Schachtars Trainer-Legende Lucescu: „Donezk wird kein großes Problem für den FC Bayern“

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Am Dienstag empfängt Schachtar Donezk den FC Bayern in der Champions League in Gelsenkirchen. Was die Münchner gegen die Ukrainer erwartet, erklärt Schachtars Trainer-Legende Mircea Lucescu im tz-Interview.

München - Am Dienstag (21 Uhr, Prime Video) trifft der FC Bayern in der Champions League auf Schachtar Donezk. Einst hatten die Ukrainer eine der spannendsten Mannschaften Europas. Aber was kann man nun vom Club, der aufgrund des russischen Angriffskriegs seine Champions-League-Heimspiele in Gelsenkirchen austrägt, erwarten? Das weiß Trainer-Legende Mircea Lucescu (79). Der rumänische Nationaltrainer wurde mit Donezk zwischen 2004 und 2016 u.a. achtmal Meister und gewann 2009 den UEFA-Cup. Das tz-Interview.

Herr Lucescu, welche Erinnerungen haben Sie an den 11. März 2015?

Es war kein Vergnügen… Die Bayern waren damals sehr erfolgreich unter Guardiola und hatten lauter Stars in der Mannschaft. Im Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League haben wir mit Shakthar gegen sie noch 0:0 gespielt. In München hat der Schiedsrichter aber nach nur drei Minuten einen Elfmeter gegeben und unseren Innenverteidiger Kucher vom Platz geschickt. Was damals passiert ist, war nicht korrekt. Danach hat die UEFA die Regel geändert: Nicht immer gibt es nun für eine Notbremse im Strafraum eine doppelte Bestrafung. Der Ausschluss damals hat uns damals große Probleme gemacht, wir haben deshalb 0:7 verloren. Ich war wirklich sehr enttäuscht über das Rückspiel.

Werden es die Bayern am Dienstag gegen Shakhtar schwerer haben?

Ich denke, es wird kein großes Problem für die Bayern werden. Schachtar hat zwar weiterhin junge und technisch versierte Spieler im Kader. Aber sie haben sehr wenig Erfahrung. Man braucht Geduld. Aber ich hoffe, dass die Mannschaft eine starke Leistung gegen Bayern zeigt.

Auf welche Spieler müssen die Münchner achten?

In der Abwehr Matvienko und Konoplya, im Mittelfeld Sudakov und Bondarenko, im Sturm Zubkov. Das sind Spieler, die etwas mehr Erfahrung haben. Die Mannschaft kann gute Matches abliefern. In der Liga haben sie zwar ihre Probleme, in der Ukraine wird aggressiver gespielt. Aber die Partie in der Champions League ist anders.

Was halten Sie von der Bayern-Mannschaft?

Die Münchner sind einer der Favoriten auf den Champions-League-Titel. Sie können es schaffen. Aber sie sind auch nicht mehr das große Team wie früher. Das ist der normale Zyklus. Aus meiner Sicht hat Bayern nach Guardiola zu oft den Trainer gewechselt. Es ist okay, wenn man Spieler tauscht. Aber wenn man den Trainer alle sechs oder zwölf Monate ändert, wird es schwierig. Denn jeder Coach hat eine eigene Philosophie. Das ist nicht leicht für die Spieler.

Vincent Kompany, der im Sommer von Premier-League-Absteiger Burnley nach München gewechselt ist, soll länger bleiben. Welche Meinung haben Sie von ihm?

Noch keine. Er hat noch nie auf diesem Level gearbeitet. Es ist ein Test für ihn. Ein Bayern-Trainer zu sein, ist eine komplette andere Sache. Ich finde, Bayern braucht einen Trainer mit großer Erfahrung. Auch Nagelsmann hatte eine schwierige Zeit – obwohl er zuvor schon Leipzig trainiert hatte. Es gibt Momente, da ist Erfahrung wichtiger als Qualität. Früher hat der FC Bayern oft Heynckes zurückgeholt, um der Mannschaft zu helfen und sie wieder zurück nach oben zu bringen. Das ist aber keine Option mehr.

Den Bayern fehlen am Dienstag zahlreiche Top-Stars verletzt.

Das ist ein Problem. Und das hängt aus meiner Sicht auch mit der Erfahrung des Trainers zusammen. Ein Coach muss verstehen lernen, wann man Spielern eine Pause gibt, wann man weniger intensiv spielt und wann man wie trainieren lässt. Klar können während eines Spiels Verletzungen nach Fouls passieren. Aber meine Spieler hatten nie muskuläre Verletzungen. Man muss allerdings auch sehen, dass junge Trainer schnelle Resultate wollen und auch brauchen. Ich hoffe, dass Kompany beim FC Bayern Erfolg haben wird.

Wie groß ist der Nachteil für Schachtar, dass das Team aufgrund des Kriegs seine Champions-League-Heimspiele nicht zuhause austragen kann?

