Russisches Gas-Aus lässt die EU kalt – wie ein Land Putin sein Druckmittel nahm

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Womöglich würde sich Putin freuen, wenn er die EU durch kurzfristige Gas-Lieferstopps in Bedrängnis bringen könnte. Doch diese Zeiten könnten vorbei sein.

Wien/Hamburg – Vor einigen Jahren hätte es noch als Horrorszenario gegolten: Russland liefert kein Gas mehr nach Österreich, zudem fließt auch über die ukrainischen Pipelines kein russisches Gas mehr in die EU. Seit dem Ukraine-Krieg hat die EU mehrere Maßnahmen ergriffen, um die Abhängigkeit von Russlands Wirtschaft zu reduzieren. Wladimir Putins Druckmittel schwinden – auch gegenüber Ländern, die direkt vom jüngsten Gas-Stopp betroffen sind.

Abhängigkeit von Russlands Wirtschaft: Gas-Lieferstopp hat für Österreich keine massiven Folgen

Österreich erhielt bislang bis zu 80 Prozent russisches Gas, im November 2024 kündigte das russische Unternehmen Gazprom mit nur gut zwölf Stunden Vorwarnung für Samstag, (16.11.2024) 06.00 Uhr, Österreich den Lieferstopp an. Hintergrund für das abrupte Ende ist ein Rechtsstreit zwischen beiden Firmen über Lieferunterbrechungen.

Das Transitabkommen zwischen Russland und der Ukraine wurde nicht verlängert. Was bedeutet das für die EU und Wladimir Putin? ©  Stefan Sauer/dpa/ZUMA Press Wire/imago

Kurz nach dem zu erwartendem Gas-Lieferstopp aus Russland wuchs Sorge über die Gasversorgung in Österreich und in der EU – und ob sich die Gaspreise dadurch schlagartig erhöhen könnten. Experten zufolge war Österreich allerdings gut auf den Fall vorbereitet.

„Heute sind die Gasspeicher in Österreich zu 80 Prozent gefüllt. Davon sind fast 50 Terawattstunden in österreichischem Besitz. Das ist enorm. Es gibt mittlerweile in Österreich eine Art strategische Reserve von 20 Terawattstunden. Das entspricht fast einem Drittel des Jahreskonsums in Österreich. Weitere 5 Terawattstunden sind sogenannte immunisierte Gasmengen, die der kritischen Infrastruktur zur Verfügung stehen“, erklärte Assistant Professor Anton Pichler gegenüber IPPEN.MEDIA. Pichler forscht am WU Institut für Transportwirtschaft und Logistik sowie Associate am Complexity Science Hub (CSH).

Hängt die EU noch an Gas aus Russland? Putins Druck schwindet

Pichler lobt die Maßnahmen der EU und Österreich, die die Abhängigkeit von russischem Gas deutlich reduzierten. So sei Österreich in der Lage, die Gasquellen zu diversifizieren. „Die Pipeline-Kapazität zum Beispiel nach Italien wurde erhöht. Der politische Druck, den Russland damals ganz klar ausüben konnte, ist so nicht mehr gegeben, auch nicht für andere von Russland energieabhängige Länder“, so Pichler, der bereits im Sommer 2022 in der Studie „Österreich ohne russisches Erdgas?“ die Folgen eines kurzfristigen Importstopps russischen Gases untersucht hatte.

„Wir haben unsere Studie während einer Krisensituation geschrieben. Russland ist relativ frisch in die Ukraine einmarschiert. Im Juni 2022 waren die Gasspeicher ca. 30 Prozent gefüllt. Seither hat sich sehr viel getan, auch auf europäischer Ebene. Europa hat die Gasabhängigkeit von Russland reduziert und die Gasquellen diversifiziert“ so Pichler. Sein Fazit heute: „Allgemein würde ich sagen, dass Österreich auch ohne russisches Gas zurechtkommen kann.“

Russland liefert kein Gas mehr nach Österreich – droht Gaspreis-Schock?

Ein Gaspreis-Schock durch den russischen Gaslieferstopp sei auszuschließen. Auch dafür hätten die EU-Maßnahmen gesorgt. „Durch die Diversifizierungsmaßnahmen und eine bessere Integration des europäischen Transitnetzwerks gibt es mehr Flexibilität auf dem europäischen Gasmarkt.“ Der Ausbau von LNG spiele zudem eine große Rolle.

„Der europäische Gaspreis hat ein bisschen auf den Gaslieferstopp reagiert, aber die Schwankungen liegen komplett im normalen Bereich. Die Preiseffekte werden wahrscheinlich moderat sein. Einen großen Preisanstieg erwarte ich nicht“, erklärte Pichler.

Russlands Wirtschaft liefert auch kein Gas durch die Ukraine mehr – doch die Nachfrage könnte bleiben

Seit dem Jahreswechsel wird auch kein russisches Gas mehr über die Ukraine in die EU weitergeleitet. Zwischen der Ukraine und Russland gab es ein Transitabkommen, was Ende 2024 ausgelaufen war. Die Ukraine wollte diesen Vertrag nicht mehr verlängern. Doch auch dieser Lieferstopp wird laut Pichler keine zusätzlichen Auswirkungen haben.

Auch wenn viele EU-Länder inzwischen viele Alternativquellen für russisches Gas aufstellen konnten, sind einige Länder bemüht, russisches Gas über Umwege zu kaufen. Vor allem Ungarn ist offenbar daran interessiert. So sprach der Präsident Viktor Orbán zuletzt offen über einen „Trick“, nach Ablaufen des Transitvertrags die Gaslieferung über die Ukraine anderweitig aufrechtzuerhalten. Vor allem der günstige Gaspreis befeuert die Nachfrage.

Pichler zufolge ist es jedoch nicht einfach zu sagen, ob russisches Gas verglichen mit anderen Preisen billig ist, da es keine volle Transparenz gibt. „Im Wesentlichen werden Gasmengen auf großen europäischen Gasmärkten eingekauft, also an der Börse. Außerdem spielen andere Faktoren eine Rolle, wie im Fall von Österreich. Da hat es langfristige Verträge gegeben, wodurch man sich noch gute Konditionen gesichert hat.“ (bohy)

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