Widerstand vor 80 Jahren: Sprengung der Johannisbrücke verhindert – Gedenken an Zivilcourage in Miesbach

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Blumen zur Erinnerung für gezeigte Zivilcourage: Unter den Teilnehmern der Gedenkfeier für die verhinderte Sprengung der Johannisbrücke war auch Miesbachs SPD-Urgestein Paul Fertl, dessen Tante noch in den letzten Kriegstagen durch SS-Beschuss ums Leben kam. © Helmut Hacker

Am 1. Mai 1945 verhinderten Bürger die Sprengung der Johannisbrücke und bewahrten die Stadt vor Zerstörung. Um an diesen Akt zu erinnern organisierte der SPD-Ortsverein eine Gedenkfeier.

Miesbach – Am 1. Mai 1945 verhinderten mutige Mies­bacher Bürger die sinnlose Sprengung der Johannisbrücke über die Schlierach. Um an diesen Akt ungeheurer Zivilcourage vor 80 Jahren zu erinnern, lud der SPD-Ortsverein zu einer Gedenkfeier.

Sprengung der Johannisbrücke verhindert: 80 Jahre seit mutigem Widerstand – Gedenken an die Zivilcourage in Miesbach

Gut 30 Besucher kamen zu dem Gedenkstein an der Johannisbrücke, wo der Miesbacher Stadthistoriker Alexander Langheiter sie in einem kurzen Vortrag in die Zeit der letzten Kriegstage mitnahm, als die US-Armee kurz vor Bad Tölz und Holzkirchen stand und weite Teile Deutschlands bereits in Händen der Alliierten waren.

Damals marschierten, erzählte Langheiter, durch Miesbach bereits ganze Karawanen von Wehrmachts- und SS-Verbänden in Richtung der Alpenfestung, die, wie sich herausstellte, nur ein Mythos war: „Im Rathaus verschanzten sich aber noch SS-Kräfte, die die Schlierach­brücke als damals einzig wirkliche Überquerung der Schlierach sprengen wollten und damit den Vormarsch der Amerikaner verzögern wollten.“

Gedenken an mutige Miesbacher Bürger vor 80 Jahren

Dabei waren die bereits angebrachten Sprengladungen so groß, dass wohl im Umkreis von bis zu 300 Metern nahezu alles zerstört worden wäre und sowohl Rathaus als auch Bahnhof schwer in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Als dies bekannt wurde, und um dies zu verhindern, versammelten sich in einem Akt der Verzweiflung Frauen, Männer und Kinder auf der Brücke.

Unter ihnen war auch der angesehene Hutfabrikant Anton Kohlndorfer, der sich beim Landrat zuvor noch vergeblich gegen die Sprengung eingesetzt hatte. Im allgemeinen Gemenge des Menschenauflaufes gelang es schließlich dem Bergmann Josef Seitz, die beiden Sprengladungen zu entschärfen.

30 Besucher kamen zu dem Gedenkstein an der Johannisbrücke

Als die SPD-Ortsvorsitzende Lisa Hilbich aus Seitz‘ Protokollen vorlas, rief sie in beklemmende Erinnerung, was dieser an den Füßen in einer Scheune aufgehängt, dafür an Folter durch die SS erdulden musste, wie er in Rottach durch die Feldgendarmerie zum Tod durch den Strang verurteilt und glücklicherweise dann am 8. Mai 1945, ein Leben lang durch zu enge Eisenfesseln gezeichnet, freigelassen wurde.

Wie gnadenlos die SS gegen die eigene Bevölkerung vorging, zeigte, dass durch deren Beschuss der Stadt Miesbach vom Stadlberg aus am 2. Mai noch eine junge Frau ums Leben kam. Wie Hilbich erinnerte, war dies Paul Fertls Tante Therese Steinberger.

Erinnerung an Zivilcourage und Bedeutung für die Gegenwart

„Unter Einsatz ihres Lebens haben sich genau hier vor 80 Jahren Miesbacher Bürger einer unsinnigen Zerstörung und dem NS-Terror widersetzt. Wir dürfen nie vergessen, dass wir es auch solchen tapferen Menschen zu verdanken haben, dass wir heute in Frieden und Freiheit leben dürfen“, verneigte sich Miesbachs Bürgermeister Gerhard Braunmiller.

Dass die verhinderte Brückensprengung heute mehr denn je ein Vorbild ist, sich gegen rechte Tendenzen in Deutschland und Europa zu stellen, hob Hilbichs Stellvertreter Thomas Acher hervor. Wie er sagte, verbreiten gerade radikale Kräfte Ängste, verursachen Hass und erinnern an die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte: „Wir müssen wachsam sein und die Demokratie aktiv verteidigen. Lassen wir uns dabei von dem Geist inspirieren, der hier vor 80 Jahren ein starkes Symbol der Hoffnung und Zivilcourage gesetzt hat.“ Helmut Hacker

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