet, hat auch wirklich mehr, als wer gar nicht arbeitet.“

Dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotzdem das Gefühl hätten, auf Grundsicherungsniveau zu verdienen, sei aber ein Alarmzeichen, das ernst genommen werden müsse. „Gegen Dumpinglöhne braucht es mehr Tarifbindung und vor allem einen höheren Mindestlohn von 15,12 Euro“, fordert Engelmeier. „Dieses Täuschungsmanöver auf Kosten der Bürgergeldbeziehenden hilft überhaupt nicht weiter. Es vergiftet lediglich die Debatte und das Gesamtklima. Wir fordern daher: Statt die Ärmsten gegeneinander auszuspielen, braucht es eine gerechte Steuerreform, bei der starke Schultern mehr Verantwortung übernehmen.“

Bürgergeld: Linnemann will Kürzungen – SPD dagegen

Bisher sieht es so aus, dass die Union das Bürgergeld komplett reformieren möchte. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kündigte dazu einen „heißen Ritt“ an. „Wer arbeiten kann und nicht will, bei dem muss der Staat davon ausgehen, dass er nicht bedürftig ist. Dann muss das Geld komplett gestrichen werden“, so Linnemann bei Welt TV. Merz hatte im Juli im ARD-„Sommerinterview“ gesagt, eine Deckelung bei den Mietkosten und eine Überprüfung der zugestandenen Wohnungsgröße seien bei Bürgergeld-Beziehern denkbar.

Bisher sperrt sich allerdings der Koalitionspartner SPD gegenüber den Unionsplänen. So sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dagmar Schmidt, zum Thema: „Leistungskürzungen wird es mit uns nicht geben.“ SPD-Vizechefin Serpil Midyatli mahnte Merz, der Staat habe die Verantwortung für alle Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. „Sozialdemokraten haben in mehr als 160 Jahren einen starken Sozialstaat erkämpft“, sagte sie der Bild. „Das allein auf die Kassenlage zu reduzieren, wird es mit uns nicht geben.“

Und selbst wenn es zu Kürzungen beim Bürgergeld kommen sollte, gibt es noch verfassungsrechtliche Bedenken. Denn das Bundesverfassungsgericht hat 2019 entschieden, dass eine Kürzung von 100 Prozent beim Bürgergeld nicht zulässig ist. Die Sanktionen gegen Bezieher, die keine Arbeit aufnehmen, dürfen nicht zu weit gehen, um das vom Grundgesetz geschützte Existenzminimum zu sichern. Kürzungen in Höhe von 30 Prozent sind demnach vertretbar, 60 oder 100 Prozent aber nicht. Und Kürzungen in Höhe von bis zu 30 Prozent gelten schon heute, beispielsweise bei Ablehnung von zumutbarer Arbeit durch Bürgergeld-Bezieher. (lma mit AFP und dpa)

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