Erhöhung der Krankenkassenbeiträge: „Katastrophe für Privatversicherte“ – Keine Chance für Versicherte

  1. Startseite
  2. Verbraucher

KommentareDrucken

Der Bundesgerichtshof entscheidet im Sinne von Versicherungen. Bei Beitragserhöhungen müssen diese ihre Berechnungen nun nicht mehr vollständig aufdecken.

Karlsruhe – Für deutschlandweit rund 8,7 Millionen Privatversicherte bedeutet das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) einen Rückschlag. Mit dem sperrigen Urteilsnamen zu „Limitierungsmaßnahmen bei Prämienanpassungen“ wird es Privatversicherten künftig „unbeweisbar gemacht, ob die Versicherung die Beiträge zu stark erhöht.“ Das sagt ein Verbraucher-Rechtsanwalt, der die Entscheidung aus Karlsruhe stark kritisiert.

Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge für Privatversicherte: Fehler nicht mehr nachweisbar?

Konkret geht es beim BGH-Urteil um steigende Krankenkassenbeiträge. Wenn ein Versicherer die Beiträge für die Versicherten erhöht, ist er gesetzlich dazu verpflichtet, die Erhöhung durch eigene Mittel aus Rückstellungen abzumildern, sogenannte Limitierungsmaßnahmen. Wenn die Versicherer in dieser Kalkulation Fehler machen, konnten Kunden bisher klagen und die Erhöhung unwirksam machen. Der BGH hat nun anders entschieden. Und das gleich im doppelten Sinne. Zum einen wird eine Beitragserhöhung durch die fehlerhafte Berechnung nicht automatisch unwirksam, zum anderen müssen Versicherte selbst die Fehler nachweisen, ohne die infrage stehende Berechnung der Versicherung einsehen zu dürfen.

Für Rechtsanwalt Jan Frederik Strasmann, Geschäftsführer der Verbraucherrechtskanzlei rightmart, ist das Gerichtsurteil „eine Katastrophe für Privatversicherte“. Bei begründeten Zweifeln an einer Beitragserhöhung konnten Versicherte bisher klagen, „und die Versicherung musste in der Regel darlegen, dass die Beitragserhöhung richtig berechnet ist“, so Strasmann gegenüber IPPEN.MEDIA. Nun hat sich die Beweislast zu den Versicherten verschoben. „Das Absurde daran: Die Versicherung muss ihr Limitierungskonzept nicht mehr vorzeigen“, kritisiert der Jurist.

Erhöhung der Krankenkassenbeiträge: Selbst bei falschen Berechnungen keine Möglichkeit für Versicherte

Der Verbraucherschützer merkt an, dass es sich bei diesem Limitierungskonzept der Versicherungen um hochkomplexe Mathematik handle, die für Externe ohne Einsicht kaum nachvollziehbar sei. Der BGH hat das Einsehen ins Konzept nun erschwert. „Damit hat das Gericht es den Menschen unbeweisbar gemacht, ob die Versicherung die Beiträge zu stark erhöht, weil selbst große Kanzleien die Berechnungen ohne Einsicht von außen kaum nachvollziehen können“, sagt Strasmann.

Auslöser für das Urteil war die Klage eines Versicherten gegen Beitragserhöhungen. In zwei Instanzen hatte der Mann größtenteils Recht bekommen, ehe der BGH in Karlsruhe das Berliner Landgericht überstimmte und den Fall mit neuen Richtlinien ans Landgericht zurückgab. Fehlerhafte Beitragserhöhungen können nun nur noch bei „besonders schwerwiegenden Verstößen“ unwirksam gemacht werden, gab das Gericht in seiner Urteilsverkündung bekannt. Eine ausführliche Begründung der Entscheidung folgt noch.

Erhöhung der Krankenkassenbeiträge: Gesetzliche Krankenversicherung als einzige Alternative?

„Wieso das Gericht so urteilt, fragen wir uns alle“, sagt Verbraucherschützer Strasmann dazu. „Es geht nicht darum, hinter jeder Beitragserhöhung eine falsche Berechnung zu vermuten, das sind sie nicht. Allerdings gibt es für Versicherte nun nicht mehr die Möglichkeit, die Berechnung überhaupt zu überprüfen.“ Für den Rechtsanwalt sollten auch Privatversicherungen zu mehr Transparenz verpflichtet sein. Stattdessen müssen Versicherte sich nun auf das Wort der Versicherungen verlassen, „dass die Beitragserhöhung schon seine Richtigkeit habe.“

Strasmann hält das BGH-Urteil auch für ein politisches Signal, bei dem sich der ein oder andere künftig überlegen könnte, doch in der gesetzlichen Krankenversicherung zu bleiben. Dort sind die Beiträge mit 14,6 Prozent gesetzlich festgeschrieben. Rund die Hälfte aller Privatversicherten muss sich in diesem Jahr wohl auf Beitragserhöhungen einstellen. Im Schnitt sollen sie um sieben Prozent ansteigen. Der Rechtsanwalt rät denen, die bereits privatversichert sind, ihre Tarife genau im Blick zu behalten. „Die Möglichkeit der Tarifoptimierung gibt es aber weiterhin, bei Beitragserhöhungen steht ein Sonderwechselrecht zu.“

Auch interessant

Kommentare