Reservekraftwerke für Energiewende - Für sein letztes großes Energieprojekt übergeht Habeck sogar Scholz
„Grundlage für die Versorgungssicherheit“
Als besonders zentral erachtet die Branche das sogenannte Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWKG). Knapp drei Jahre hatte Habecks Wirtschaftsministerium für die Ausarbeitung des Entwurfs benötigt, der unter anderem die Ausschreibung und den Bau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke regeln soll. Die Gaskraftwerke sollen so etwas wie den Notfallschalter für die Energiewende darstellen: In den seltenen Situationen, in denen es gleichzeitig zu wenig Wind und Sonne gibt, sollen die Gaskraftwerke anspringen und den fehlenden Strom bereitstellen. Außerhalb dieser seltenen Fälle sollen die Kraftwerke aber abgeschaltet bleiben - was viele Fragen unter anderem zur Finanzierung aufwarf.
„Der Zubau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke ist Grundlage für unsere künftige Versorgungssicherheit“, sagte Andrae in einer Mitteilung vom Samstag. „Damit die notwendigen Investitionen erfolgen können, müssen die Ausschreibungen unbedingt im kommenden Jahr beginnen. Deshalb braucht es schnell eine Einigung auf eine praxisnahe Ausgestaltung.“
Fünf-Jahres-Plan in Gefahr
Im Wirtschaftsministerium teilt man die Sorge. Dort geht eine einfache Rechnung um: Damit Deutschland im Jahr 2030 wie erhofft den Kohleausstieg vollziehen kann, müssen bis dahin die neuen Gaskraftwerke stehen. Deren Bau dauert etwa fünf Jahre. Wenn also der Kohleausstieg 2030 gelingen soll, müssen die Ausschreibungen im kommenden Jahr über die Bühne gehen - damit der Bau noch 2025 beginnen kann.
Die vorgezogenen Neuwahlen Ende Februar verkomplizieren diesen Plan. Nach den Wahlen muss sich schließlich erst einmal eine neue Regierung sondieren, was im ungünstigsten Fall Monate dauern kann. Der neue zuständige Minister oder die Ministerin müssen sich unter Umständen erst einmal ins Thema einarbeiten. Und dann könnte die neue Koalition beschließen, andere energiepolitische Akzente zu setzen - und die Gaskraftwerke wären plötzlich wieder vom Tisch, kurz vor dem erhofften Baubeginn.
Schneller als der Kanzler erlaubt
Habeck will daher das Gesetz unbedingt noch durchbringen, koste es, was es wolle. Doch der Zeitplan ist ambitioniert. Spätestens am 4. Dezember, also am Mittwoch kommender Woche, müsste der Gesetzesentwurf eigentlich schon das Kabinett passieren, heißt es. Schließlich müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen, auch die EU-Kommission müsste die Pläne noch einmal absegnen.
In seiner Eile übergeht Habeck offenbar sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Denn am Montag hat Habeck nach Informationen von FOCUS online Earth bereits die sogenannte Anhörung der Bundesländer und der Verbände gestartet, die bei Gesetzesvorhaben dieser Art zwingend erforderlich ist. Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung darf die Anhörung jedoch erst gestartet werden, wenn die Abstimmung zwischen den Bundesministerien abgeschlossen ist - also wenn kein anderes Ministerium, dessen Geschäftsbereich das Gesetz berührt, Einwände erhoben hat. Diese Abstimmung ist derzeit aber noch gar nicht beendet, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) am Montagabend.
Auch eine explizite Zustimmung des Kanzleramts, auf die bei solchen Gesetzesvorhaben üblicherweise Wert gelegt wird, liegt nach Informationen der „SZ“ noch nicht vor. Einer Bitte des Kanzleramtes um Fristverlängerung habe das Wirtschaftsministerium nicht zugestimmt.
„Robert Habeck hat den Karren in den Dreck gefahren“
Zumindest in den Bundesländern dürfte Habeck politische Unterstützung für seine Eile erfahren. Anfang November hatten sich die Energieminister der 16 Länder zu einer Konferenz in Schleswig-Holstein getroffen und die sogenannte „Brunsbütteler Erklärung“ verabschiedet. In der parteiübergreifenden Erklärung wird explizit die Verabschiedung des Kraftwerkssicherheitsgesetzes gefordert. „Wir fordern den Bund auf, alles zu unternehmen, die Ausschreibungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke im Rahmen der Kraftwerksstrategie zu beschleunigen“, sagte etwa Bayerns Energie- und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). „Die ersten Ausschreibungen müssen schon Anfang 2025 starten.“ Es dürfe keinesfalls eine Lücke bei der Stromversorgung entstehen, warnte Aiwanger.
Ob Habeck im Bundestag eine Mehrheit organisieren kann, ist jedoch ungewiss. Die FDP stand dem Gesetz seit jeher skeptisch gegenüber, seit dem Ampel-Aus fällt sie wohl endgültig als Mehrheitsbeschafferin weg. Und auch bei der Union ist unklar, ob sie dem Flehen ihrer eigenen Landesminister sowie der Energiewirtschaft nachkommen wird. „Wir werden das jetzt nicht in den letzten drei, vier Wochen verhandeln“, sagte Fraktionsvize Jens Spahn am Freitag zu „Zeit Online“ . „Robert Habeck hatte drei Jahre Zeit, diesem Land eine sichere Energieversorgung zu geben. Er hat es nicht geschafft. Robert Habeck hat den Karren in den Dreck gefahren, und wir werden ihn nach der Wahl wieder rausziehen.“ Was genau die Union anders machen will, sagte Spahn nicht.
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