Sehr groß. Das ist generell eine sehr schwierige Situation. Es ist nicht einfach, ein hohes Niveau zu halten. Niemand möchte aktuell zu einem ukrainischen Verein wechseln. Nur junge Spieler, die wegen des Geldes kommen oder um in europäischen Wettbewerben zu spielen. In der Liga fahren die Teams regelmäßig zehn Stunden per Bus zum nächsten Spiel oder nehmen den Nachtzug. Fliegen ist unmöglich derzeit. Deshalb können wir die aktuelle Mannschaft nicht mit der, die ich zwölf Jahre erfolgreich trainiert habe, vergleichen. Ich bin sicher, dass Schachtar einen tollen Neustart hinlegen wird, sobald dieser Krieg vorbei ist.

Mircea Lucescu ist inzwischen wieder rumänischer Nationaltrainer.
Mircea Lucescu ist inzwischen wieder rumänischer Nationaltrainer. © IMAGO/Razvan Pasarica/SPORT PICTURES

Mircea Lucescu über Schachtars Erfolg mit brasilianischen Talenten

Von 2004 bis 2016 haben Sie mit Schachtar achtmal die Meisterschaft, sechsmal den Pokal und einmal den UEFA Cup gewonnen.

Wir haben damals junge und technisch starke Spieler geholt. Sie waren meist 18, 19 Jahre alt und haben sich mehrere Jahre unter mir entwickeln können. Solche Spieler bringen keinen sofortigen Erfolg. Ich habe sie erst 15 bis 20 Minuten eingesetzt. Stück für Stück wurden sie besser. Ich habe sehr hart mit ihnen gearbeitet und es hat sich gelohnt. William zum Beispiel war erst nach einem Jahr Stammspieler. Später ist er zum FC Chelsea gewechselt. Fernandinho ging zu Manchester City, Adriano zum AC Mailand, Douglas Costa zum FC Bayern. Teixeira wollte nicht zum FC Liverpool und hat sich stattdessen dazu entschieden, für viel Geld nach China zu wechseln.

Seit Ihrer Ankunft bei Schachtar hatte der Club stets starke brasilianische Spieler. Warum hat das so gut geklappt?

Für die Brasilianer war und ist es ein toller Schritt, um in Europa Fuß zu fassen. Die ganz großen Clubs nehmen meist keine jungen Brasilianer, weil die Spieler ihnen zu sofortigem Erfolg verhelfen sollen. Wir aber hatten Geduld, um eine starke Mannschaft aufzubauen.

War die Sprache nie ein Problem?

Als ich gemerkt habe, dass sie kein Russisch und Englisch lernen können, habe ich Portugiesisch gelernt. Ich habe die Besprechungen und Matchvorbereitungen komplett auf Portugiesisch gehalten. Und für die russisch sprachigen Spieler hatte ich einen Übersetzer. (lacht) Außerdem wollen brasilianische Spieler nicht alleine sein. Sie brauchen ihre Familie und Freunde – gerade in der Anfangszeit bei einem neuen Verein in einem fremden Land.

Was war für Ihren Erfolg mit Schachtar noch wichtig?

Ich hatte immer eine sehr gute Beziehung zu besonderen Spielern. So war es auch bei Ronaldo, als ich 1999 Inter Mailand trainiert habe. Dort habe ich auch auf Andrea Pirlo, der damals erst 15 Jahre alt war, gesetzt. Ich habe verstanden, dass solche Ausnahmekönner keine normalen Spieler sind, sie brauchen eine Sonderbehandlung. Sie sind sehr kreativ und eigen – auch außerhalb des Platzes. Sie lassen sich nicht ändern. Man muss verstehen, dass man sie nicht zu Disziplin zwingen kann. Dafür machen sie mit ihrer Kreativität Dinge, die kein anderer Spieler kann.

Im Sommer haben Sie nach der Europameisterschaft mit 79 Jahren erneut die rumänische Nationalmannschaft übernommen. Warum?

Das Alter ist nicht wichtig! (lacht) Kein anderer Trainer wollten den Job antreten. Der Verband und die Menschen haben mich dann darum gebeten, dass ich es mache. Ich habe mich dazu entschieden zurückzukommen und mit meiner Erfahrung zu helfen. Ich wollte kein Geld dafür, aber der Verband meinte, das wäre rechtlich gesehen nicht möglich. Mein Vertrag ist nun bis zur Weltmeisterschaft 2026 gültig. Wir haben seitdem alle sechs Nations-League-Spiele gewonnen.

Wie lange wollen Sie noch als Trainer arbeiten?

Ich liebe Fußball und ich habe die Leidenschaft für den Job. Solange die da ist, mache ich weiter. Der Job hilft mir, jung zu bleiben. Es ist eine Win-Win-Situation. Meine Nationalspieler geben mir Leidenschaft. Und ich gebe ihnen im Gegenzug Erfahrung. (lacht) Interview: Philipp Kessler

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