Harris gegen Trump: Was bedeutet die US-Wahl für deutsche Anleger?

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Gebannt blicken viele Anleger auf die US-Präsidentschaftswahlen. Denn je nachdem, wer gewinnt, kann das recht unterschiedliche Folgen für die Kapitalmärkte haben.

New York – „Politische Börsen haben kurze Beine“, lautet eine Weisheit an den Kapitalmärkten. Sie besagt, dass politische Ereignisse in der Regel keinen nachhaltigen Einfluss auf Aktienkurse haben. Sollten Anleger folglich der aktuellen US-Wahl nicht allzu viel Gewicht beimessen? Viele Experten sind anderer Ansicht. „Wir beobachten die US-Wahl sehr genau, weil deren Ausgang dieses Mal doch erhebliche Auswirkungen auf die Märkte haben kann“, sagt Terry Ewing, Leiter Aktien bei Mediolanum International Funds.

Expertenmeinung erstaunt: Knappe Niederlage Trumps wäre das Schlimmste

Dabei ist aus Sicht von Investoren ein Szenario bei der Wahl zwischen der demokratischen Kandidatin Kamala Harris und dem republikanischen Bewerber Donald Trump besonders ungünstig: nämlich eine knappe Niederlage für Trump. „In diesem Fall befürchten wir monatelange juristische Auseinandersetzungen und aufgrund der Unsicherheit erhöhte Kursschwankungen am Kapitalmarkt“, sagt Ewing. Nach Ansicht der Experten von Hauck Aufhäuser Lampe wäre in diesem Fall sogar die Gefahr sozialer Unruhen groß. Doch selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, so gibt es doch eine ganze Reihe von Varianten mit unterschiedlichen Folgen für die Märkte.

Am wenigsten würde sich wohl ändern, wenn Harris gewinnt, da davon auszugehen ist, dass sie die bisherige Politik von Joe Biden im Großen und Ganzen fortführen wird. Das würde zum Beispiel eine fortgesetzte Unterstützung der Erneuerbaren Energien bedeuten, wovon Unternehmen aus dieser Branche profitieren dürften – und zwar sowohl in den USA als auch in Asien und Europa. Zudem hat Harris angekündigt, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, was den Basiskonsum ankurbeln könnte.

Nicht nur der Präsident ist bei der US-Wahl entscheidend: Wer gewinnt die beiden Kammern?

Anders sieht es bei einem Sieg von Donald Trump aus, wobei hier auch die Frage ist, wie sich die Mehrheiten in den beiden Kammern des US-Kongresses, dem Senat und dem Repräsentantenhaus, verteilen. Tatsächlich gehen die meisten Prognosen davon aus, dass es in den beiden Kammern zu einer geteilten Macht kommt, dass einmal die Demokraten und einmal die Republikaner die Nase vorn haben. In diesem Fall wären Trumps Möglichkeiten, sollte er gewinnen, zum Beispiel bezüglich der Fiskal- und Steuerpolitik eingeschränkt. Er würde sich dann wohl vor allem auf die Außenhandelspolitik und die Außenpolitik konzentrieren und die angekündigten Zollerhöhungen, wofür er die Zustimmung der Kammern nicht braucht, rasch einführen.

Harris führt in einer Umfrage zur US-Wahl in einem wichtigen Swing State. © Mike Stewart/Carlos Osorio/dpa (Montage)

Das wären für Asien und Europa keine guten Nachrichten. Aktuellen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge könnte ein Handelskrieg zwischen den USA und Europa über die vierjährige Amtszeit gerechnet allein für die deutsche Wirtschaft einen Verlust von bis zu 180 Milliarden Euro bedeuten. Und unter dem Strich vermutlich auch Kursverluste bei europäischen und chinesischen Aktien. Allerdings ist auch denkbar, dass die Republikaner die Mehrheit in beiden Kammern bekommen. Sollte Trump gewählt werden, könnte er somit durchregieren und den Spitzensteuersatzsatz auf Unternehmensgewinne – wie im Wahlkampf angekündigt – von derzeit 21 auf 15 Prozent senken. Dies würde ohne Frage den US-Aktienmarkt attraktiv machen.

„Trump-Trade“ auf Hochtouren: Profitieren die Aktienmärkte bei einem Republikaner-Sieg bei der US-Wahl?

Zudem hat Trump angekündigt, eine Rückkehr zu fossilen Brennstoffen zu unterstützen, während der Finanz- und der Telekommunikationssektor von Deregulierungsmaßnahmen profitieren könnten. „Abgesehen von der Einführung der Zölle ist vieles, was Trump plant, aktienmarktfreundlich, weshalb eine positive Reaktion der Märkte auf einen Trump-Sieg nicht auszuschließen ist“, sagt Ewing.

Ähnlich beurteilt das Robert Greil von Merck Finck: „Seit rund drei Wochen läuft der ‚Trump-Trade‘. Darunter versteht man die Erwartung, dass im Falle einer zweiten Präsidentschaft des 78-Jährigen die Wall Street besser läuft, der US-Dollar stärker wird, der Goldpreis angesichts mehr drohender Unsicherheit steigt und die Zinsen für US-Staatsanleihen klettern – Letzteres vor allem angesichts vermutlich deutlich höherer Staatsdefizite.“

Experten warnen: Aussteigen trotz möglichen Folgen der US-Wahl 2024 keine gute Idee

Auch wenn es noch andere, zum Teil deutlich wichtigere Einflussfaktoren auf die Aktienmärkte wie die Zinspolitik gibt, so könnte die US-Wahl dieses Mal also doch etwas längere Beine haben. Aus dem Aktienmarkt deshalb aber auszusteigen, wäre wohl eine schlechte Entscheidung. Immerhin haben Aktien nach Angaben von Erik Weisman von MFS Investment Management in Jahren mit Präsidentschaftswahlen seit 1928 um durchschnittlich 7,5 Prozent zugelegt. Und laut der UBS stiegen die Kurse von US-Aktien in den 150 Handelstagen nach einer Wahl zum US-Präsidenten im Durchschnitt um fünf Prozent.

Dabei dürfte sich der Markt, soweit es um die Besetzung der Kammern geht, unterschiedliche Mehrheiten erhoffen. Denn dann war die Marktentwicklung unabhängig davon, ob der Präsident Demokrat oder Republikaner war, am besten, stellt Weisman fest. Offenbar, so seine Folgerung, verhindert ein Machtgleichgewicht allzu ehrgeizige Gesetzesvorhaben einer Partei, die die Märkte oft verunsichern und deshalb zu Volatilität führen. Klar ist derzeit nur, dass der Ausgang der Wahl offen ist. Greil warnt auch deshalb vor einer spürbar zunehmenden Volatilität am Markt, zumindest bis Dezember. „Anleger sollten ihr Aktienportfolio am besten nach Regionen und Branchen breit diversifizieren“, folgert Ewing. „Denn damit lassen sich auch Kursschwankungen rund um die US-Wahl am besten durchstehen.“

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